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Lebensweg Wissenschaft – Drei Viadrina-Alumni erzählen von ihren Karrieren an internationalen Universitäten

Schweiz, Niederlande, Indien – die Viadrina-Alumni in diesem Beitrag geben einen kleinen Einblick, wohin eine an der Europa-Universität begonnene akademische Laufbahn führen kann. Dr. Julia Hörnig, Dr. Annika Bose Styczynski und Prof. Dr. Robert Finger berichten, warum Wissenschaft für sie der richtige Beruf ist und wie dieser sie ins Ausland führte.

Julia Hörnig ©privat

Dr. Julia Hörnig – Rotterdam, Niederlande

Seit dem 1. Februar 2021 ist Dr. Julia Hörnig Assistant Professor an der Erasmus University Rotterdam und trotz Lehre und Forschung aus dem Homeoffice regelrecht euphorisch über diesen jüngsten Karriereschritt. „Ich habe Zeit zum Denken und zwar so, wie ich möchte. Es gibt kaum Einschränkungen“, sagt sie. Viele internationale Stationen lagen für die heute 29-Jährige zwischen dem Jura-Studium an der Viadrina, das sie 2009 begonnen hatte, und ihrer jetzigen Stelle. Auslandssemester in Rotterdam, Promotion in Luzern, Praktika in Hamburg und Frankfurt am Main, Forschungsaufenthalte in Rom, Wien und Edinburgh.

 Ihr Thema Transportrecht hatte sie durch eine Vorlesung bei Prof. Dr. Oliver Knöfel früh gefunden. „Vielleicht auch durch meinen Opa, der war bei der Reichsbahn“, sagt sie halb im Spaß. Ernst fügt sie hinzu: „Ich habe Respekt vor Rechtsbereichen, die mit Menschen zu tun haben. Da ist es doch einfacher, über kaputte Container zu reden.“ Aktuell beschäftigt sie sich unter anderem mit Möglichkeiten der Müllvermeidung in Lieferkreisläufen. Ein anderes Forschungsvorhaben befasst sich mit der Risikoaufteilung bei großen Havarien und deren Anwendbarkeit für nachhaltigen Transport.

Eine derartige Spezialisierung ist nach Julia Hörnigs Überzeugung ein entscheidender Vorteil auf dem mitunter umkämpften Wissenschaftsmarkt. Doch auch wenn sie das Thema herausstechen lässt musste Julia Hörnig lernen: „So ein Lebenslauf braucht viel Strategie“. Ein Nachteil als Frau habe sie dabei nicht gespürt, was wiederum an den Rollenbildern in der Familie liegen mag. Beide Eltern sind Akademiker, ihre Oma war Entwicklungsingenieurin im Halbleiterwerk Frankfurt (Oder).

Dass sie in der Wissenschaft ihre berufliche Zukunft sieht, wurde Julia Hörnig bei einem Aufenthalt in Edinburgh 2016 endgültig bewusst. „Dort gab es so viele spannende Diskussionen; ich habe gemerkt, wieviel Spaß Forschung und der Austausch im internationalen Kreis machen“, schaut sie zurück.

Danach gefragt, welcher Aspekt aus ihren Viadrina-Jahren sie bis heute begleitet, antwortet sie ohne Zögern: „Die Offenheit ist das, was mir heute noch weiterhilft.“ Gern denke sie zurück an den unkomplizierten Umgang von Studierenden ganz verschiedener Nationen und an den leichten Zugang zu den Professorinnen und Professoren, die man mitunter auch mal gegenüber der Uni am Imbiss traf.


Annika Bose Styczynski ©Studioline Photography

Dr. Annika Bose Styczynski – Sonipat, Indien

Etwa 60 Auto-Minuten nördlich von Delhi liegt die O.P. Jindal Global University, an deren School of Government and Public Policy Dr. Annika Bose Styczynski unterrichtet, forscht und als Beraterin arbeitet. Derzeit sieht sie ihre Studierenden allerdings ausschließlich auf dem Computer-Bildschirm, der in ihrem Elternhaus im brandenburgischen Westhavelland steht. Seit über einem Jahr kann sie aufgrund der Pandemie nicht nach Indien zurückreisen, doch sie bleibt gelassen. „Es war auch schon eine Katastrophe, die mich überhaupt nach Indien gebracht hat“, lässt die Viadrina-Absolventin ihren Sinn für Ironie durchblicken. Eigentlich hatte sie 2011 in Japan geforscht, als sie aufgrund des Reaktorunglücks in Fukushima nach Berlin zurückkehren musste. Durch das Institut für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin, an dem sie damals promovierte, stieß sie zu einem Forschungsprojekt, das sie nach Indien führte. Nach ihrer Promotion trat sie Anfang 2016 die Stelle als Assistenzprofessorin und Assistenzdekanin für Forschung und Internationale Zusammenarbeit an der O.P. Jindal Global University an.

