30 Jahre Europa-Universität Viadrina
Wissen schaffen. Begegnung leben. Zukunft gestalten.
„Zum Entdecken und Erinnern“ - 2006 bis 2010
Die Viadrina feiert am 26. April 2006 ihren 500. Geburtstag, gab es sie doch schon als erste brandenburgische Landesuniversität Alma Mater Viadrina von 1506 bis 1811 und dann wieder als Europa-Universität Viadrina ab 1991. Deshalb wird gleichzeitig der 15. Geburtstag gefeiert. Neben dem Festakt in der Konzerthalle begeht die Universität das Jubiläum unter anderem mit Ausstellungen, einer Ringvorlesung „Universität und Stadt“, mit Sonderpublikationen und Fahnen im gesamten Stadtbild.
Foto: Patrick Pleul
Im Sommer 2006 sorgen 1.000 Tonnen Sand dafür, dass der Campus zum Beachvolleyball- und Badmintonfeld wird. Auf Initiative des Sportreferenten vom AStA wird die Große Oderstraße unter dem Motto „Lebe den Campus” mehrere Wochen derart umgenutzt – Das Anliegen: anschaulich zeigen, wie attraktiv das Leben auf dem Campus sein kann.
„Wie Sie wissen, liegt mir das Projekt der Viadrina sehr am Herzen. Die Viadrina-Universität ist ein phantastischer Erfolg. Sie zeigt, wie Begegnung und Zusammenarbeit in einem Europa der offenen Grenzen hervorragend funktioniert. Sie ist damit auch ein Glanzstück in den deutsch-polnischen Beziehungen”, mit diesen Worten läutet Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier am 26. Oktober 2006 das Akademische Jahr 2006/2007 ein. Der Besuch bleibt auch in Erinnerung, weil der Politiker aufgrund eines aktuellen politischen Termins zwei Stunden zu spät eintrifft – Wartezeit, die unter anderem die Studentin Melanie Piontek mit einem schnell organisierten Saxophon-Solo füllt.
Der Förderpreis, der anlässlich der Viadrina-Preisverleihung vergeben wird, geht 2006 an das „Verbuendungshaus fforst" für das Wohnprojekt „Interkulturelle Platte“ – ein Plattenbau direkt an der deutsch-polnischen Grenze, den die Studierenden mit Unterstützung der Frankfurt Wohnungswirtschaft WOWI und gemeinsam mit Altmieterinnen und Altmietern zu neuem Leben erweckt haben.
Foto: Heide Fest
Feierlich verabschiedet wird am 13. Dezember 2006 der langjährige Kanzler der Europa-Universität, Peter Stahl (r.), der in den Ruhestand geht. Er übergibt die Geschäfte nach zwölf Jahren an seinen Nachfolger Christian Zens.
Foto: Heide Fest
In einem ungewöhnlichen studentischen Projekt des grenzübergreifenden Fremdsprachenzentrums der Viadrina lernen deutsche und polnische Kinder rechts und links der Oder die Sprache ihres Nachbarn; am 27. Februar 2007 wird das Projekt der Öffentlichkeit präsentiert. Einmal wöchentlich kommen in Deutschland und Polen Studierende der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) in die Kindergärten und sprechen mit den Kindern die Sprache der Nachbarn. Insgesamt beteiligen sich 13 Kitas, sieben in Deutschland und sechs in Polen.
Am 3. Juli 2007 wird die Viadrina Ort für eine europapolitische Grundsatzrede. Zum Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft spricht Bundesfinanzminister Peer Steinbrück am 3. Juli 2007 an der Viadrina vor 500 Zuhörerinnen und Zuhörern im vollbesetzten Audimax. „Nirgendwo manifestiert sich der europäische Gedanke so stark, so greifbar, wie hier in Frankfurt und an seiner Europa-Universität Viadrina. Hier an der Oder, am früheren Rand und in der heutigen Mitte des vereinten Europas, kann man förmlich spüren, wie europäische Integration tagtäglich passiert; wie sie erarbeitet wird und wie das Zusammenwachsen der europäischen Nachbarn voranschreitet”, so Steinbrück.
