30 x Viadrina & ich: „Das ist toll – diese Möglichkeit, an der Viadrina in mehreren Sprachen studieren zu können“

In der Reihe „30 x Viadrina & ich“ erzählt Viadrina-Doktorand und Projektkoordinator Oleksii Isakov über seine Zugfahrt von Kyjiw nach Frankfurt (Oder), das WG-Leben in der Birkenallee sowie den Herausforderungen, denen er sich als ukrainischer Master-Student gegenübersah. Anlässlich von 30 Jahren Europa-Universität berichten 30 Menschen – vom Erstsemester bis zur emeritierten Professorin – welche Rolle die Viadrina in ihrem Leben spielt. 

An den 1. August 2012 kann sich Oleksii Isakov noch gut erinnern: „Das war ein Service. Wir wurden abgeholt – um 6 Uhr morgens. Viadrina-Mitarbeiterin Corinna Kleinke, unsere Gruppenbetreuerin, stand damals mit einem Schild im Bahnhof“, erzählt der Viadrina-Masterabsolvent. Das war das erste und leider auch das letzte Mal, dass Oleksii Isakov mit dem Zug direkt aus der Ukraine anreisen konnte. Danach wurde die Linie Kyjiw – Berlin eingestellt. Dieses „Slow Travelling“ ermöglichte es ihm auf der 24 Stunden dauernden Fahrt seine ukrainischen Kommilitoninnen aus dem gleichen Stipendienprogramm kennenzulernen. Am Bahnhof angekommen, ging es direkt zum Viadrina-Campus: das erste Mal im Postgebäude zur Begrüßung, in der Karl-Marx-Straße, an der Oder und schließlich im Wohnheim in der Birkenallee – sein neues Zuhause für die kommenden Jahre. „Wir waren eine kleine Birkenallee-Familie. Ich konnte fast in jeden Aufgang gehen und sah sofort ein bekanntes Gesicht“, erinnert sich Oleksii Isakov – so familiär, so nah. >>> Weiterlesen

Isakov_Oleksii_UV_7625 ©Viadrina/Heide Fest

Doktorand: Oleksii Isakov, Foto: Heide Fest


In Odesa aufgewachsen, absolvierte er dort seinen linguistischen Bachelor und begann anschließend an der Viadrina ein Master-Studium im Studiengang Intercultural Communication Studies (heute: Sprache – Medien – Gesellschaft). Dass es einen Unterschied macht, in der Ukraine oder in Deutschland zu studieren, merkte er schnell. „Der Anfang war schwer. Mein Deutsch war noch nicht fließend. Erst im dritten Semester habe ich meine erste Hausarbeit auf Deutsch geschrieben. Glücklicherweise wurden viele Kurse und Vorlesungen auf Englisch angeboten. Das ist toll – diese Möglichkeit, an der Viadrina in mehreren Sprachen studieren zu können.“ Auch in der Lehre stellte er Unterschiede fest: „In der Ukraine gab es einen festen Stundenplan, dem man einfach folgen muss. An der Viadrina war das anders: Ich musste die Seminare selber auswählen, aber wie sollte ich mich entscheiden? In der Ukraine hatte ich etwa zwölf Kurse pro Semester, an der Viadrina waren es vier bis fünf. Der Fokus lag klar auf selbstständiger Arbeit.“ Zudem überraschte ihn die große Palette an Themen: Vom interkulturellen Management, über Migration und urbane Linguistik bis zu sowjetischem Jazz und literarischer Avantgarde. Neu war für ihn außerdem, dass es viele internationale Studierende gab – aus Südamerika, aus Australien, aus Ost- und Westeuropa. Er lächelt, wenn er sich an seinen ersten Besuch in einer Multikulti-WG in Berlin erinnert. Das gehörte eben dazu: Studierendenleben, ab und zu in die Hauptstadt und wieder zurück. Wichtig ist ihm: „Frankfurt (Oder) war meine Wohnstätte, in der ich gern zu Hause war. Ich baue gern eine Verbindung zu dem Ort auf, an dem ich wohne.“ Dabei ging es Oleksii Isakov nicht nur ums Studium und die Arbeit – Freizeitaktivitäten wie selbstorganisierte Theaterprojekte, das Universitätsorchester „Viaphoniker“ und die Viadrina-Laufgruppe haben ihm bei der Integration in das Stadtleben auch sehr geholfen.

