„Exploring Tesla in Brandenburg“ – Lehrforschungsseminar widmet sich Tesla und den Auswirkungen auf die Region
Schon seitdem der Automobil-Konzern Tesla angekündigt hat, eine Autofabrik im Brandenburgischen Grünheide zu bauen, wird die Fabrik kontrovers diskutiert. Die Politikwissenschaftlerin Dr. Anja Hennig und der Soziologe Prof. Dr. Sascha Münnich wollen in diesem Sommersemester gemeinsam mit Studierenden herausfinden, welche Diskurse die Ansiedlung Teslas durchdringt, welche Auswirkungen Tesla auf die Region hat und wie sich diese wissenschaftlich erschließen lassen.
Bis 2022 war am Bahnhof Fangschleuse in der Regel nicht viel los. Nur wenige Menschen stiegen an dem Bahnhof ein und aus. Bis Tesla kam. Heute scheint es, als würde sich der Zug dort auf dem Weg von Berlin nach Frankfurt (Oder) zur Hälfte leeren. Während sich die Menschen auf dem schmalen Bahnsteig drängeln, kann man Sprachen aus der ganzen Welt lauschen. Die allermeisten von ihnen wollen in die Fabrik, unweit des Bahnhofs. An einem Mittwochmorgen Ende Mai befinden sich unter ihnen auch Studierende der Viadrina und die Politikwissenschaftlerin Dr. Anja Hennig. Der Soziologe Prof. Dr. Sascha Münnich erwartet sie bereits am Bahnsteig. Im Rahmen des Seminars „Exploring Tesla in Brandenburg“ treffen sie sich zu einer Exkursion, um genauer zu verstehen, welchen Einfluss die Ansiedlung Teslas auf die Region hat.
Nur knapp zwei Wochen vorher hatten mehrtägige Proteste gegen die Erweiterung des Fabrikgeländes stattgefunden. Dabei hatten Aktivistinnen und Aktivisten auch versucht über einen Zaun auf das Fabrikgelände zu kommen. Die Polizei war im Großeinsatz – auf das Werksgelände schafften es die Protestierenden nicht. Am 16. Mai haben Vertreter der Gemeinde dann für die Gelände-Erweiterung gestimmt. Neu ist der Widerstand gegen Tesla nicht. Im März stoppte ein Anschlag auf die Stromversorgung des Werks kurzzeitig die Produktion. Schon als Tesla ankündigte eine Fabrik in Brandenburg bauen zu wollen, hagelte es Kritik. Und die scheint nicht abreißen zu wollen. Die Meinungen zu Tesla sind kontrovers, die Liste der Themen, die der Autohersteller berührt, lang.
Auf der Exkursion sprechen die Studierenden mit einem der Tesla-Kritiker. Steffen Schorcht von der Bürgerinitiative Grünheide führt sie vom Bahnhof durch den Wald, am Protestcamp vorbei, nah an die Stelle, wo Protestierende versuchten durch den Zaun das Gelände zu stürmen. Eineinhalb Stunden erklärt er, welche negativen Auswirkungen die Tesla-Fabrik aus Sicht der Bürger-Initiative auf die Region hat, wie sich die Initiative gegründet hat und was ihr Anliegen ist. Dabei geht es um Wasserschutz, Mikroklima, Arbeitsrecht, die Brandenburgische Wirtschaft und um nichts weniger, als die Energiewende insgesamt. Die Studierenden hören konzentriert zu, machen sich Notizen und stellen kritische Nachfragen, was genau eins der Ziele des Lehrforschungsseminars ist. Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung, geht es nämlich auch darum, dass sich die Studierenden sozialwissenschaftliche Methoden aneignen, lernen Themen zu identifizieren und einzugrenzen, Forschungsfragen zu formulieren und sich tatsächlich im Feld zu bewegen.
Den Studierenden Feldzugang zu ermöglichen und erfahrbar zu machen, welche Fragen sich direkt vor Ort ergeben, war ein wichtiges Anliegen der Exkursion, erklärt Anja Hennig im Nachgang. Das „noch nicht so tief erforschte Feld Tesla“ will das Seminar also auch nutzen, um den Forschungsprozess insgesamt zu verdeutlichen. Gleichzeitig bietet es inhaltlich zahlreiche Möglichkeiten sich dem Forschungsgegenstand zu nähern: „Tesla wirft sozialwissenschaftlich viele interessante Themen auf, die sich beispielsweise mit sozialem, wirtschaftlichem oder ökologischem Wandel befassen.“ Nach dem Gespräch mit Steffen Schorcht wird die Seminargruppe auch kurz durch das Protestcamp geführt. Im Anschluss sprechen die Studierenden mit einem Vertreter der IG Metall zu den Arbeitsbedingungen bei Tesla. „Insgesamt war das eine sehr eindrucksvolle Exkursion. Wir haben viele Einblicke bekommen und schon neue Fragen formulieren können“, so Anja Hennig.
Und das Konzept scheint aufzugehen. Die Seminarteilnehmerin Hannah Jerger jedenfalls zeigt sich von Exkursion und Seminar begeistert. Ins Seminar gekommen sei sie vor allem wegen ihrem Interesse an der Region und den Arbeitsbedingungen bei Tesla: „Ich komm aus einer alten Gewerkschaftsfamilie, deswegen haben mich die Themen Arbeitsrecht und Arbeitsschutz besonders interessiert.“ Die Studentin schätzt sehr, dass so viele Perspektiven im Seminar beleuchtet werden und die Studierenden viel mitgestalten können. Besonders wertvoll ist für sie auch der Praxisbezug: „Ich fand es super hilfreich die Struktur von einer echten, wissenschaftlichen, empirischen Forschung mitzubekommen. Was man in anderen Kursen vielleicht nur theoretisch sieht, konnten wir jetzt praktisch erleben. Das fand ich sehr interessant.“
Text und Fotos: Lea Schüler