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Schon in ihrem Impulsvortrag im voll besetzten Auditorium machte Aleida Assmann deutlich, wie kritisch sie die europäische Erinnerungskultur sehe. Sie beklagte, dass die Chance für eine dialogische Erinnerungskultur, die sich nicht nur auf die nationale Sichtweise beschränkt, weitestgehend verpasst wurde. Auch Claudia Weber beobachtet ein Erinnern, das in nationale Muster zurückfalle. Eine europäische, transnationale Erinnerungskultur habe sich nicht etabliert.
Hinzu komme, so Aleida Assmann, eine Asymmetrie der Erinnerung zwischen Regionen und Opfergruppen. Warum setzen Berichte über die Verbrechen der Wehrmacht oft erst mit dem Jahr 1941 ein, obwohl diese seit 1939 in Polen marodiert hatte? Warum weiß man viel über die drei Millionen ermordeten polnischen Juden und wenig über weitere drei Millionen ermordete Polen, die keine Juden waren?
Für Viadrina-Historikerin Claudia Weber liegt eine Ursache für diese „blinden Flecken“ darin, dass die Geschehnisse zwischen 1939 und 1941 im Osten schwer zu fassen sind. „Die Grautöne dieses Krieges muss man erstmal bewältigen“, sagte sie. Dr. Jochen Böhler vom Imre-Kertész-Kolleg „Europas Osten im 20. Jahrhundert“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena brachte ein, dass in der Wissenschaft durchaus viel zum Thema erforscht sei. „Die Kenntnisse kommen aber nicht in der Öffentlichkeit an“, bedauerte er.
Ob ein Denkmal dieses Vakuum füllen könnte, wurde anschließend diskutiert. Anlass dafür ist die Initiative für ein Polen-Denkmal, das in Berlin an die polnischen Opfer der deutschen Besatzung von 1939 bis 1945 erinnern soll. Claudia Weber gab zu bedenken, dass Denkmale eher einen Erinnerungs-Anspruch postulieren, als tatsächlich Erinnerung wachhalten können. Dieser Skepsis widersprach Aleida Assmann. Schließlich wirke ein Denkmal mindestens zur Hälfte durch die Praktiken, die um es herum entstehen. Sie verwies auf die Stolpersteine von Gunter Demnig: „Das sind nicht nur die Messing-Quadrate, die Aktion involviert viele Leute, die beispielsweise in die Archive gehen.“
Einig waren sich die Experten auf dem Podium in der Notwendigkeit, im Umfeld des Denkmals Informationen bereitzustellen. „Ich würde mir wünschen, dass ein solches Denkmal auch die Widersprüchlichkeiten der Geschichte ausdrückt“, sagte Claudia Weber.
Recht pragmatisch brachte Aleida Assmann den Vorteil von möglichst öffentlich ausgetragenen Diskussion um das Gedenken auf den Punkt. Wenn es darum gehe, bisher wenig Bekanntes in das Bewusstsein zu rücken, sei „möglichst viel Streit um ein Polendenkmal extrem wirksam.“ Und das nicht zum Selbstzweck. Aleida Assmann appellierte: „Europa muss die Geschichte kennen, aus der es hervorgegangen ist.“ Längst gehe es nicht mehr um Schuld, sondern um Verantwortung und Empathie.
Veranstalter des Abends waren die Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, der Verband der Osteuropahistorikerinnen und -historiker e. V. und die Topographie des Terrors. (FA)
Fotos: Frauke Adesiyan
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