Keks versus Paprika – Kurzzeit-Studium in der Kinder-Uni findet Anklang bei den jungen Studierenden

Handwerk ist das Begreifen mit den Händen, Ameisen haben die Weltherrschaft übernommen, eine DFB-Sammelkarte von Ilkay Gündoğan ist mehr wert als die von Manuel Neuer und Recht hat der, der die besseren Argumente hat: Die vier Kinderuni-Vorlesungen mit jeweils fast 200 Anmeldungen waren nach zwei Jahren Corona-Pause gut besuchte Viadrina-Veranstaltungen im März 2023. Von praktisch orientierten Lehr-Ansätzen bis hin zu rechtsphilosophischen Debatten war für jedes Kind etwas dabei.

Zwei Kinder, zwei Kekse. Was wäre gerecht? Jedes Kind ein Keks, fertig. So einfach, so gerecht – oder? Viadrina-Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Christian Becker vermittelt in seiner Kinderuni-Vorlesung anschaulich und kindgerecht das, womit sich manche der jungen Teilnehmenden in ein paar Jahren in abstrakten Aufsätzen und umfangreichen Hausarbeiten auseinandersetzen müssen. „Erwachsene stellen sich gerne selbst eine Frage, um sie dann auch selbst zu beantworten – so wollen sie zeigen, wie schlau sie sind“, offenbart Christian Becker ein Geheimnis der Erwachsenenwelt. Dass die Antworten auf eine These sehr unterschiedlich ausfallen können, bemerken die Kinder selbst recht schnell. Wenn sich zum Beispiel zu den zwei Keksen zwei Paprika gesellen, ein Kind aber absolut kein Gemüse mag, das andere aber schon – welche Verteilung wäre dann gerecht?

Der Professor lässt beständig mit Handzeichen abstimmen. Und je mehr Faktoren dazu gezählt werden, desto weniger eindeutig fällt das Urteil im Vorlesungssaal aus. Das eine Kind hat sein Zimmer aufgeräumt und verdient daher mehr Kekse? Das andere Kind hat aber eine 1 in einer Klassenarbeit bekommen, wäre das nicht genauso zu belohnen? Becker fordert seine kleinen Studierenden heraus, verwickelt sie gar in rechtsphilosophische Ansichten und Diskussionen. „Gerechtigkeit ist keine Mathematik, es ist nicht so einfach wie bei zwei plus zwei“, resümiert Becker. Ein Junge etwa gibt zu bedenken: „Als Schüler müssen wir alle Fächer lernen, Lehrer nur zwei bis drei“, beschwert er sich über seine persönlich empfundene Ungerechtigkeit in der Schule. „Ja, und sie werden dafür bezahlt, in die Schule zu gehen und wir nicht“, bestärkt ihn ein anderer. Letztlich müsse jemand entscheiden, was gemacht werden solle – so komme man voran, erklärt der Professor. Ob das nun die Eltern, Erzieherinnen oder Richterinnen sind, hänge vom Fall ab. Leicht und abschließend geklärt werden die Angelegenheiten aber selten.

Über manchmal gewagte Entscheidungen berichtet auch Volkswirt Prof. Dr. Albrecht Söllner in seiner Kinderuni-Vorlesung zum Wert von Dingen. Ist die Sammelkarte vom FC-Bayern-München-Torwart Manuel Neuer mehr wert als etwa die von Ilkay Gündoğan, Fußballer bei Manchester City? „Kommt darauf an“, schränkt Söllner seine sehr aktive Zuhörerschaft gleich in die Schranken. Es entbrennt im Hörsaal eine Diskussion zwischen den zwei Lagern, sodass sich der Professor erst einmal wieder Gehör verschaffen muss. „Von Neuer habe ich fünf Karten, mir fehlt im Sammelalbum nur noch die von Gündoğan. Die Gündoğan-Karte ist für mich also mehr wert“, stellt er fest. Es sei also auch immer eine Frage der Knappheit, was wertvoller erscheint.

Nicht selten aber überaus wertvoll ist das Engagement des Ameisen-Spezialisten Roland Boljahn, der mittlerweile seine sechste, weil überaus beliebte Vorlesung in der Kinderuni zum Thema der Insekten-Weltherrschaft gegeben hat. Boljahn hatte zwei Jahrzehnte die „Waldschule am Rogge-Busch“ beim Landesbetrieb Forst Brandenburg aufgebaut und geleitet und versteht es, spannend und zugleich informativ vor Kindern aufzutreten.

Ganz praktisch war in diesem Jahr die erste Vorlesung mit Handwerksobermeister Sven van Dyk von der Malerinnung Oderland. Er zeigte, was man mit einer dreijährigen Ausbildung in den verschiedensten Berufen alles anfangen kann, zum Beispiel, danach studieren.

Alles in allem war es eine gelungene Reihe von Kinderuni-Vorlesungen, findet Anke Prahtel, die jedes Jahr mit ihrem Kinderuni-Team die Veranstaltung gemeinsam mit der Viadrina, dem Mensa-Team sowie den Referentinnen und Referenten vorbereitet. „Neu war für mich, dass das Angebot offensichtlich von vielen Uni-Beschäftigten aus dem wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Bereich angenommen wurde“, berichtet sie. Einige der Kinder und ihre Eltern nahmen auch längere Wege in Kauf, um an der Viadrina ihr „Kurzzeit-Studium“ zu absolvieren. Neun reisten aus Berlin an, zwei Kinder kamen aus Potsdam und eines war sogar aus Hamburg da. „Im September 2023 treffen wir uns dann wieder, um Themen für das nächste Jahr zu diskutieren und die Akquise von Referenten abzustimmen“, gibt Anke Prahtel einen Ausblick. Die Ideen für die Vorlesungen kommen von den Kindern und den sich bewerbenden Referentinnen und Referenten. Und diese Liste ist lang, sodass für 2024 sicher wieder sehr unterhaltsame Themen auf der Kinderuni-Agenda stehen werden.

 

Text: Heike Stralau
Fotos: Heide Fest

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