Oberbürgermeisters, Dr. Wolfgang Denda
„Heute beginnt der zweite Abschnitt der Universitätsgeschichte in Frankfurt an der Oder.“
Grußworte des Oberbürgermeisters der Stadt Frankfurt (Oder), Dr. Wolfgang Denda, zur Eröffnung der Europa-Universität in Frankfurt (Oder) am 6. September 1991
„Verehrter Herr Ministerpräsident,
werte Damen und Herren Minister,
werte Damen und Herren Professoren,
liebe Gäste!
In der über 700jährigen Geschichte der Stadt Frankfurt an der Oder nimmt der heutige Tag eine besondere Stellung ein. Zum zweiten Mal wird heute in unserer Stadt eine Universität eröffnet.
Gestatten Sie mir bitte einen Exkurs in die Vergangenheit.
In den späten Vormittagsstunden des 26. April 1506 begann an der alten Gertraudenkirche vor den Toren der Stadt ein festlicher Umzug, mit dem die Gründung der Frankfurter Universität eingeleitet wurde. Nach der Begrüßung durch den Kurfürst Joachim formierte sich die versammelte Schar. Voran zogen mit wallenden Fahnen die Franziskanermönche. Ihnen folgten symbolisch die Gestalten der sieben freien Künste. Hinter ihnen sah man die beiden öffentlichen Redner und Dichter Vigilantius und Aesticampianus. Dann kam der erste Rektor Konrad Wimpina, dem die vergoldeten silbernen Szepter vorangetragen wurden, dann der Ordinarius der Juristenfakultät, der Kanzler, die Doktoren, die Magister, die Studenten, der Stadtrat und viele Bürger. Der Zug bewegte sich zur Marienkirche. Dort hielt der Doktor beider Rechte Sebastian Stublinger im Namen der Kurfürsten eine Ansprache. Ihm antwortete für die Universität der noch jugendliche Ordinarius der Juristen Dr. Blankenfeld, der später für sein diplomatisches Wirken in Italien den Beinamen „der Weise Deutsche“ erhielt. Er versprach, daß die Professoren treu und gewissenhaft ihre Pflichten erfüllen werden. Dann endlich kam die Reihe an den offiziellen Festredner Publius Vigilantius. In seiner Rede sprach er von der neuen Schule als einer vielversprechenden Hochschule. Hier sollten künftig Gottesgelehrte, Rechtsgelehrte, Poeten, Mediziner, Grammatiker, Logiker, Rhetoren, Arithmetiker, Astronomen, Geometer und Musiker nicht wie in der Elementarschule großgezogen, sondern von den italienischen und deutschen Doktoren in vollkommener Weise gebildet werden.
Mit der VIADRINA sollte etwas Neues entstehen. Der kurfürstliche Rat Eitelwolf von Stein, Johannes Trithemius und der den Humanisten aufgeschlossene Bischof von Lebus verpflichteten einen Lehrkörper für unsere Oderstadt, der die Humanisten Europas nach Frankfurt an der Oder blicken ließ. Glänzend war dann auch der Beginn unserer ersten VIADRINA. Fast 1000 Studenten, soviel wie an keiner deutschen Universität bis dahin, schrieben sich in die Matrikel im ersten Jahr ein.
Ich möchte nur einige wenige Namen der vielen großen Wissenschaftler und historischen Persönlichkeiten nennen, deren Namen auf die eine oder andere Weise mit der Frankfurter VIADRINA verbunden waren. Hier studierten Ulrich von Hutten, Thomas Müntzer und Carl Philipp Emanuel Bach, dessen Name auch die Konzerthalle trägt, in der wir uns gerade befinden. Aber auch der große Dichter und Sohn der Stadt, Heinrich von Kleist, schrieb sich an der VIADRINA ein. Hier verfaßte Baumgarten seine berühmte „Ästhetik“, und hier wirkte der bekannte Rechtsgelehrte Daries. Und fast am Ende der Wirkungsgeschichte der alten VIADRINA studierten hier auch die Brüder Humboldt, deren Wirken im Zusammenhang mit der Gründung der Berliner Universität leider auch das Ende der Frankfurter VIADRINA im Jahre 1811 beeinflußte. Die 1811 auf Beschluß Friedrich Wilhelms III. nach Breslau verlegte VIADRINA behielt dann noch 100 Jahre den Traditionsnamen der Frankfurter Universität.
