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Herr Weinhardt, zur besseren Integration und aus Sorge vor regionaler Überlastung der Integrationsinfrastruktur wurde die Wohnsitzregelung für Geflüchtete eingeführt. Wie stark schränkt diese Regelung die freie Wohnortwahl von Geflüchteten ein?
Aus der rechtlichen Perspektive dürfen Geflüchtete infolge der im Jahr 2016 in Kraft getretenen Wohnsitzregelung mit der Anerkennung ihres Schutzstatus drei Jahre lang nicht umziehen. Es gibt allerdings Ausnahmen. Und: Für die Mehrheit der Geflüchteten ist es gar keine Einschränkung, denn schon vor der Einführung der Wohnsitzregelung sind 58 Prozent der Geflüchteten nicht umgezogen.
Wo sind die anderen 42 Prozent hingezogen?
Einer der Gründe für die Einführung der Wohnsitzregelung war ja die Sorge vor überlasteten Integrationsinfrastrukturen. Wenn wir uns nun anschauen, wohin Geflüchtete ohne die Wohnsitzregelung – wenn überhaupt – gezogen sind, zeigt sich aber, dass sich viele dieser Umzüge ausgeglichen haben. Manche zogen von A nach B und umgekehrt. Allerdings zogen vor Einführung der Wohnsitzregelung zwölf Prozent der Geflüchteten in die sogenannten Hotspots, also Orte, in denen die Integrationsinfrastruktur stark ausgelastet ist. Die Wohnsitzregelung hat diese Umzüge auf fünf Prozent reduziert.
Bedeutet das, dass die Mehrheit der Geflüchteten in ihrer Mobilität eingeschränkt wird, obwohl sie gar nicht vorhaben, in bereits stark ausgelastete Regionen zu ziehen?
Ja, das ist so! Es gelingt mit dieser Regelung zwar durchaus, die Hotspots etwas zu entlasten, aber dafür wird eine große Zahl von Menschen, die sowieso nicht vorhatte dorthin zu ziehen, in ihrer Mobilität eingeschränkt.
Wird die Integration der Geflüchteten durch die Wohnsitzregelung gefördert oder behindert?
Interessant ist, dass mit dem Gesetz nicht nur Hotspots vermieden werden sollen, sondern auch die Integration in den Bereichen Arbeit, Wohnen, Soziales und Sprache gefördert werden soll. Tatsächlich aber können wir anhand unserer Daten keine integrationsfördernden Effekte feststellen. Stattdessen sind die Effekte sogar eher negativ. Insbesondere im Wohnbereich sehen wir, dass es für Geflüchtete länger dauert, bis sie eigenen Wohnraum finden.
Wie hoch ist der Verwaltungsaufwand, den die Wohnsitzregelung verursacht?
Der Verwaltungsaufwand ist insbesondere für die Ausländerbehörden enorm. Was ihn noch weiter erschwert, sind die Ausnahmeregelungen, die es Geflüchteten trotz Wohnsitzregelung doch noch ermöglichen, umzuziehen, beispielsweise wenn ein Arbeitsangebot nachgewiesen werden kann. Dazu müssen sich Ausländerbehörden an verschiedenen Orten koordinieren. Das produziert einen sehr großen Arbeitsaufwand und trägt dazu bei, dass wichtige Aufgaben auf der Strecke bleiben.
Wie könnte man die Situation verbessern, ohne dass es ein Nachteil für die stark ausgelasteten Regionen ist?
In der Tat gibt es da sogar etwas, das im Gesetz schon vorgesehen ist und lokal auch schon praktiziert wurde, nämlich die sogenannte negative Zuweisung. Statt Geflüchtete zu verpflichten, auch nach Anerkennung ihres Schutzstatus in den Orten zu bleiben, denen sie am Anfang mal mehr oder weniger zufällig zugeteilt wurden, ist es auch möglich, einfach Zuzugssperren für besonders stark ausgelastete Gebiete zu definieren und im restlichen Bundesgebiet den Umzug weiterhin frei zuzulassen.
Interview: Erich Wittenberg
Foto: Heide Fest
(Das Interview erschien zuerst auf der Webseite des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, DIW Berlin.
Weitere Materialien zur Studie)
Am Mittwoch, dem 12. Juni, 16.15 Uhr, sprechen Prof. Dr. Felix Weinhardt und Constantin Tielkes im Rahmen der Research Factory B/ORDERS IN MOTION über „Restriktionen bei der Wohnortwahl von Geflüchteten: Integrations- und Steuerungswirkungen in Deutschland“. Eine Anmeldung für die Veranstaltung im Logenhaus, Raum 101/102, ist nicht nötig.
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