„Ich gebe viel auf dafür, dass ich den Sport so aktiv betreibe.“ – Interview mit Para-Kanute Moritz Berthold

Wie lässt sich ein Studium mit Arbeit, Leistungssport und Freizeit vereinbaren? Moritz Berthold macht genau das. Er studiert an der Viadrina International Business Administration,  arbeitet als Werkstudent beim Institut für Medizinische Diagnostik Oderland und trainiert in Cottbus für Meisterschaften im Para-Kanu. Im Juli holte er bei den Europameisterschaften in Ungarn in der Startklasse Vl 1 die Bronzemedaille. Vor den Kanu-Marathon-Weltmeisterschaften in Kroatien haben wir mit ihm über Barrierefreiheit gesprochen, seine Liebe zum Sport und was er dafür aufgibt.

Moritz, du scheinst ziemlich viel unterwegs zu sein – Wie sieht dein Alltag aus?
Moritz Berthold: Wenn ich nach Cottbus fahre, um zu trainieren, fahre ich meistens nach dem Mittag rüber. Ich trainiere dann zwei bis drei Einheiten, meistens zwei Wassereinheiten und noch ein bisschen Krafttraining, spezifisch für den Kanusport. Abends fahre ich dann wieder zurück nach Frankfurt. Ich wohne hier am Campus im Studentenwohnheim. Ansonsten habe ich auch noch einen Werkstudenten-Job und bin dann häufig im Büro. Wenn ich fertig bin mit der Arbeit, gehe ich ins Fitnessstudio und einkaufen. Ich koche viel vor – ich koche sehr gerne. Am Wochenende fahre ich manchmal ebenfalls trainieren oder geh in Frankfurt ins Fitnessstudio, aber meistens mache ich dann was mit Freunden oder nutze die Zeit einfach zur Erholung. Manchmal fahre ich auch in die Heimat nach Bad Saarow und genieße die Natur. Es ist wirklich ein sehr, sehr schöner Ort aus dem ich komme.

Training, Job, Studium und  Hobbys – was ist dein Geheimnis – hast du eine Zeitmaschine?
(Lacht): Ich wünschte, ich hätte den Zeitumkehrer von Hermine aus Harry Potter. Es ist in der Tat häufig schwer, das unter einen Hut zu bekommen. Ich muss ehrlich sagen, dass mein Studium auch manchmal ein bisschen gelitten hat. Vor allem, wenn ich viel unterwegs bin, ist es manchmal schwer, Termine wahrzunehmen. Ich musste viele Rückschläge einstecken und würde schon behaupten, dass ich relativ viel aufgebe dafür, dass ich den Sport so aktiv betreibe. Aber das ist es wert. Es macht mir einfach unfassbar viel Spaß, besonders bei den Wettkämpfen. Ich liebe das Internationale – deswegen studiere ich auch International Business Administration. Und wenn du dann vor Ort bist, hast du Sportler aus der ganzen Welt, mit denen du sprechen kannst. Das macht mir eine Riesenfreude, auch gegen sie anzutreten. Es ist wirklich eine sehr schöne Atmosphäre zwischen mir und meinen Kontrahenten. Man wünscht sich viel Erfolg und man wünscht sich den auch wirklich. Natürlich möchte man selbst gewinnen oder zumindest seine beste Leistung abrufen, aber man drückt sich gegenseitig die Daumen. Das macht es all das wert.

Warum hast du dich für die Sportart Para-Kanu entschieden – was war deine erste Erfahrung mit dem Sport?
Mein Unfall war vor viereinhalb Jahren. Also genau bevor Corona aufgekommen ist und als ich vier Monate später aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war alles stillgelegt. Ich hatte in dem Jahr davor angefangen, viel Sport zu machen und hab mir von Anfang an gesagt, ich möchte das Beste daraus machen und mir eine coole Sportart suchen. Ich hatte an Rollstuhl-Basketball gedacht, aber wegen Covid fanden keine Trainings statt. Ein Sporttherapeut hat mir ein Zeitschriften-Abo für „Sport + Mobilität mit Rollstuhl“ empfohlen. Dort habe ich einen Artikel gelesen über den Para-Kanu-Stützpunkt in Cottbus. Das fand ich irgendwie interessant. Ich bin ein recht naturverbundener Mensch, deswegen habe ich dann da angerufen und die meinten: „Na klar, komm gerne vorbei, wir würden uns riesig freuen.“ Gesagt, getan! Das war ziemlich genau vor drei Jahren. Ich habe mich sofort wohl auf dem Wasser gefühlt; ich war schon immer jemand, der sich im Element Wasser zu Hause fühlt. Ich trainiere auf der Spree quasi mitten im Wald. Man hat regelmäßig tolle Momente, in denen man Tiere beobachten kann, was ich großartig finde. Rehe am Wasser oder meine persönlichen Favoriten: Eisvögel. Die sieht man ganz oft. Ich bin am Ball geblieben und hab letztes Jahr die Qualifikation für die Nationalmannschaft geschafft. So hat das Ganze seinen Lauf genommen, dass ich das nochmal ein bisschen professioneller angegangen bin, das Training ernster genommen und auch meine Ernährung umgestellt habe. Ich bin allgemein großer Sportfan – ich genieße das total – den Sport, aber auch alles drum herum.

