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22 Teilnehmende, 18 Länder, eine Pandemie – fünftägiger Workshop des Center for Peace Mediation macht Covid-19 zum Thema

Seinen jährlichen Workshop „Peace Mediation & Crisis Diplomacy in Action“ in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt hat das Center for Peace Mediation (CPM) in diesem Jahr dem Thema Covid-19 gewidmet. Was macht die Pandemie mit existierenden Konflikten und können bewährte Mediations-Instrumente auch in diesem Ausnahmezustand helfen? Über den Lehrgang, der vom 31. August bis 4. September teils in Berlin und teils online stattfand, berichtet Dr. Anne Holper*.

Frau Dr. Holper, zu Ihrem Lehrgang haben sich 22 Teilnehmende aus Kenia, Jemen, Palästina, der Ukraine und 14 weiteren Ländern zugeschaltet bzw. sind innerhalb Deutschlands angereist. Welchen Einfluss hat die aktuelle Pandemie auf die Konflikte und Spannungen an all diesen Orten?
Das ist ganz unterschiedlich. Aus Tunesien berichtete eine Teilnehmerin, dass sie eine Vertiefung der Spannungen zwischen religiösen und säkularen Gruppen in ihrem Land wahrnehme, weil sich jeder in sein Schneckenhaus zurückziehe. Aus der Ukraine kam die Beobachtung, dass die Pandemie den Vorhang wegreiße, der bestehende Missstände bisher verschleierte – etwa bei der Arbeitsmigration. Und eine polnische Teilnehmerin gab zu bedenken, dass Maßnahmen gegen das Virus als Instrument genutzt werden, um unter diesem Deckmantel andere Interessen zu verfolgen. >>>weiterlesen

Fotos: Norina Welteke und Hui Zhang

Mit welchen Ergebnissen haben die Teilnehmenden den Workshop beendet?
Das ist so unterschiedlich wie die Berufsfelder, aus denen sie kommen: Diplomatie, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Journalismus. Die Teilnehmerin aus Tunesien hat beispielsweise ein Projekt entwickelt, um ihre Landsleute wieder miteinander ins Gespräch zu bringen. Eine andere Gruppe hat die Situation der Arbeitsmigration analysiert und für dessen Variante des Corona-Dilemmas ,Schutz der öffentlichen Gesundheit vs. Schutz der Wirtschaft‘ Lösungsoptionen entwickelt. Es gab keine einheitlichen Lösungen, die Methoden der Angewandten Friedens- und Konfliktforschung und der Mediation konnten aber immer zum Auffangen von Covid-19 bedingten, neuen Spannungen und Schieflagen genutzt werden. Wenn die Teilnehmenden dadurch zehn Prozent effektiver die Herausforderungen an ihrem Arbeitsplatz angehen können, haben wir viel erreicht.

Zum ersten Mal haben Sie die Teilnehmenden des Workshops nicht in Frankfurt (Oder), sondern teilweise nur am Bildschirm getroffen. Was war durch dieses ungewohnte Format anders?
Für mich war am erstaunlichsten, wie schnell es möglich war, innerhalb der Online-Gruppe, die sich nie physisch begegnet ist und die in völlig unterschiedlichen Situationen, Sprachen und Zeitzonen verortet war, eine große emotionale Nähe herzustellen. Währenddessen war die Stimmung in der Präsenzgruppe durch den vorgeschriebenen Abstand, die Maskenpflicht und das ständige Desinfizieren, viel distanzierter und analytischer. Das gemeinsame Durchdringen der auch für uns noch neuartigen Konfliktlagen, die Mischung aus räumlicher Distanz, emotionaler Dichte und abbrechender Internetverbindungen, und diverse Premieren in der Fusion von Online- und Präsenz-Formaten, waren für uns neue Herausforderungen.

Neu war auch, dass – angesichts der Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen in Berlin kurz vor dem Lehrgang – Spannungen in der deutschen Gesellschaft zum Thema wurden. Können die Mittel der Mediation bei solchen verhärteten Fronten Wirkung zeigen, wie man sie bei der Demo und der versuchten Besetzung des Reichstagsgebäudes gesehen hat?
Ich bin überzeugt, dass das gelingen kann. Das Gespräch gar nicht zu suchen, halte ich für eine Kapitulation. Man muss sich hier der schwierigen Aufgabe stellen, zwischen den teilweise sehr unterschiedlichen Realitäten und Vorstellungswelten den gemeinsamen Nenner zu suchen, und zwar ohne Vorverurteilung. Uns am CPM beschäftigt sehr, wie man Räume mit echten Anziehungskräften schaffen kann, in denen politisch enttäuschte Bürgerinnen und Bürger ihre konkreten Anliegen äußern können. Ein Beteiligungsformat, welches all die Demonstrierenden einmal ausbuchstabieren ließe, wie sie als hypothetische Entscheidungsträger die konkurrierenden Handlungsnotwendigkeiten miteinander vereinbaren würden, könnte viel Gutes schaffen. An der methodischen Sondierung und gesellschaftlichen Umsetzung solcher Dialogformate arbeitet die Viadrina aktiv.
(FA)

* Dr. Anne Holper leitet das CPM und den Lehrgang gemeinsam mit Prof. Dr. Lars Kirchhoff.

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