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Begeisterter Applaus beim Handgranaten-Weitwurf der reichsweiten Polizeimeisterschaft unter Hakenkreuzflaggen im Ostmarkstadion – Historiker Prof. Dr. Werner Benecke wählte einen filmischen Einstieg, um die Stimmung in Frankfurt (Oder) in den Jahren 1938 und 1939 zu skizzieren. „Frankfurt (Oder) gehörte schon 1932 zu den drei Wahlkreisen im damaligen Deutschen Reich, in denen die NSDAP mehr als 55 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte“, so der Historiker. In den Jahren 1937 und 1938 hätten sich die Maßstäbe der Garnisonsstadt, die als „Vorposten Berlins“ galt, noch einmal verschoben: „Frankfurt sollte zum östlichen Kulturzentrum, zur ,Schaufront nach Osten‘ werden. Hier sollte auf einem Gebiet, das von der Gertraudenkirche bis zur Oder und über den Carthausplatz hinweg reichte, ein Gau-Forum errichtet werden.“ Zwar wurden die Pläne 1939 verworfen – Frankfurt hatte angesichts der „Verlagerung nach Osten“ an strategischer Bedeutung verloren; die schon in den 1930er Jahren begonnene „Wehrhaftmachung“ – der Bau von Kasernen und eine zunehmende Militarisierung – aber prägte die Stimmung in der Oderstadt.
Kuratorin Dr. Alina Bothe Foto führt durch die Ausstellung „Ausgewiesen! Die Geschichte der ,Polenaktion‘ 1938“, Foto: Heide Fest.
Wie der damals 45-jährige Frankfurter Eliasz Rammer diese Entwicklungen wahrgenommen und eingeschätzt hat, ist nicht bekannt. Benecke hatte für die Ausstellung gemeinsam mit Studierenden das Schicksal des Schneidermeisters recherchiert: Er war am 28. Oktober als einziges bekanntes Opfer aus Frankfurt (Oder) im Zuge der „Polenaktion“ deportiert worden. Die biografischen Forschungen führten Benecke und seine Studierenden bis nach Iwano-Frankiwsk in der heutigen Ukraine, damals Stanisławów und auf polnischem Gebiet gelegen. Dort war Rammer 1893 geboren worden. Benecke und sein Team entdeckten eine jahrelang andauernde Korrespondenz zwischen Rammer, dem Konsulat in Berlin und Iwano-Frankiwsk, in der Rammer den Nachweis seiner polnischen Staatsbürgerschaft erwirkte. Diese half ihm nicht. Von Zbąszyń, wohin am 28. Oktober rund 11.000 jüdische Polinnen und Polen zwangsdeportiert wurden, gelangte er zwar nach Stanisławów, im dortigen Ghetto verliert sich jedoch seine Spur.
Besucherinnen und Besucher besichtigen die Ausstellung „Ausgewiesen! Die Geschichte der ,Polenaktion‘ 1938“ in der Frankfurter Marienkirche, Foto: Heide Fest.
Dass Rammer kein Einzelfall war, machte Dr. Alina Bothe in ihrem anschließenden Vortrag deutlich. Sie hat die Ausstellung in der Frankfurter Marienkirche kuratiert und am Nachmittag durch die Ausstellung geführt. Mindestens 17.000, wahrscheinlich sogar 25.000 Jüdinnen und Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit seien am 28. Oktober von Gendarmerie und SS brutal zum Grenzübertritt nach Polen gezwungen worden. Und das aus dem ganzen Reich: „Es war die erste systematische und reichsweite Deportation.“ Zwar sei die Erinnerung an diese „Polenaktion“ von den Novemberpogromen überlagert, ihre Bedeutung aber sowohl für die Opfer, wie auch für den Holocaust immens. „Die Behörden lernten eine Menge, etwa hinsichtlich der Organisation von Deportationen oder möglicher Reaktionen in der Bevölkerung.“ Widerstand gegen die „Polenaktion“ habe es in der deutschen Bevölkerung kaum gegeben; angesichts des weitverbreiteten und als Mainstream geltenden „Ostjudenhasses“ nicht verwunderlich für Bothe. Im polnischen Zbąszyń, wohin die meisten Deportierten ausgewiesen wurden, sei hingegen eine immense Hilfs-Infrastruktur für die mehr als 8.000 Menschen entstanden, die dort teils monatelang in improvisierten Notunterkünften festsaßen. Auch heute werde ein Großteil der Erinnerungsarbeit in Zbąszyń geleistet: Dort erinnert Wojciech Olejniczak mit seiner Stiftung TRES an die „Polenaktion“ und ihre Folgen.
(MG)
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