Chancen und Risiken im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz – INU-Sommerschule in Hiroshima

Auf Einladung der Hiroshima-University kamen vom 3. bis zum 12. August Studierende und Dozierende aus Argentinien, Deutschland, Indonesien, Japan, Großbritannien, Spanien, Südafrika, Schweden und den USA zum „International Student Seminar for Global Citizenship and Peace 2022“ zusammen. Unter den Teilnehmenden waren auch Viadrina-Professorin Dr. Carmen Thiele und Studierende. Wir sprachen mit ihnen über ihre Eindrücke und Erlebnisse.

Zum jährlich im August in Hiroshima stattfindenden Treffen waren Studierende sowie Dozentinnen und Dozenten von Universitäten des International Network of Universities (INU) eingeladen, in dem auch die Viadrina Mitglied ist. „Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht das Gedenken an die Opfer des Atombombenabwurfs durch die US-amerikanischen Streitkräfte am 6. August 1945 und die Mahnung, dass sich so etwas niemals wiederholen darf. Die Teilnehmenden setzen so auch ein Zeichen für Abrüstung und gegen nukleare Waffen“, erläutert Prof. Dr. Carmen Thiele, Professorin für Völkerrecht an der Viadrina. Sie war als Dozentin mit dabei – 2022 bereits zum dritten Mal. Sie wurde als Kandidatin für die akademische Leitung der Sommerschule ab 2024 vorgeschlagen.

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Aus neun Ländern reisten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des INU-Student Seminars 2022 nach Japan. - Foto: Eleanor Luker


Während des Seminars arbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Workshops zu einem Rahmenthema, in diesem Jahr zu „Chancen und Risiken der KI-Technologie“. Die Studierenden führten außerdem ein Planspiel durch, bei dem eine Verhandlung in der UN-Generalversammlung zu einem konkreten Thema simuliert wird. 2022 lautete der Auftrag an die Studierenden, ein „international verbindliches Instrument zum Verbot der Herstellung, Vermarktung und des Einsatzes tödlicher autonomer Waffensysteme“ zu entwickeln.

Hristo Kolev studiert im sechsten Semester internationale Betriebswirtschaftslehre an der Viadrina. Er ist neben Lina Kreutz einer von zwei Viadrina-Studierenden, die am diesjährigen Seminar in Hiroshima teilnahmen. Nachdem er 2020 bereits mit der internationalen „Student Conference“ der INU in Indonesien gewesen war, wollte Kolev auch in Japan mit dabei sein, ein „Land, in das man nicht so ohne weiteres hinfahren kann und das vielen Europäern unbekannt ist“. Da ihn das Thema „Künstliche Intelligenz“ sehr interessiert, freute er sich über seine erfolgreiche Bewerbung für die Sommerschule und die Chance, am UN-Planspiel teilzunehmen.

Eine interkulturelle Erfahrung, die in Erinnerung bleibt

Während des Planspiels werden die Studierenden in Ländergruppen unterteilt und erarbeiten in zehn Tagen den Entwurf einer Resolution der UN-Generalversammlung. Sie lernen dabei zu diskutieren, zu verhandeln; sie befassen sich mit den unterschiedlichen inhaltlichen Positionen und üben sich in Strategie- und Verhandlungstaktiken. Angeregt durch die Vorträge und Workshops der Dozierenden aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen erfuhren sie in diesem Jahr zudem viel über die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf Wirtschaft, Recht, Gesellschaft und Umwelt. Nicht zuletzt verbesserten die Studierenden dabei ihre interkulturelle Kompetenz.

In Erinnerung bleiben werden ihm vor allem die Menschen, die er in Japan getroffen hat, sagt Viadrina-Student Hristo Kolev: „Es ist unglaublich, dass mir vorher komplett Unbekannte nach weniger als zwei Wochen zu Freunden geworden sind!“ Er habe Studierende aus vielen verschiedenen Ländern, Kulturen und unterschiedlichen sozialen Verhältnissen getroffen. „Aber man hat gemerkt: Wir sind in erster Linie Menschen, unterscheiden uns gar nicht so sehr voneinander. Das war für mich die schönste Erkenntnis!“

Neben dem UN-Planspiel hatten die Studierenden auch Zeit, Kontakte zu knüpfen und das Gastgeberland kennenzulernen. - Fotos: Hristo Kolev


Im Gespräch mit einer Überlebenden

Ein wichtiger Teil der Sommerschule ist das kulturelle Rahmenprogramm, das im Zeichen des Gedenkens steht. Der Besuch des Hiroshima Peace Memorial Museums stand auf der Agenda sowie ein Gespräch mit der Regisseurin des Films „08:15:  From Father To Daughter”. Der Film thematisiert die Lebensgeschichte des Vaters der Regisseurin, der als Kind den Atombomben-Abwurf miterleben musste. Wegen der strengen Corona-Auflagen war es den Studierenden in diesem Jahr leider nicht möglich, an der offiziellen staatlichen Friedens-Zeremonie anlässlich des Gedenktages teilzunehmen. Bei der Laternenzeremonie am Motoyasu-Fluss konnten sie aber am Abend gemeinsam mit vielen Menschen  Laternen entzünden und dem Fluss zum Gedenken an die Opfer übergeben und um eine Botschaft des Friedens an die Welt zu senden.

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Emotional berührend seien für sie vor allem der Vortrag und die Begegnung mit Keiko Ogura gewesen, einer Überlebenden der Atombombe von 1945, erzählt Carmen Thiele: „Wenn man aus erster Hand erfährt, welche Folgen dieser Atombomben-Abwurf hatte, wenn man sieht, welch riesiges menschliches Leid über Menschen gebracht wurde, ist das unbeschreiblich.“  Und mit Blick auf den Krieg in der Ukraine fügt sie hinzu: „Die Erfahrung in Japan zeigt, dass Konflikte mit friedlichen Mitteln, nicht mit Waffengewalt gelöst werden sollten, um eine dauerhafte friedliche Lösung zwischen Staaten und auch zwischen Völkern anzustreben.“

Ihr Fazit der Sommerschule: „Auf inhaltlicher Ebene haben wir festgestellt, wo wir beim Thema ,Automatische Waffensysteme‘ stehen, dass die technologische Entwicklung der juristischen Regelung weit voraus ist. Auf völkerrechtlicher Ebene besteht da Nachholbedarf. Wichtiger noch ist jedoch die Begegnung zwischen den Studierenden und Dozierenden der teilnehmenden Partner-Unis. Das ist eine Besonderheit, die lange nachhallen wird. Würde man diesen guten, respektvollen Austausch auf Staatenvertreter projizieren, wäre die Welt eine bessere!“

(YM)

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