„Wir können nicht einfach wegschauen und weiterarbeiten“ – Solidarität und Unterstützung für ukrainische Geflüchtete am Collegium Polonicum
Polnisch-Kurse, Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer, ein täglich besetzter Infostand, Spendensammlungen, eine Ausstellung – am Collegium Polonicum (CP) sind schnell nach dem Beginn des Krieges Russlands gegen die Ukraine umfassende Hilfsangebote und Solidaritätsaktionen angelaufen. Die Hilfe reicht weit über das CP hinaus in die Stadt und die Region.
„Wir stehen euch bei“ steht in großen ukrainischen Buchstaben an der Überführung vom Collegium Polonicum zum Bibliotheksgebäude, daneben prangt ein blau-gelbes Herz. Das Banner war eine der ersten Aktionen, die Ewa Bielewicz-Polakowska, im Collegium Polonicum zuständig für Public Relations, gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen umgesetzt hat, nachdem Russland Ende Februar den Krieg gegen die Ukraine begonnen hat. „Uns war allen schnell klar: Wir können nicht einfach weiterarbeiten, wegschauen und nichts machen“, berichtet Ewa Bielewicz-Polakowska von der Stimmung im Kollegium.
Słubice ist für viele ukrainische Geflüchtete Durchgangsstation auf dem weiteren Weg in den Westen; andere bleiben hier – auch weil es bereits eine große ukrainische Community in der Grenzstadt gibt. Schnell gehören die Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, zum Alltag in der Stadt. Eine neue Realität, der man sich am Collegium Polonicum spontan stellt und auf die man passende und schnelle Reaktionen findet. In den ersten Tagen wurde vor allem zu Sachspenden aufgerufen, um die ankommenden Familien zu unterstützen.
In einem weiteren Schritt machten die Beschäftigten des Collegium Polonicum ihre Kenntnisse und Expertise für ukrainische Ankömmlinge zugänglich. Drei Polnisch-Sprachkurse für Erwachsene waren in kürzester Zeit ausgebucht; momentan wird eine Warteliste geführt. Darüber hinaus gibt es einen ebenfalls sehr gut nachgefragten Onlinekurs für polnische Lehrerinnen und Lehrer, die durch ihre neuen ukrainischen Schülerinnen und Schüler vermehrt vor der Herausforderung stehen, Polnisch als Fremdsprache zu unterrichten. „Wir haben bei uns sehr erfahrene Leute auf diesem Gebiet“, betont Ewa Bielewicz-Polakowska und verweist auf die Beschäftigten des Studienganges Polish Studies. Hinzu kommt ein breit angelegtes Hilfsprogramm durch die Adam-Mickiewicz-Universität Poznań, die das Collegium Polonicum gemeinsam mit der Viadrina trägt. Es reicht von kostenlos bereitgestellten Wohnheimplätzen – 220 Ukrainerinnen und Ukrainer sind dort bereits untergebracht –, über psychologische Beratung bis hin zu einer finanziellen Soforthilfe für ukrainische Studierende und Beschäftigte.
In den vergangenen Wochen ist zudem das Foyer des Collegium Polonicum zu einem wichtigen Anlaufpunkt für Ukrainerinnen und Ukrainer geworden. Täglich zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr ist ein Infopunkt besetzt. „Wir erhalten Fragen zur Arbeitssuche, zum Aufenthalt, zur Wohnungssuche. Es geht um Schule und Studium“, gibt Ewa Bielewicz-Polakowska einen Einblick in die Vielfalt der Fragen, die sie und ihre Kolleginnen und Kollegen erreichen. Nicht auf alles habe man sofort eine Antwort, aber oft wisse man, wo man nachfragen könne. Sprachlich helfen Russisch-Kenntnisse und Übersetzungs-Apps auf dem Handy. Auch wenn es nicht einfach ist, die tägliche Beratung mit dem vorhandenen Personal abzudecken, werde man damit fortfahren, solange der Bedarf besteht, versichert die CP-Sprecherin. Und auch die Fotoausstellung über die kriegerischen Angriffe Russlands auf den Osten der Ukraine in den Jahren 2014/2015, die man spontan im CP-Foyer wieder aufgestellt hat, werde stehen bleiben. „Die Menschen gewöhnen sich an alles und der Krieg wird zur ,Normalität‘“, sagt Ewa Bielewicz-Polakowska und malt mit ihren Fingern Anführungsstriche in die Luft. Gegen dieses Verdrängen und Vergessen wolle das Collegium Polonicum mit der Ausstellung und dem Engagement insgesamt seinen Beitrag leisten.
(FA, Fotos: Ewa Bielewicz-Polakowska)