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„Es gibt kaum aktuellere Themen und keinen besseren Ort, sie zu diskutieren.“ Diesen eröffnenden Worten von Vizepräsident Prof. Dr. Jürgen Neyer konnten sowohl die Juristen auf dem Podium als auch das Publikum im gut gefüllten Logensaal nur zustimmen.
Mit Prof. Dr. Marek Safjan hielt ein Experte den Eröffnungsvortrag, der als polnischer Richter am EuGH dem Thema kaum näherstehen könnte. Er fand klare Worte: „Die jetzige Krise der Rechtsstaatlichkeit bedeutet einen Zusammenbruch des gegenseitigen Vertrauens in der Europäischen Union. Das Problem eines Mitgliedsstaates ist das Problem der gesamten Union.“ >>>weiterlesen
Bei der anschließenden Diskussion machte zunächst Prof. Dr. Andrzej Wróbel die alarmierende Situation in Polen deutlich. Andrzej Wróbel war bis 2017 Richter am polnischen Verfassungsgericht sowie Richter am Polnischen Obersten Gerichtshof und in diesen Positionen gleich zweimal von den Justizreformen seines Landes betroffen. „Ich habe über Nacht meine Positionen verloren“, berichtete er. „Ein demokratisch gewähltes Parlament verletzt die Rechtsstaatlichkeit“, umschrieb er die aktuelle Problematik.
Dass die Situation in Deutschland trotz mancher Unkenrufe eine ganz andere ist, betonte Prof. Dr. Christoph Möllers von der Humboldt-Universität zu Berlin. „Eine Erosion der Rechtsstaatlichkeit vermag ich in Deutschland nicht zu erkennen“, sagte er und warf die Frage auf: „Was können Gerichte in der jetzigen System-Krise überhaupt bewältigen?“ Er sei bezüglich des Einflusses, den der Europäische Gerichtshof auf die Politik einzelner Staaten haben könne, skeptisch. „Am Ende hilft gegen Politik vielleicht nur Politik.“
Dieser Einschätzung widersprechend erinnerte Prof. Dr. Thomas Giegerich von der Universität des Saarlandes daran, dass das Gericht mit seinen Urteilen bereits Akzente setzen konnte. „Auf jeden Fall hat der EuGH sehr viel mehr zum Schutz der Grundrechte getan als der Europäische Rat“, so sein Urteil. Viel Applaus bekam er für seinen Appell an die europäischen Bürgerinnen und Bürger: „Wenn wir die Grundrechte ernst nehmen und für sie eintreten, sind sie gewahrt. Wenn ein Großteil der Bürger sie aber für irrelevant hält, dann kann kein Gericht der Welt sie retten.“ Dem stimmte Marek Safjan mit seinen Schlussworten zu, in denen er sich speziell an Polinnen und Polen wandte: „Egal wie kreativ ein Gerichtshof ist, er kann nicht das Problem der polnischen Gesellschaft lösen. Sie muss dem Defizit die Stirn bieten.“
Mitausrichter der Tagung waren die Deutsch-Polnische Richtervereinigung e. V. sowie die Deutsch-Polnische Juristenvereinigung e. V. (FA)
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