Die Grenzlage und das Doppelstadt-Flair halfen ebenfalls: „Als ich ankam, gab es noch die alten Zollgebäude an der Oder. Heute sieht man davon gar nichts mehr. Es ist schon cool, einen so freien Blick über die Brücke haben zu können.“ Als Oleksii Isakov seinen Master begann, hatte er die Wahl, Französisch oder Polnisch zu lernen. Eher zufällig entschied er sich für Polnisch. Eine sehr gute Entscheidung, wie sich herausstellte, denn „so konnte ich mich auch auf der anderen Seite der Oder kulturell integrieren.

Dass dies alles bereits fast zehn Jahre her ist, scheint für den Doktoranden am Lehrstuhl für Osteuropäische Literaturen unwirklich. Zwischen seinem Masterstudium und seiner Promotion, die er im vergangenen Jahr im Rahmen des Forschungskollegs „Europäische Zeiten/European Times“ angefangen hat, lagen etwa fünf Jahre. Währenddessen blieb er der Viadrina treu: In der Abteilung Viadrina Internationale Angelegenheiten beriet und berät er weiterhin Studierende und Beschäftigte zu Erasmus+-Auslandsaufenthalten in Ost- und Südosteuropa.

Aber nicht nur seine Viadrina-Zugehörigkeit wuchs. Er konnte auch beobachten, wie die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Ukraine an der Europa-Universität gedieh. „Inhaltlich entstanden immer mehr interessante Diskussionen und Anknüpfungspunkte“, sagt er.  Außerdem beobachtet Oleksii Isakov die zunehmende Verankerung der Universität in der Region: „Die Viadrina ist Wissensträger und wendet dieses Wissen vermehrt auch auf der lokalen Ebene an. Die Uni ist nicht getrennt von der Stadt, sondern integriert sich zunehmend. Das gefällt mir.“ Die Bewerbung für das „Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ sei dafür ein gutes Beispiel.

(KH)

Dieser Text ist der achte Teil der Serie „30 x Viadrina & ich“.
Die bereits erschienenen Beiträge können hier nachgelesen werden.
In den nächsten Beiträgen erzählen Viadrina-Mitarbeiter Yanis Hamdali und Viadrina-Alumnus Sören Urbansky von ihren Erfahrungen. Die Texte erscheinen jeweils in der Rubrik „30 Jahre Viadrina“ im Viadrina-Logbuch.
Das Gespräch mit Oleksii Isakov wurde kurz vor dem Anfang des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine geführt. Trotz gravierender Änderungen in seiner Heimat in den letzten Monaten wird dieses Gespräch in ursprünglicher Form veröffentlicht, nicht zuletzt als Erinnerung an friedlichere Zeiten in der Ukraine. Zu den Kriegsereignissen in seinem Land und deren Wahrnehmung äußert sich Oleksii Isakov in einem späteren Interview im Viadrina-Logbuch.

Steckbrief

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Name:
Oleksii Isakov

An der Viadrina bin ich:
seit August 2012

Was ich hier mache:
Zurzeit koordiniere ich das Mobilitätsprogramm Erasmus+ mit Ländern Ost- und Südeuropas in der Abteilung Internationale Angelegenheiten und promoviere gleichzeitig zum ukrainischen sowjetischen Kino der 1960er-Jahre an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät.

Das macht die Viadrina für
mich aus:
Multikulturalität, Ideenaustausch, Herzlichkeit

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