Steckbrief
Name:
Marcus Karge
An der Viadrina war ich:
von 2003 bis 2009
Das habe ich an der Viadrina gemacht:
Jura studiert
Die Viadrina ist für mich:
europäisch, regional, international
Seine Doktorarbeit in Rechtswissenschaften schrieb er innerhalb weniger Monate direkt nach dem ersten Staatsexamen. Im Alter von 27 Jahren war er Rechtsanwalt, mit 31 Jahren Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, ein Jahr später Richter am Verwaltungsgericht in Frankfurt (Oder) und zwischen 2020 und 2022 als wissenschaftlicher Mitarbeiter zum Bundesverwaltungsgericht abgeordnet – Viadrina-Absolvent Dr. Marcus Karge hat eine echte juristische Karriere hingelegt. Abzusehen war dieser Lebensweg nicht: „Mein Abitur war nicht das Allerbeste“, gibt der gebürtige Neuzeller offen zu. „Meine Eltern haben innerlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als ich ihnen sagte, dass ich Jura studieren werde. Ich habe zuvor nie freiwillig viel gelernt.“
Das änderte sich, als er 2003 das Studium der Rechtswissenschaften an der Europa-Universität begann. „Ich fand das Studium überhaupt nicht trocken, sondern hatte wirklich Spaß daran. Den braucht man aber auch. Damals habe ich mein Interesse für Jura entdeckt und das ist mir bis heute geblieben. Es ist ein total spannender Beruf, den ich erlernen durfte.“ Obwohl ihm das Studium leichtfiel, kam Karge nicht um das Lernen ganzer Stapel von Karteikarten und 12-Stunden-Tagen in der Bibliothek herum: Um 8 Uhr ging er in Neuzelle zum Bahnhof und fuhr zur Viadrina und arbeitete dort in der Bibliothek bis um 21 Uhr die Pforten geschlossen wurden. Um 22 Uhr war er wieder zu Hause. „Zum ersten Mal in meinem Leben, habe ich mich auf den Hosenboden gesetzt und gelernt. Das empfand ich aber gar nicht als besonders stressig. Es ging dabei gerade nicht um das Auswendiglernen, dahinter stand immer die Frage, ob ich die Inhalte tatsächlich verstanden habe. Und sobald ich sie verstanden hatte, konnte ich das für mich abhaken. Von dieser Zeit des Lernens profitiere ich bis heute“, beschreibt er seine Vorbereitungszeit auf das Staatsexamen.
Dr. Marcus Karge, Jura-Absolvent und Richter am Verwaltungsgericht in Frankfurt (Oder), Foto: privat
Die Freude am Studium verdanke er auch seinen Professorinnen und Professoren, erzählt Karge. An der Viadrina traf er auf Dozierende, die für ihre Studierenden immer ansprechbar waren, und sie das Argumentieren lehrten: „Zum einen war da Herr Pechstein, der für sein Europarecht brannte, der uns den europäischen Gedanken, die europäische Friedensordnung eingepflanzt hat. Das klingt jetzt pathetisch, aber wenn man ihn gehört hat, dann versteht man, dass das, was gerade in der Ukraine passiert, einfach nicht sein darf und wir definitiv dagegenhalten müssen.“ Auch an Professor Heinrich Amadeus Wolff, inzwischen Richter am Bundesverfassungsgericht, erinnert sich Marcus Karge gern: „Er hatte klare Gedanken und den Schneid, die Studierenden argumentieren zu lassen. Das war manchmal ein regelrechter Kampf der Argumente, immer begleitet von gegenseitigem Respekt und Anerkennung. Es ging im Kern um die Suche nach den besseren Argumenten und dennoch konnte ich im Jurastudium oft genug lachen. Aber all das findet man erst heraus, wenn man auf diese Art argumentieren lernt.“
Die Rechtswissenschaften seien für ihn auch deshalb so interessant, weil sie sämtliche Lebensbereiche durchdringen, so Karge. Bereits während seines Referendariats arbeitete er für eine große Anwaltskanzlei. „Damals gab es gerade die ersten deutschen ,bad banks‘, diese Abwicklungsanstalten, in denen man faule Kredite gebündelt hat. Mit solchen praktischen Dingen, die in Spiegel-Artikeln diskutiert wurden, durfte ich mich beschäftigen, zwar noch nicht als Anwalt, aber als wissenschaftlicher Mitarbeiter – das war sehr spannend.“ Nur mit zwei juristischen Bereichen wollte er beruflich nie zu tun haben: Familienrecht und Strafrecht. „Beim Strafrecht menschelt es mir zu sehr, Familienrecht ist mir ebenso zu emotional. Deshalb kam für mich nur der Verwaltungsrichter in Frage – um das Risiko zu mindern, mit diesen Rechtsgebieten dauerhaft arbeiten zu müssen.“ 2016 ging er beruflich diesen Schritt und wurde Richter am Verwaltungsgericht in Frankfurt (Oder). Ein Grund dafür war die Familiengründung – just am Tag vor seinem Vorstellungsgespräch wurde seine Tochter geboren. „Ich habe in der Nacht noch das Hemd gebügelt“, erinnert er sich lachend. Mit seiner jetzigen beruflichen Tätigkeit als Richter ist Karge, der gern selbstständig arbeitet, sehr zufrieden: „Es ist ein sehr schönes Arbeiten. Ohne Erwartungen von Mandanten gerecht werden zu wollen oder zu müssen, versuche ich auf Basis meines Fachwissens, die rechtlich richtige Entscheidung zu treffen.“
Noch heute ist der Viadrina-Absolvent seiner Alma Mater verbunden und betreut immer wieder als externer Mitarbeiter Arbeitsgemeinschaften für die unteren Semester. Für die Viadrina wünscht er sich, dass sie besser wahrgenommen wird. „In den Rankings ist sie ganz weit oben, aber viele Studierende gehen dann doch lieber ins verheißungsvolle Berlin“, beobachtet Karge. „Die Viadrina läuft Gefahr, in die zweite Liga abzurutschen. Sie muss eine Möglichkeit finden, noch präsenter als Universität in der Stadt zu sein. Und ich wünsche ihr auch weiterhin Professorinnen und Professoren, die ihre Studierenden begeistern.“
(YM/AL)
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