Medieninformation Nr. 32-2022

vom 18. März 2022

Von unbändigem Tatendrang für die deutsch-polnische Zusammenarbeit beflügelt – Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) trauert um Prof. Dr. Stefan Jurga 


Als Rektor der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań hat Prof. Dr. Stefan Jurga die Zusammenarbeit mit der Europa-Universität Viadrina von 1996 bis 2002 entscheidend geprägt. Das Collegium Polonicum als gemeinsame Einrichtung beider Universitäten war ihm auch als Prorektor in den Jahren 1990 bis 1996 und als Staatssekretär im polnischen Wissenschaftsministerium eine Herzensangelegenheit. Ein Nachruf von Prof. Dr. Gesine Schwan und Janine Nuyken.

„Eine traurige Nachricht hat uns erreicht: Am 15. März dieses Jahres ist Professor Stefan Jurga, von 1996 bis 2002 Rektor der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań verstorben. Das hat uns sehr betroffen gemacht. Hatten wir doch am Anfang dieses Jahrtausends sechs Jahre lang mit großem Engagement und nach besten Kräften gemeinsam das Collegium Polonicum gestaltet. Diese deutsch-polnische Einrichtung, in Słubice am anderen Ufer der Oder gelegen, sollte zu einem sichtbaren Beispiel deutsch-polnischer Wissenschaftskooperation werden. Dabei haben wir viel über die Unterschiede unserer beiden Hochschulsysteme gelernt, auch über die Wissenschaftskulturen und -bräuche.

Jede gute Beziehung braucht Zeit, um einander kennenzulernen. Stefan Jurga, in Poznań wie in Słubice von unbändigem Tatendrang beflügelt, ging es darum, das Collegium Polonicum zum Blühen zu bringen und mit einer wirksamen überregionalen Ausstrahlung zu versehen. Dazu gehörte für ihn selbstverständlich auch eine angemessene finanzielle Ausstattung. Möglichst viele, nach seinem Wunsch weit über hundert Studierende, sollten sich an dieser Institution einschreiben. Die Viadrina dagegen erachtete es als einen bereits erheblichen Beitrag, weit weniger, aber wertvolle Doktorandenplätze zu schaffen; das waren dann ,nur‘ vierzig. Stefan Jurga zog die Augenbrauen hoch.

Wir brauchten zwei Jahre, bis wir alle Hürden der Höflichkeit genommen hatten und beide Seiten den Grund für unseren Dissens verstanden: Die staatliche Finanzierung erfolgte in Polen strikt nach Studierendenzahlen; in Deutschland waren damals leichter Gelder für Doktorandinnen und Doktoranden zu akquirieren. Als dann die Karten und damit die Interessen offen auf dem Tisch lagen – alle Karten offen auf den Tisch zu legen ist interkulturell sehr unterschiedlich kodiert –, führte das zu einer vorzüglichen Lösung für das Collegium Polonicum: Die Doktorandenplätze konnten letztlich nach polnischem System mit vier multipliziert werden und waren so auch mit dem polnischen Koordinatensystem kompatibel. Wir haben uns später oft lachend an dieses tastende Zusammenkommen erinnert. 

Stefan Jurga war überaus willensstark und konnte unerbittlich sein, wenn es darum ging, die Sache – das Collegium Polonicum, die polnisch-deutschen Beziehungen und Europa – voranzubringen. Zugleich kannten seine Großzügigkeit, seine Gastfreundschaft und seine Fantasie keine Grenzen und machten unsere Treffen in Poznań immer zu einem Ereignis. Er führte uns stolz durch sein imponierend ausgebautes Institut für Physik an der Poznaner Universität und lud uns, zusammen mit dem unvergessenen Prorektor Stanisław Lorenc, am Vorabend von Tagungen und Konferenzen oft zu einem festlichen Abendessen ein. Politisch eher konservativ verkraftete er es doch tolerant und gut, dass seine Kollegin von der Viadrina Mitglied der SPD war.

Das Engagement für die deutsch-polnischen Beziehungen war für Stefan Jurga ebenso wie für seine wunderbare Frau Maria, eine kluge professionelle Psychologin, schon früh in ihrem Leben sehr wichtig: Beide nahmen bereits als Studierende an polnisch-deutschen Musik-Austauschen teil, vor allem an grenzüberschreitendem Chorsingen. Der Chor der Adam-Mickiewicz-Universität war und ist für seine außerordentliche Qualität berühmt.

Natürlich war die riesige Adam-Mickiewicz-Universität im Vergleich zur Viadrina eine gigantische Universität. Stefan Jurga hatte für solche Dimensionen einen wachen Sinn. Zugleich ließ er uns seine große Wertschätzung der Europa-Universität immer spüren, machte sich oft mit seinem Stab und Kollegen und Kolleginnen auf den nicht unaufwändigen Weg nach Frankfurt (Oder), um dort an Feierlichkeiten teilzunehmen. Dafür waren wir und sind wir ihm und seinem Vize-Rektor Stanisław Lorenc von Herzen dankbar.

Zum Abschied seiner deutschen Viadrina-Kollegin empfing er uns Frankfurterinnen und Frankfurter auf Schloss Obrzycko, einem der Gästehäuser der Adam-Mickiewicz-Universität, und bereitete uns einen zauberhaften Abend. Rektor und Prorektor beschenkten uns und krönten so Stefan Jurgas rastloses Engagement und eine erfüllte Zeit der Zusammenarbeit mit einem glänzenden Fest.

Stefan Jurga war ein durchaus autoritärer, zugleich aber ganz warmherziger Mann.

Wir sind ihm in tiefem Dank und bleibender herzlicher Erinnerung verbunden.“

Prof. Dr. Gesine Schwan (1999 bis 2008 Präsidentin der Europa-Universität Viadrina)
Janine Nuyken (seit 2002 Vizepräsidentin für das Collegium Polonicum)


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