Vom 18. Juni bis 6. Juli 2007 findet die „Viadrina Summer University” statt, die sich mit dem Thema „Religion and Modernity” befasst. 23 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus zehn Ländern gehen der Frage nach der Rolle von Religion in modernen Gesellschaften nach. 2005 hatte die Sommeruniversität zum Thema „Oppositional Cultures”, 2006 zum Thema „Border Cultures” stattgefunden.
In einem selbstfinanzierten Pilotprojekt lässt der Allgemeine Studentische Ausschuss (AStA) der Viadrina einen Bus zwischen den Grenzstädten pendeln. Vom 28. Januar bis zum 8. Februar 2008 fährt der Bus täglich zwischen 8 Uhr und 18 Uhr und befördert Studierende zwischen Słubice und Frankfurt (Oder) zu den Uni-Standorten und Wohnheimen. Der AStA will damit auf die Notwendigkeit eines grenzüberschreitenden öffentlichen Nahverkehrs aufmerksam machen. Vier Jahre später zeigt die Lobbyarbeit Wirkung: Eine reguläre Buslinie wird für die Doppelstadt etabliert.
Mit Wirkung vom 1. März 2008 ist die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Stiftungsuniversität. Und am 21. April 2008 wird das frische Stiftungsdasein einen Tag lang gefeiert. „Mehr können, mehr entscheiden”, sei nun das neue Motto, so Uni-Präsidentin Prof. Dr. Gesine Schwan in ihrer Festansprache. Am Nachmittag schlüpfen Dutzende Uni-Angehörige und Unterstützende in gelbe T-Shirts und zeigen so: „Die Stiftung läuft“.
Das erste Viadrina-Musical mit dem Titel „BRATS” feiert am 7. Mai 2008 Premiere und fördert ungeahnte Talente der Studierenden zutage – und außerdem: drei vollbesetzte Aufführungen im Audimax, Gänsehaut und beste Unterhaltung.
Nach dem letzten ihrer vier Abschiedsvorträge wird Viadrina-Präsidentin Prof. Dr. Gesine Schwan am 9. Juli 2008 vom Collegium Polonicum in Słubice abgeholt und zur Abschiedsparty ins Verbuendungshaus fforst nach Frankfurt (Oder) von Studierenden begleitet. Auf dem Weg dorthin soll sie kurzentschlossen eine Flaschenpost schreiben und von der Stadtbrücke in die Oder werfen. Welcher Text in der Flaschenpost steht, blieb ihr Geheimnis.
Foto: Janine Nuyken
Zur Amtsübergabe am 13. Oktober 2008 erhält der neue Präsident der Viadrina, der langjährige Diplomat Dr. Gunter Pleuger, die Amtskette von Präsidentin a. D. Prof. Dr. Gesine Schwan. „Sie werden Ihre Entscheidung nicht bereuen!”, sagt sie zu ihrem Amtsnachfolger bei der Eröffnung des Akademischen Jahres.
Den zehnten Viadrina-Preis erhalten in einer Feierstunde am 26 . November 2008 Bundestagspräsidentin a. D. Prof. Dr. Rita Süssmuth und das Magazin „polenplus”. Der polnische Publizist Adam Krzemiński würdigt Süssmuths Engagement für die deutsch-polnischen Beziehungen: „Als Patronin der deutsch-polnischen Gesellschaften und des Magazins ,Dialog’ ist Frau Süssmuth eine der beständigsten Anlaufadressen für diejenigen, denen die deutsch-polnische Nachbarschaft am Herzen liegt, die seit Jahrzehnten gegen Vorurteile und Klischees anrennen, für Toleranz, Gesprächsfähigkeit und Empathie, übrigens nicht nur unter diesen Nachbarn, werben und – nicht zuletzt – im Weimarer Dreieck eine wahre Chance für Europa sehen.”
Bundeskanzlerin Angela Merkel stattet der Europa-Universität am 3. Juni 2009 einen Besuch ab und trägt sich in das Gästebuch der Viadrina und das Goldene Buch der Stadt ein. Danach hält sie eine Rede zur Europa-Wahl auf dem Frankfurter Rathausplatz.
