„Wenn wir Frieden wollen, müssen wir faire Information verteidigen“ – Symposium über die Chancen von Friedenskommunikation

Wie kann angesichts umkämpfter und polarisierter Zeiten Friedenskommunikation gelingen und was stört sie? Darum ging es in drei Gesprächsrunden über Mediation, Sprache und Politik beim Symposium „Bartoszewski Promemoria“ der Karl Dedecius Stiftung am 14. November 2024. Konkret um die Möglichkeiten von Verhandlungen zur Beendigung des russischen Krieges gegen die Ukraine ging es in einem mit Spannung verfolgten Panel über die aktuellen Aussichten von Friedensmediation.

Prof. Dr. Lars Kirchhoff wusste, dass er für die wohl heikelste Frage des Nachmittags zuständig war. „Es ist der Elefant im Raum, ich wurde schon mehrfach in der Pause darauf angesprochen: Sind Verhandlungen mit Russland möglich?“, brachte es der Mediations-Experte vom Institut für Konfliktmanagement der Viadrina in der zweiten Gesprächsrunde des Nachmittags auf den Punkt – und antwortete mit Ja. Wenn man wie er aus methodischer Sicht Verhandlungen mit Autokratien grundsätzlich für möglich hält, bleibe laut Kirchhoff das Problem des Vertrauens. „Man kann Russland nicht vertrauen, weder während der Verhandlungen noch danach“, stellte er fest. Allerdings gebe es methodische Strategien, um mit diesem fehlenden Vertrauen umzugehen und nicht auf Naivität zu bauen. Diese reichen von der Vermeidung jeglicher Ambivalenzen bis zur Flankierung der Absprachen mit klaren militärischen Sanktionen. Lars Kirchhoff sprach zudem von der Notwendigkeit einer „dosierten Form der Empathie“ mit Russland und einem partiellen Anerkennen des russischen (Täter-)Traumas, um auf dieser Basis „sehr hart“ die Interessen der Ukraine und der übrigen Wertegemeinschaft durchzusetzen.

Der Fall Russland und auch die Zukunft mit einem erneuten US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump zeigen laut Lars Kirchhoff, dass Friedensmediation einen neuen Wirkansatz und neue Spielregeln brauche. „Multilateralismus und Demokratie sind nur von einem Teil der Akteure das Ziel“, verdeutlichte er das Problem. Mediation sei in einer härter gewordenen Welt von einem Soft- zu einem Hard-Power-Instrument geworden, ohne dass die Methodik dieser Entwicklung gerecht werde.

Gemeinsam mit seiner Gesprächspartnerin Prof. Dr. Natalia Kohtamäki, Europarechtlerin von der Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität in Warschau, gelang auch ein vorsichtig optimistischer Ausblick in schwierigen Zeiten. Laut Natalia Kohtamäki gebe die deutsch-polnische Geschichte ein Vorbild dafür, Beziehungen aus schier ausweglosen Situationen aufzubauen. „Europa ist im Stande nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, auch wenn der Konflikt tiefe Wurzeln hat“, sagte sie.  

Inwieweit eine solche Möglichkeit in der Stärkung europäischer Allianzen, etwa dem Weimarer Dreieck zwischen Polen, Deutschland und Frankreich liegen könnte, erörterte ein weiteres Panel mit dem früheren Viadrina-Französischlektor Dr. Andreas Bahr, Dr. Małgorzata Preisner-Stokłosa von der Pan-Tadeusz-Museum Ossoliński Nationalbibliothek und Prof. Dr. Kornelia Kończal von der Universität Bielefeld. Einen zusätzlichen Aspekt fügten Prof. Dr. Sylvia Jaki (Universität Hildesheim) und Dr. Michał Smułczyński (Universität Wrocław) dem Thema Friedenskommunikation mit ihrem Gespräch über die Bedeutung von Sprache hinzu.

Einen aufrüttelnden Einführungsvortrag über die Gefahren von Desinformationen für den Frieden hatte Prof. Dr. Grażyna Szpor von Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität beigesteuert. Sie mahnte in ihrem Text, der von Prof. Dr. Irena Lipowicz vorgetragen wurde, vor Desinformationen, die „ohne einen einzigen Schuss ganze Gesellschaften beeinflussen“ können und deren Bekämpfung von der Europäischen Union zu lange vernachlässigt worden sei. Wo angesichts von Social Media die Wahrheit sterbe und Emotionen übernehmen, plädierte sie für eine Stärkung von Qualitätsmedien. „Wir sind nicht wehrlos: Wenn wir ehrliche Kommunikation verteidigen, verteidigen wir auch den Frieden. Der Krieg beginnt in den Worten. Wenn wir Frieden wollen, müssen wir faire Information verteidigen“, so ihre Apell.

Ein Mitschnitt des Symposiums ist hier abrufbar

Text: Frauke Adesiyan
Fotos: Heide Fest


 

Das Symposium Bartoszewski Promemoria 4 „Friedenskommunikation: Mediation, Sprache, Politik“ war Teil der Veranstaltungsreihe Bartoszewski Promemoria der Karl Dedecius Stiftung, die dank der finanziellen Unterstützung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit realisiert werden kann. Kooperationspartner sind die Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität Warschau, das Oekumenische Europa-Centrum, das Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies, das Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION sowie das Pan Tadeusz-Museum der Ossoliński-Nationalbibliothek in Wrocław.

 

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