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So haben wir Pfarrer Hans-Michael Hanert an der Viadrina erlebt und geschätzt: die schlanke, hohe Gestalt mit dem weißgrauen, fast alttestamentarischen Prophetenbart und seine Entdeckungsfahrten ins Nachbarland in einem alten Wartburg, als Pionier einer neuen deutsch-polnischen Begegnungskultur. Hanert war ein Viadrina-Typus der ersten Stunde.
Vom ökumenischen Eröffnungsgottesdienst zur Wiederbegründung der Europa-Universität im Oktober 1992 berichtete sogar das Neue Deutschland. Frankfurt (Oder) sende jetzt neue Signale „der Verständigung und des Verstehens“ zwischen Ost und West: „Pfarrer Hans-Michael Hanert sprach am Montagabend in der Frankfurter Gertraudenkirche von einem Versuch, mittels der gemeinsamen Lehre und Forschung an der Hochschule einander näher zu kommen. An dem ökumenischen Gottesdienst nahmen Studenten, Vertreter der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden sowie Universitätskanzler Karl-Josef Schmücker teil.“
Hanert, Jahrgang 1955, hatte ein theologisch-pädagogisches Studium in Naumburg und Magdeburg absolviert und übernahm nach dem Mauerfall und einem Engagement für die Aktion Sühnezeichen in Warschau im Juli 1990 die Pfarrstelle in Booßen bei Frankfurt.
An der Viadrina wirkte er von 1992 bis 2006 und legte den Grundstein für die ökumenische Studierendenarbeit (ÖSAF). Er übernahm Lehraufträge zu einer kulturwissenschaftlichen Lektüre des Alten und Neuen Testaments – so im Sommersemester 1999 im Rahmen der „Lektüre kulturwissenschaftlicher Grundlagentexte“ eine Übung mit dem Titel „Kursorische Lektüre der Bibel: Evangelien“. Im Sommersemester 2000 bot er im Rahmen der „Einführenden Lehrveranstaltungen in die Kulturwissenschaften“ eine Übung an zu „Sprachformen der Bibel“. Hanert war ein gesuchter Gesprächspartner zu allen Fragen von Ethik und Inter-Religiosität in Europa.
Auch im Oecumenischen Europa-Centrum (OeC), das von Superintendent Christoph Bruckhoff und Viadrina-Rektor Hans N. Weiler 1994 begründet wurde, war Hanert von Beginn an dabei. Er hatte großen Anteil an der Zielsetzung des OeC, in einer „gemeinsamen Anstrengung“ von Religionsgemeinschaften, Stadt und Universität, Europas Aufbruch mit „Spiritualität“ zu versehen und zugleich „eine neue europäische Wissenskultur zu schaffen, die die intellektuellen Traditionen Mittel- und Osteuropas in ihrer Eigenart und ihrem Wert ernst nimmt“ (Hans N. Weiler). Hanerts Initiative ist es zu verdanken, dass die älteste Frankfurter Kirche, die Friedenskirche, vom OeC getragen und als interkonfessionelle Begegnungsstätte genutzt wird.
2010 verließ Hanert die Booßener Kirchengemeinde und übernahm neue Aufgaben als Pfarrer und Religionslehrer in Görlitz. Die ALS-Krankheit, die ihn hier ereilte, ist unheilbar. Bis zuletzt blieb er intellektuell wach und neugierig. Er las, wie Christoph Bruckhoff als einer der letzten Besucher berichtete, die „Jakobsbücher“ der polnischen Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk. Am Ersten Weihnachtstag 2019 ist Pfarrer Hans-Michael Hanert im Alter von 64 Jahren gestorben. Die Europa-Universität Viadrina gedenkt seiner in Dankbarkeit.
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