Pol Phil class of 2017_395 ©Privat

„Das akademische Umfeld in Deutschland ist schwierig. In Indien hat man mir hingegen sofort spannende Möglichkeiten geboten“, begründet Annika Bose Styczynski ihren damaligen Schritt nach Südasien. An der privaten Universität, die eine Industriellen-Familie vor zehn Jahren gegründet hatte, fand sie, was sie suchte:  im Ausland lehren, forschen und vielleicht auch ein wenig den Entwicklungsprozess des Landes mit beeinflussen. Seither beschäftigt sie sich mit der indischen Energiewende sowie mit Fragen der Klimagerechtigkeit. 

An der Viadrina hatte sie den Kuwi-Bachelor und den Master in European Studies mit deutsch-polnischem Doppeldiplom in Politikwissenschaft absolviert. Den entscheidenden Schritt in die weite Welt machte sie bei einem Studienaufenthalt an der University of California in Berkeley, wo ihr die Augen für energie- und umweltpolitische Themen geöffnet wurden. „Ab da wurde es global, das war der Wendepunkt.“ Die akademische Freiheit, sich intensiv in ein Thema einzuarbeiten und ein tieferes Verständnis für etwas von breiter gesellschaftlicher Relevanz zu entwickeln – darin besteht für Annika Bose Styczynski der Reiz eines akademischen Werdegangs. Der könne, deutet sie zum Schluss des Gespräches an, aber durchaus auch wieder nach Deutschland oder in das europäische Ausland führen.


finger_robert ©ETH Zürich / Giulia Marthaler

Prof. Dr. Robert Finger – Zürich, Schweiz

Wer mit Prof. Dr. Robert Finger ein Gespräch per Video-Telefonat führt, der schaut dank eingeblendetem Hintergrundfoto auf die beeindruckende Silhouette von Zürich. Seit 2016 ist der Viadrina-Absolvent Professor für Agrarökonomie und Agrarpolitik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) – laut QR-Ranking die sechstbeste Universität der Welt. Hier forscht der gebürtige Brandenburger unter anderem dazu, wie sich politische und wirtschaftliche Entscheidungen auf das Handeln von Landwirten auswirken – beispielsweise beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Risikomanagement in der Landwirtschaft.

Der interdisziplinäre Ansatz und das vernetzte Denken bei diesen Themen zwischen Ökonomie und Agrarwissenschaft, Politik und Wirtschaft begeistern Robert Finger. Hinzu komme die große Relevanz. „Was wir hier machen, hat einen Impact – die Nähe zu aktuellen Entscheidungen ist reizvoll“, sagt er. Zudem sei es „wahnsinnig interessant“, wie viele Stellschrauben für aktuelle Herausforderungen in der Landwirtschaft liegen – sei es in Umweltfragen oder dem Gesundheitssystem.

Für seine Doktorarbeit über die Anpassung der Landwirtschaft an Auswirkungen des Klimawandels war Robert Finger nach seinem Viadrina-Diplom in Volkswirtschaftslehre 2006 an die ETH Zürich gekommen. Geprägt durch den intensiven, kritischen, wissenschaftlichen Austausch in kleinsten Arbeitsgruppen an der Europa-Universität, hatte er Lust darauf, selbst zu forschen. Nach der Dissertation folgte eine Assistenzprofessur an der Universität Wageningen in den Niederlanden und mit 32 Jahren hatte er eine Professur an der Universität Bonn inne. „Es ist ein harter Wettbewerb mit vielen bereichernden Erfahrungen“, schaut Robert Finger auf seinen Karriereweg. Sicher müsse man zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, letztlich aber würden die Forschungsleistung, kommunikative Fähigkeiten und der Wille, an die Arbeit von anderen anzuknüpfen, entscheiden.

Inzwischen beobachtet er mit Interesse und auch Stolz die Karrieren, die an seinem eigenen Lehrstuhl begonnen haben und die viele seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Organisationen, Firmen und auf Professuren in aller Welt führen.
(FA)

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