Studierende der Viadrina beteiligen sich im Juni 2009 mit originellen Aktionen an der bundesweiten Bildungsstreikwoche. Sie beklagen Unterfinanzierung, Entdemokratisierung und Verschulung von Bildung, unter anderem mit einer symbolischen „Reise nach Jerusalem”, bei der um begehrte Studienplätze gekämpft wird. In die überregionalen Medien schafft es ein Flashmob, bei dem sich Studierende im Foyer des Gräfin-Dönhoff-Gebäudes auf ein Signal hin zu Boden fallen lassen und ein Nachruf auf die Bildung verlesen wird.
In Anerkennung ihrer intensiven Bemühungen um Familienfreundlichkeit wird der Europa-Universität im August 2009 das Zertifikat „Familiengerechte Hochschule” von der „berufundfamilie gGmbH” verliehen. Universitätsbibliothek, Mensa und Wohnheime sind mit Mobiliar und Spielsachen für den Nachwuchs ausgestattet; ein Still- und Ruheraum, ein geplanter Eltern-Kind-Raum und die Möglichkeit einer Notfallkinderbetreuung erleichtern den beruflichen Alltag von Studierenden und Mitarbeitenden mit Kind. Im Juni 2009 wird das erste Kinderfest der Viadrina auf dem Frankfurter Brunnenplatz gefeiert.
Foto: Heide Fest
Spatenstich zum Baubeginn des Begegnungsplatzes zwischen den Uni-Gebäuden am 7. September 2009 (v.r.n.l.): Brandenburgs Wirtschaftsminister Reinhold Dellmann, Studentin Annett Bachstein, Studentenwerks-Chefin Dr. Ulrike Hartmann, Wirtschaftsdezernent der Stadt Peter Edelmann, Architekt Jens Henningsen, Baufirmenchef Klaus Buchwald und Uni-Kanzler Christian Zens beim Schippen. Im Oktober 2010 wird der neu gestaltete Platz eingeweiht, Freiflächen und Rasen-Terrassen haben die mehrspurige Durchgangsstraße und den Parkplatz ersetzt.
In Würdigung seiner Verdienste um die deutsch-polnische Verständigung wird am 30. November 2009 Tadeusz Mazowiecki, erster nicht-kommunistischer Regierungschef Polens seit 1945, mit dem Viadrina-Preis 2009 geehrt. „Der Geist der Toleranz und der Beitrag zum Aufbau einer europäischen Friedensarchitektur: Dem entspricht Tadeusz Mazowiecki in besonderer Weise, symbolisiert er doch die Menschlichkeit, die die damalige polnische Regierung unter seiner Führung den DDR-Flüchtlingen in der Warschauer Botschaft entgegenbrachte“, begründet Dr. Gunter Pleuger, Präsident der Europa-Universität, die Preisvergabe.
Auf der Oderbrücke: Die Außenminister Dr. Guido Westerwelle (2. v. l.) und Radosław Sikorski mit den Oberbürgermeistern der Grenzstädte Martin Wilke (r.) und Ryszard Bodziacki (l.). Anlässlich des 20. Jahrestages des Deutsch-Polnischen Grenzvertrages, 40 Jahre Warschauer Vertrag und 60 Jahre Görlitzer Abkommen, lädt die Viadrina in Kooperation mit der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit am 2. und 3. November 2010 zur Konferenz „Oder-Neiße-Grenze: Vom Trennenden zum Verbindenden“ ein.
Anlässlich der Viadrina-Preis-Verleihung am 1. Dezember 2010 sagt der polnische Botschafter Marek Prawda (r.): „In diesem Jahr hat sich die Jury für einen Künstler entschieden, der auf ganz besondere Weise in diesen Reigen außergewöhnlicher Persönlichkeiten passt; ein Mann, der gleichermaßen als Ausnahmekünstler, Geschichtsvermittler, Gesellschaftskritiker und Filmdiplomat gelten darf: der Regisseur Volker Schlöndorff.” Der Oscar-Preisträger hatte schon am Vorabend das Frankfurter Publikum begeistert: Bei einem Filmabend mit Publikumsgespräch war „Die Blechtrommel” im kurz zuvor erschienenen Director’s Cut zu sehen.