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Für Prof. Dr. Matthias Pechstein ist der einzig richtige Ort für die akademische Lehre der Hörsaal – notfalls auch ein leerer. Damit er nicht nur zu hochgeklappten Stuhl-Reihen spricht, haben sich seine Sekretärin und zwei studentische Mitarbeiterinnen als Zuhörerinnen in die Reihen des Hörsaal 1 im Gräfin-Dönhoff-Gebäude gesetzt. „Alles andere wäre demotivierend, es braucht Menschen, für die man spricht“, findet Pechstein. >>>weiterlesen
So wie dem Europarechtler geht es allen Lehrenden der Viadrina: In einem Raum mit denen, die von ihnen lernen wollen, sitzt derzeit niemand. Auch die rund 1.400 Teilnehmenden der 92 Viadrina-Sprachkurse in diesem Semester sehen ihre Dozierenden nur auf dem Laptop-Bildschirm. „Das ist herausfordernd, denn wir müssen Interaktion initiieren, Kommunikation anregen“, betont Dr. Thomas Vogel, Geschäftsführer des Sprachenzentrums. Er setzt daher auf synchronen Unterricht in Videokonferenzen mit dem Programm „BigBlueButton“. Der Aufwand, diese vorzubereiten, sei rund vier Mal so hoch wie üblich – dafür erleben die Sprachenlehrerinnen und -lehrer besondere Situationen. „Wir unterrichten gerade quer durch die Welt. Kürzlich hat eine Dozentin auf diese Weise die Familie einer Studentin aus Mittelasien kennengelernt, alle kamen kurz an den Bildschirm, um zu grüßen“, berichtet Thomas Vogel amüsiert.
Vom hohen Aufwand bei der Vorbereitung der digitalen Lehre weiß auch Dr. Melanie Hecht zu berichten, die gemeinsam mit Prof. Dr. Daniel Becker eine Veranstaltung über Internationale Wirtschaftsbeziehungen vorbereitet. Um interaktive Übungen so gut wie möglich online anzubieten, setzt die Wirtschaftswissenschaftlerin auf die Software H5P. Im heimischen Arbeitszimmer nimmt sie Videos für die Studierenden auf. Darin ist unter anderem zu sehen, wie sie am iPad handschriftlich Übungen vorrechnet. Immer wieder eingebaut sind Unterbrechungen, in denen die Studierenden per Multiple-Choice-Test oder Rechenübung selbst aktiv werden sollen. Eine Studentin hat Melanie Hecht gerade zurückgemeldet, wie positiv überrascht sie von den neuen Möglichkeiten sei. „Ich habe das Gefühl, bislang sogar effektiver lernen zu können als bei der konventionellen Methode“, schreibt diese über moodle.
Eine neue Rolle hat auch Prof. Dr. Stefan Haack in den vergangenen Wochen eingenommen. „Ich bin zum YouTuber geworden“, berichtet der Professor für Staatsrecht. Bis zu 200 Studierende hören seine Grundlagen-Vorlesungen; für diese Größenordnung wollte er sich auf einen bewährten Kanal verlassen. Im Livestream können die Studierenden nun Woche für Woche dem vor der heimischen Bücherwand sitzenden Professor folgen und per Chat Fragen stellen oder beantworten. „Ich habe ihnen geraten, nur das zu schreiben, was sie im Hörsaal auch laut sagen würden“, gibt Stefan Haack Einblick in die Online-Etikette, die nun von allen neu eingeübt werden muss.
Für die Historikerin Prof. Dr. Claudia Weber ist es vor allem die Selbstständigkeit, an der die Studierenden in diesem besonderen Semester arbeiten sollten. „Ihr wollt schlau werden, also lest und verschwendet eure Zeit nicht“, empfiehlt sie ihnen. In vier Seminaren diskutiert sie in diesem Semester per Videokonferenzen mit ihren Studierenden über die jeweilige Lektüre. Aufgezeichnete Vorlesungen seien da nur bedingt sinnvoll. „Ich verkünde keine Wahrheiten oder Lehrsätze, wir erarbeiten uns das Wissen im diskutierenden Verstehen“, beschreibt sie die Herausforderungen der Online-Lehre in ihrem Fachgebiet.
In einem sind sich die Lehrenden einig: In gewissen Aspekten ist die Onlinelehre der Präsenzlehre schlicht unterlegen. „Der unmittelbare Kontakt zwischen Lehrenden und Studierenden ist das Fruchtbarste“, bringt es Matthias Pechstein auf den Punkt. (FA)
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