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„Ich bin nur ein Absolvent, das sind nur Empfehlungen.“ Trotz dieser schon fast schüchternen Einleitung nahm Daniel Sadecki im gut besuchten Logensaal kein Blatt vor den Mund. Das zentrale Fazit seiner Masterarbeit mit dem Titel „Doppelstadt Frankfurt (Oder) - Słubice als wirtschaftliches Zentrum der Grenzregion für Brandenburg und die Woiwodschaft Lubuskie – Eine Vision oder bereits Realität?“ lautet: Die Doppelstadt ist gegenwärtig nicht das wirtschaftliche Zentrum der deutsch-polnischen Grenzregion. Die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung habe sich vielmehr in die Eurostadt Guben - Gubin verlagert. Neben der Auswertung vorliegender Statistiken – beispielsweise zu Großansiedlungen in den vergangenen Jahren, bei denen die Eurostadt klar vorn liegt – hat Sadecki auch 26 Interviews mit Bürgermeistern, Unternehmerinnen und Unternehmern sowie weiteren Expertinnen und Experten geführt. Neben einer fehlenden strategischen Ausrichtung des Wirtschaftsstandortes Frankfurt (Oder) - Słubice, attestiert er auch ein Mentalitätsproblem. „In Guben – Gubin spricht man weniger von Konkurrenz, die Investorenbetreuung ist eher unternehmensorientiert“, so ein Fazit aus den Gesprächen. Was die Region um Frankfurt (Oder) und Słubice brauche, sei eine Abkehr von der dezentralen Wirtschaftsförderung. „Bisher kocht hier jeder sein eigenes Süppchen. Das muss geändert werden“, so Sadecki.
In dem anschließenden Podiumsgespräch konnte der scheidende Gubiner Bürgermeister und Viadrina-Absolvent Bartłomiej Bartczak die Ergebnisse einordnen. „Die Investoren wissen genau, was sie bei uns wollen“, so seine Beobachtung aus 18 Bürgermeister-Jahren. Das sei der Zugang zum polnischen Markt, das Fenster zu Osteuropa und nicht zuletzt das Reservoir an Arbeitskräften. „Wir haben nicht diese destruktive Nähe zu Berlin“, so seine Erklärung. Aus Gubin pendele man eben nicht für die Arbeit nach Berlin oder zum Tesla-Werk nach Grünheide. Schließlich betonte er, dass er den Gubener Bürgermeister nie als Konkurrent betrachtet habe. „Wenn ein Investor nicht nach Gubin kommt, dann tue ich alles dafür, dass er nach Guben geht. Was nützt mir ein Investor in Frankfurt (Oder) oder Berlin?“, sagte Bartczak.
Im Publikum verfolgte neben Frankfurts Wirtschaftsbeigeordnetem Claus Junghanns auch Oberbürgermeister René Wilke die Veranstaltung. Letzterer merkte mit Blick auf das Podium an: „Die Frankfurter Perspektive derer, die jetzt aktiv Verantwortung tragen, hat mir gefehlt. Wir hätten schon noch etwas beizutragen gehabt.“ Er stimmte der Feststellung zu, dass Frankfurt (Oder) und Słubice sich nicht in gleicher Weise gemeinsam vermarkten, wie die Eurostadt. Das allein sei aber nicht der wichtigste Faktor für die unterschiedlichen Ansiedlungserfolge. Schon auf deutscher Seite mangele es an Abstimmung zwischen den Städten und Landkreisen und der Gubener/Gubiner Einstellung: „Lieber irgendwo in der Region also ganz woanders“.
In mehreren Beiträgen wurde auch die Rolle der Viadrina für die wirtschaftliche Entwicklung der Region betont. So empfahl Sadecki als ein Ergebnis seiner Arbeit, dass Gründungsaktivitäten von Studierenden stärker an den Standort gebunden werden sollten und sah hier besonders die Stadt in der Pflicht, Gründungen mit städtischen Wirtschaftsförderstrukturen zu verknüpfen. Dr. Christian Ehler, Mitglied des Europäischen Parlaments, forderte eine neue Idee für die Viadrina, die als „Eliteschmiede für die deutsch-polnische Zusammenarbeit“ gegründet worden sei. Eine ähnliche Rolle könnte der Europa-Universität nun mit Blick auf die Entwicklung der Ukraine zukommen. „Wer Expertise hat und strategisch damit umgeht, der erschließt sich Funktionseliten, um auf diesem Markt präsent zu sein“, so seine Vorstellung.
Dass der Schlüssel für den Erfolg der Region auch in Viadrina-Absolventen wie Daniel Sadecki liegt, sagte der frühere Oberbürgermeister Martin Wilke, der als Mitglied der Frankfurter Netzwerkstatt auf dem Podium saß. Der Unternehmensberater sagte: „Wir müssen Angebote an gute Leute wie Daniel Sadecki machen und viel selbstbewusster Vorteile aus der Grenze ziehen.“
Text: Frauke Adesiyan
Fotos: Heide Fest
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