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Ein Vogel Strauß mit fliegender Krone, Engelsköpfchen, die aus einer eleganten Hand schweben, ein Muskelprotz mit Maske, ein Affe, der verwundert auf die Büste in seinen Armen schaut. Es sind ungewöhnliche Motive, die die polnische Lyrikerin und Nobelpreisträgerin Wisława Szymborska ihrem Übersetzer Karl Dedecius geschickt hat. „Wyklejanki“ hat sie ihre selbstgefertigten Collagen genannt; Ulrich Räther hat das für die aktuelle Ausstellung im Collegium Polonicum mit „Schnipselklebereien“ übersetzt. So amüsant, verspielt, ironisch und zugänglich wie das klingt, sind die besonderen Grüße auch. >>>weiterlesen
Rund 100 dieser „Schnipselklebereien“ hat Szymborska über vier Jahrzehnte an Dedecius geschickt; sie sind ein bisher in der Gesamtheit kaum bekannter Schatz des Nachlasses, den Dedecius der Europa-Universität vermachte. Während Dr. Agnieszka Brockmann, Leiterin des Karl Dedecius Archives, mit Handschuhen durch die Kostbarkeiten blättert, erzählt sie, dass die Korrespondenz zwischen Szymborska und ihrem Übersetzer ins Deutsche durchaus nicht gleich mit den verspielten Kartengrüßen begann. „Angefangen hat alles mit normalen Briefen. Im zweiten Brief – einem besonders langen – ist sie richtig zur Sache gegangen und hat Dedecius‘ Übersetzung heftig kritisiert“, gibt die Archivarin einen Einblick in den besonderen Austausch. Doch über die Jahre habe sich eine größere Vertraulichkeit eingestellt und Dedecius wurde zu einem Empfänger der berühmten „wyklejanki“.
Diese fertigte Szymborska „in Schüben“, wie Agnieszka Brockmann zu berichten weiß. Tagelang schnitt sie Motive aus ihrer großen Sammlung von Zeitungen aus, setzte sie neu zusammen, kommentierte sie mit ebenfalls ausgeschnittenen Worten, Überschriften und Werbeslogans. Vom Körper getrennte Köpfe sind oft zu sehen, Mischwesen aus Mensch und Tier, historische Figuren und Apparate. Die feine Ironie und der leise Witz, der Szymborskas Gedichten eigen ist, zeigt sich auch in diesen Illustrationen.
Für Agnieszka Brockmann ist jedoch mindestens genauso wichtig, was auf der Rückseite der Karten steht: „Viele Editionen und Ausstellungen zeigen nur die Collagen; uns war es wichtig, auch die Inhalte zur Korrespondenz zu zeigen.“ Neben Neujahrs- und Weihnachtswünschen geht es in dem Austausch zwischen der Dichterin und dem Übersetzer um Einladungen zu Veranstaltungen in Deutschland, die Szymborska gern ablehnte und zu denen Dedecius sie doch manchmal überreden konnte. Urlaubsgrüße aus Orten mit lustigen Namen – ein weiteres Faible der Dichterin – sind genauso darunter wie Reaktionen auf Neuerscheinungen und Bücherwünsche. „Dedecius hat Szymborska mal als eine Frau beschrieben, die nicht gern Menschen an sich heranließ. Das sehe ich in dieser Korrespondenz nicht, die ist durchaus herzlich“, so die Einschätzung von Agnieszka Brockmann. Eine Veränderung des Austausches brachte der Nobelpreis mit sich, mit dem Szymborska 1996 geehrt wurde. Die Einladung Dedecius‘ nach Stockholm kam per Fax, die Briefe wurden kürzer und sachlicher. Für „Schnipselklebereien“ blieb der spätestens jetzt weltberühmten Dichterin nicht mehr viel Zeit.
In der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau liegen Dedecius‘ Antworten auf die Karten von Szymborska. „Er hat ihr auch ,Schnipselklebereien‘ geschickt und sie hat ihn dafür gelobt“, berichtet Agnieszka Brockmann, und ergänzt lachend: „Allerdings nicht sehr überschwänglich.“
Text: Frauke Adesiyan
Fotos: Heide Fest
Zum 100. Geburtstag von Wisława Szymborska sind wei Filme entstanden, in denen Beschäftigte und Studierende des Collegium Polonicum und der Viadrina Szymborskas berühmtes Gedicht „Nichts geschieht ein zweites Mal“ in deutscher und polnischer Sprache lesen.
Zur deutschen Version aus dem Collegium Polonicum
Zur polnischen Version vom Campus der Viadrina
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