Restaurierung von Kirchenburgen in Rumänien: Viadrina-Studierende organisieren Sommerschule „Apold Heritage Lab“

Ein gelungenes Beispiel anwendungsbezogenen Lernens: Vom 18. bis 28. Juli 2022 organisierten Viadrina-Masterstudierende die internationale Sommerschule „Apold Heritage Lab“ im rumänischen Apold. Studierende der Denkmalkunde und der Architektur arbeiteten an der Restaurierung der Kirchenburg von Apold und erhielten dabei Einblicke in traditionelle Handwerksberufe. 

„Ich war überwältigt von der hohen Motivation und dem Arbeitseifer der Studierenden: Wir mussten sie regelrecht zwingen, zum Mittag- oder Abendessen zu kommen, so sehr waren sie in ihre Arbeit vertieft“, beschreibt Magdalena Roepke die Atmosphäre der Sommerschule. Die gelernte Fotografin studiert seit 2021 den berufsbegleitenden Masterstudiengang „Schutz Europäischer Kulturgüter“ an der Europa-Universität Viadrina. Gemeinsam mit ihrem Kommilitonen Sebastian Bethge hat sie die Sommerschule organisiert – die Durchführung eines Projekts gehört zum Curriculum des Studiengangs. Bethge, der bereits längere Zeit in Rumänien lebt und arbeitet, leitet den Verein CasApold. Dieser war Gastgeber der Sommerschule und kümmert sich um die nachhaltige Umnutzung der Kirchenburg in Apold, den Erhalt von traditionellen Handwerkstechniken und macht die Kirchenburg zu einem lebendigen Ort der Begegnung. Das langfristige Ziel des Vereins ist die Einrichtung eines Dokumentations- und Forschungszentrums zum Thema Kirchenburgen in Apold. Die Sommerschule wurde maßgeblich durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gefördert.

„Als ich von der Idee der Sommerschule hörte, war ich sofort davon begeistert, denn ich habe selbst einen Monat in Siebenbürgen verbracht, um ein Fotoprojekt durchzuführen“, sagt Roepke. In wenigen Worten fasst sie die Geschichte Siebenbürgens zusammen, erzählt von der deutschsprachigen Minderheit der Siebenbürger Sachsen, die, mit speziellen Rechten ausgestattet, seit dem 12. Jahrhundert das Wirtschaftsleben der Gegend prägten. Weil sie ihre Dörfer vor durchziehenden Heeren und gezielten Angriffen verteidigen mussten, errichteten sie die Kirchenburgen: befestigte, wehrhafte Kirchen mit Ringmauern und Wehrtürmen. „Nach und nach wanderten die Siebenbürger Sachsen jedoch aus, spätestens nach der Revolution 1990“, so Roepke. Nur 10 Prozent der Bevölkerung seien geblieben, die Dörfer verwaisten, die Kirchenburgen wurden nicht mehr genutzt und verfielen. „Doch seit ein paar Jahren kommen Kinder der Ausgewanderten und andere von der Region begeisterte Menschen nach Siebenbürgen. Unter dem Stichwort ,slow living´ etabliert sich hier allmählich ein alternatives Leben, die Häuser werden wiederhergestellt, man gründet Start-ups und versucht das Wissen um traditionelle Handwerksberufe zu erhalten“, berichtet Roepke.

Eindrücke von der Sommerschule in Apold - Fotos: Magdalena Menzinger


Alle Ergebnisse werden dem Verein zur Verfügung gestellt

Ziel der Sommerschule sei gewesen, verschiedene Berufsgruppen aus Wissenschaft und Handwerk zusammenzubringen, Wissen um Restaurierung und Denkmalpflege auszutauschen und das Gelernte „am Objekt selbst“, das heißt an der Kirchenburg in Apold, anzuwenden, so Roepke. „Die Sommerschule war wahrscheinlich eines der aufwändigeren Projekte, die in letzter Zeit im Rahmen des Studiengangs „Schutz Europäischer Kulturgüter“ durchgeführt wurden, aber die Arbeit hat sich gelohnt und das Heritage Lab hat mir sehr viel Spaß gemacht!“

18 Studierende aus Deutschland und Rumänien nahmen an der Sommerschule teil. In verschiedenen Workshops und Arbeitsgruppen lernten sie nicht nur traditionelle Handwerkstechniken kennen, sondern konnten auch ihr technisches Wissen einbringen: So fertigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sommerschule ein verformungsgerechtes digitales Aufmaß der Kirche an, erfassten die Fresken fotodokumentarisch und generierten daraus ein 3D-Modell. Außerdem wurden ein 3D-Modell des gesamten Geländes erstellt sowie ein 360°-Rundgang um die Kirche. Alle Ergebnisse werden dem Verein zur Verfügung gestellt und können bei zukünftigen Umnutzungs- und Restaurierungsvorhaben verwendet werden.

Von Bohrmehl-Analyse zur Wandmalerei – Studierende lernen praktisch

Darüber hinaus konnten die Studierenden bei einem Fachsymposium am 23. Juli ihre Zwischenergebnisse aus den ersten Tagen präsentieren und sich mit Expertinnen und Experten zum Thema Kulturerbe-Schutz austauschen, darunter Ștefan Bâlici, Präsident der rumänischen Architektenkammer, die Stiftung Kirchenburgen, die auch Partner des Projekts war, sowie Paul Diehl vom Verein Churchfortress e.V. und Mihai Ferenc vom Atelier Monumenta Transsylvaniae.

Während der zweiten Woche der Sommerschule lag der Fokus auf dem Erlernen verschiedener Handwerkstechniken: In einem Workshop mit dem Wandmalerei-Restaurator Lorand Kiss lernten die Studierenden, wie man ein Fresko an der Kirchenwand restauriert. Henriette Lemnitz, Steinrestauratorin aus Leipzig, zeigte den Teilnehmenden, wie sich eine Bohrmehl-Analyse zur Auswahl geeigneter Restaurierungsmaterialien verwenden lässt. Sebastian Bethge gab eine Einführung in das traditionelle Holzhandwerk.

Einen Einblick in die regionale Baugeschichte erhielten die Studierenden auf einer von der Stiftung Kirchenburgen organisierten Exkursion, bei der vier weitere Kirchenburgen besichtigt wurden. „Kirchenburgen sind in der Region Siebenbürgen häufig. Spannend sind die Unterschiede in der Bauweise. Am Bau der Kirchenburgen war selten einen Baumeister beteiligt, die Dorfbewohner haben alles selbst gemacht“, erzählt Roepke.

Es wurde aber nicht nur fleißig gearbeitet: abends veranstaltete das „Apold Heritage Lab“ einen Kinoabend auf der Burg. „Ob das Heritage Lab im nächsten Jahr noch einmal stattfindet, hängt nicht zuletzt von der finanziellen Förderung ab“, bilanziert Roepke. „Aber wenn es klappt, bin ich gern wieder dabei. Die Arbeit wird uns hier sicherlich nicht ausgehen.“ 

(YM)

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