Heute beginnt der zweite Abschnitt der Universitätsgeschichte in Frankfurt an der Oder. Ich wünsche mir, daß diese neue Universität an den guten Ruf der alten Frankfurter VIADRINA anknüpft, ein in die Zukunft weisendes wissenschaftliches Profil erreicht und sich zu einer europäischen Begegnungsstätte entwickelt.
Aus diesem Grunde schlage ich vor, der neuen Universität den Namen VIADRINA zu geben und das Siegel der alten VIADRINA auch für die neue Universität zu nutzen.
Die Stadt Frankfurt (Oder) liegt unmittelbar an der deutsch-polnischen Grenze und ist damit gleichzeitig Grenzstadt der Europäischen Gemeinschaft im Osten. Daraus ergeben sich besondere Verpflichtungen und Aufgaben. Frankfurt (Oder) kann diesen Aufgaben in den kommenden Jahren durch die Entwicklung zu einer Handels- und Messestadt, durch den Ausbau als Verkehrsknotenpunkt und natürlich gerade auch als Universitätsstadt gerecht werden. Wenn ich einen Blick in die Zukunft wage, sehe ich Frankfurt (Oder) als eine bedeutende und blühende Stadt im Herzen Europas.
Ich möchte auch darauf hinweisen, daß die Frankfurter Bürgerinnen und Bürger der neuen Universität bereits viel Aufmerksamkeit entgegenbringen. Der am 5. Oktober 1990 gegründete „Verein der Freunde und Förderer der Frankfurter Oder-Universität“ hat durch sein Wirken wesentlich dazu beigetragen, daß die Landesregierung den Gedanken der Gründung der Frankfurter Universität aufgegriffen hat. Als Vorsitzender des Vereins möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Mitgliedern für ihre konstruktive Arbeit herzlich bedanken.
Als Oberbürgermeister sehe ich in der neuen Universität natürlich auch den Wirtschaftsfaktor. Die Universität wird, das haben viele Beispiele in den alten Bundesländern gezeigt, die Wirtschaftsentwicklung und den Arbeitsmarkt positiv beeinflussen. Als wissenschaftliche Bildungs- und Forschungsstätte wird sie dazu beitragen, den Bildungsgrad und die Kreativität der in dieser Region lebenden Menschen anzuheben. Durch die Begegnung von Wissenschaftlern, Lehrern und Studenten aus allen europäischen Ländern wird das Image der Stadt geprägt. Große Aufgaben stehen vor uns. Wir sollten sie mit Mut und Entschlossenheit angehen.
Die Landesregierung und der Gründungssenat werden den Grundstein für die neue Universität legen. Die Frankfurter Stadtverwaltung wird diese Arbeit nach besten Kräften unterstützen. Aber auch die Frankfurter Bürgerinnen und Bürger werden ihren Teil zum Gelingen beitragen. Dessen bin ich mir gewiß. In gemeinsamer Arbeit werden wir das erstrebenswerte Ziel erreichen.
Ich wünsche der neuen Frankfurter Universität viel Erfolg und einen 300jährigen Bestand. Und wenn sie die alte VIADRINA einmal an Lebensalter übertrumpfen sollte, dann haben wir den Beweis erbracht, daß wir heute auch nicht schlechter sind als unsere Vorfahren aus dem Jahre 1506.
Dem Gründungssenat, der heute seine Arbeit unter Leitung von Herrn Prof. Ipsen aufnimmt, wünsche ich viel Erfolg, gute Ideen und das notwendige Quentchen Glück. Ich werde mich, so gut es mir gelingt, an diesen Arbeiten beteiligen. Im Namen der Frankfurter Bürgerschaft bedanke ich mich bei allen, die einen Beitrag zur Gründung der Universität geleistet haben. Möge das Werk gelingen!“