Engverwobene Regionen, vielfältige Mobilitäten und die Ostbahn – Prof. Dr. Jan Musekamp stellt neues Buch vor
Am 10. Juli 2024 hat Prof. Dr. Jan Musekamp sein neues Buch „Shifting Lines, Entangled Boderlands. Mobilities and Migration along the Prussian Eastern Railroad“ in der Frankfurter Buchhandlung Ulrich von Hutten vorgestellt. Darin wirft der frühere Viadrina-Wissenschaftler einen Blick auf die historischen Hintergründe der früheren Ostbahn und beleuchtet insbesondere die grenzüberschreitenden Aspekte. Die Buchvorstellung bot vielen Interessierten die Gelegenheit, Jan Musekamp auf dem Weg von den USA nach Warschau in dessen langjähriger Heimatstadt wiederzusehen.
Die Buchhandlung Ulrich von Hutten ist an diesem Mittwochabend gut besucht, obwohl es einer dieser richtig heißen Tage ist, die sich auch in den Abendstunden kaum abzukühlen scheinen. Im zweiten Stock ist eine kleine Bühne aufgebaut, die mit einem Teppich bedeckt ist, darauf zwei Stühle und eine kleine Leinwand dahinter. Jeder Platz ist besetzt; das Publikum wartet gespannt auf Prof. Dr. Jan Musekamp, der an diesem Abend sein neues Buch „Shifting Lines, Entangled Boderlands“ vorstellt. Von Buchhändler Jan Micklich wird er mit einem Augenzwinkern als „verlorener Sohn“ Frankfurts begrüßt. Musekamp hat an der Viadrina studiert, promoviert, gelehrt und auch habilitiert. Verloren deshalb, weil es ihn neben seinen Tätigkeiten an der Viadrina immer auch in die Ferne zog. Gerade hat er seine Gastprofessur an der University of Pittsburgh in Pennsylvania beendet. Bevor er im September als Vizedirektor des Deutschen Historischen Instituts nach Warschau gehen wird, macht er Halt an der Viadrina. Dort ist er über den Sommer Gastwissenschaftler am Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies (VCPU).
Prof. Dr. Jan Musekamp und Prof. Dr. Klaus Weber
Jan Musekamp stellt an diesem Abend mithilfe einer kleinen Präsentation sein Buch vor, ordnet die Themen ein und umreißt die Unterkapitel. Die Königlich-Preußische Ostbahn ist gewissermaßen die Heldin des Buches, wie Musekamp sagt. Sie bildete ein großes Infrastrukturprojekt, das vollständig staatlich finanziert wurde. 1857 wurde sie fertiggestellt. „Sie ist zentral für die Modernisierung des östlichen Preußens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, so Musekamp. Auf einer Karte veranschaulicht er den ehemaligen Verlauf der Haupt- und Nebenstrecken: von Berlin über Frankfurt (Oder), nach Warschau, bis an die Ostpreußische Grenze, in der Verlängerung bis nach St. Petersburg im Russländischen Reich. Außerdem sind in dem Buch sogenannte multiple mobilities zentral, die er als vielfältige Mobilitäten übersetzt – touristische, militärische oder migrantische beispielsweise.
Ein weiteres Hauptthema von Musekamps Buch sind die sogenannten entangled borderlands. Dabei geht es um „engverschränkte und verwobene Regionen, in denen die Grenze nicht das Trennende ist“, wie er sagt. Er untersucht dieses Phänomen, das keineswegs neu sei, für das 19. Jahrhundert und die Rolle, die die Eisenbahn dabei spielte. „Die Idee dahinter ist, daran mitzuarbeiten, eine Geschichte Europas zu schreiben, die den Kontinent von den Peripherien begreift“, beschreibt der Historiker sein Anliegen. In den entangled borderlands sieht er auch die Aktualität des Buches. Zunehmend verwobenere Regionen auf der einen Seite, härtere Grenzen auf der anderen, das seien zwei Seiten derselben Medaille, die wir auch heute beobachten können.
Ursprünglich wollte Musekamp nur einen Artikel über die Ostbahn schreiben. Der emeritierte Viadrina-Historiker Prof. Dr. Karl Schlögel ermutigte ihn unter anderem das Projekt weiter zu verfolgen, das immer größer zu werden schien. Herausgekommen ist dabei „Shifting Lines, Entangled Boderlands“, seine Habilitationsschrift, die das Ergebnis verschiedener Einflüsse und Forschungen ist. Publiziert wurde sie in einem US-amerikanischen Universitätsverlag, weswegen es vorerst auch nur auf Englisch erhältlich ist. Ob und wann das Buch auch auf Deutsch erscheint, ist noch nicht klar. „Wenn sich jemand im Publikum bereit erklärt, das Buch zu übersetzen, kann man ja gemeinsam einen Verlag finden“, schlägt Musekamp lachend vor.
Die Buchvorstellung fand in Kooperation des Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION mit dem Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies (VCPU) und dem Institut für angewandte Geschichte statt. Der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Prof. Dr. Klaus Weber moderierte den Abend.
Text und Foto: Lea Schüler