Du hast es eben schon gesagt, es ist nicht immer einfach das alles unter einen Hut zu bekommen. Hast du vielleicht ein paar Tipps, wie man es trotzdem schafft?
Ich weiß nicht, ob ich dafür der richtige Ansprechpartner bin (lacht). Generell würde ich sagen, dass man Prioritäten setzen muss. Man sollte für sich herausfinden, wie man am besten arbeiten kann – ob zu Hause oder remote, funktioniert es für einen in der Bibliothek zu arbeiten oder woanders? Für mich ist es schon sehr praktisch, dass ich relativ viel im Homeoffice machen kann. So kann ich einfach meinen Schedule für mich besser aufbauen. Es ist nicht einfach, wenn zwei bis drei Mal die Woche komplette Nachmittage durchs Training blockiert sind. Ich würde behaupten, dass ich produktiver arbeite, wenn ich in einem weniger heimeligen, sondern eher in einem etwas professionelleren Umfeld arbeite. Deswegen geh ich gern auch in die Bib.

Warum hast du dich für ein Studium an der Viadrina entschieden?
Die Viadrina war nicht meine erste Wahl, aber ich habe mich an den Ort gewöhnt – vielleicht sogar ein bisschen in den Ort verliebt. Besonders, weil es so ein großes „Gemeinsam“ gibt. Man hat einen stärkeren Zusammenhalt. Es ist nicht so individuell oder anonym, wie es wahrscheinlich in Berlin gewesen wäre. Und deswegen habe ich mich auch entschieden hierzubleiben und fühle mich sehr wohl damit.

Was wünschst du dir für deine Zukunft?
Ich bin noch nicht hundertprozentig sicher, was ich machen möchte. Meine Arbeit macht mir viel Spaß. Ich arbeite hier in Frankfurt in einem Controlling-Job beim Institut für Medizinische Diagnostik Oderland. Ich habe Verwaltungsaufgaben, erstelle Berichte zum Beispiel für Krankenhäuser und habe einen Überblick über die Finanzen. Ich könnte mir etwas in Richtung Gesundheitsmanagement schon gut vorstellen, gerne auch international. Ich liebe es, Englisch zu sprechen und mit Leuten aus verschiedensten Kulturen Kontakt zu haben. Es ist natürlich nicht immer einfach, das mit dem Sport zu vereinbaren. Deswegen könnte ich mir auch vorstellen, in Richtung Sportwirtschaft zu gehen. Aber ich bin bereit, das ein bisschen auf mich zukommen zu lassen.

Aus deiner Erfahrung an der Uni und im Wohnheim: Wie schätzt du die Barrierefreiheit an der Viadrina ein?
Ich wohne in einem Einzelzimmer und habe alles, was man braucht. Auch von der Barrierefreiheit ist es in Ordnung. Es gibt an der Viadrina nicht viele Baustellen. Es ist blöd, wenn der Aufzug an der Bibliothek manchmal ausfällt, aber dann gibt es auch noch einen Back-up-Aufzug, der allerdings nur mit der Hilfe von Mitarbeitern funktioniert. Ich bin sehr froh, dass ich mein Auto habe, weil die Infrastruktur mit der Straßenbahn manchmal etwas schwierig ist. Es gibt nicht so viele barrierefreie Stationen. Wenn man ins Sprachenzentrum muss, ist es beispielsweise schwierig. Im Sprachenzentrum gibt es auch ein Problem: eine Etage auf einer Seite, zu der kein Fahrstuhl führt. Aber das war für mich bisher weniger ein Problem: Hätte ich dort etwas gehabt, wurde es verlegt. Da habe ich eigentlich immer nur Unterstützung entgegengebracht bekommen. Von daher habe ich an der Barrierefreiheit der Uni nichts auszusetzen. Ich bin da relativ pragmatisch.

Text: Lea Schüler
Gespräch und Fotos: Valeria Lazareva