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Die ersten Worte, die Jarosław Kurski als kleiner Junge in Danzig (Gdańsk) versucht hat zu lesen, klangen komisch und fremd. „Kalt“, „warm“ und „Briefe“. Ganz langsam sei ihm bewusstgeworden, dass er in einer Stadt lebt, in der der Geist des Ortes und der Geist der Einwohnerinnen und -einwohner nicht übereinstimmen. Kurski gehört zur ersten Nachkriegsgeneration, die in Gdańsk geboren wurde, für seine Mutter blieb die Stadt ein Ort der Vertreibung. Dieser Nachkriegszustand brachte ihn schon früh dazu, zu recherchieren und nach den Verschwundenen zu suchen.
Erst mit 27 Jahren hat er erfahren, dass seine Mutter Halbjüdin ist – ihr ganzes Leben lang hatte sie sich als „echte Polin“ verstanden und ihre jüdische Herkunft versteckt. Kurski beschloss, auf Spurensuche zu gehen und nach seinen Familienmitgliedern zu recherchieren. Dabei entdeckte er auch namhafte Persönlichkeiten wie Lewis Bernstein Namier (Ludwik Bernstein Niemirowski), der während der Pariser Friedenskonferenz 1919 Mitglied der britischen Delegation als Zuständiger für polnische Angelegenheiten und damit auch für die Festlegung der östlichen polnischen Grenze war. Das machte ihn zum Gegner von Roman Dmowski und zum Feind polnischer Nationalisten und Antisemiten.
Jarosław Kurski musste seiner Mutter versprechen, dass das Buch mit den Ergebnissen dieser Recherchen erst nach ihrem Tod herausgegeben wird. Für ihn selbst war es keine Option, die eigene jüdische Identität wie seine Mutter zu verheimlichen. Die Arbeit an dem Buch wurde für ihn eine Art Therapie, oder Befreiung. Die Suche nach der Wahrheit sei nicht einfach gewesen, erzählte er ehrlich im Collegium Polonicum. Der komplizierte Weg habe ihn oft zur Verzweiflung geführt.
Am Ende seiner Reise ist nicht nur ein wichtiges Buch entstanden, das zum besseren Verständnis der komplexen polnisch-jüdischen Geschichte beiträgt. „Die Schicksale meiner Figuren bilden die Geschichte der Menschen des 20. Jahrhunderts in diesem Teil Europas ab. Durch die Vielfalt an Persönlichkeiten und Schicksalen erzählen sie die Geschichte aus vielen unterschiedlichen Perspektiven.“ Für den Autor war das Ergebnis auch eine persönliche Entdeckung. „Jetzt weiß ich, wer ich bin. Ich bin mir nun der gesamten Komplexität meiner Herkunft bewusst. Man könnte sagen, ich bin ein Pole, der sich nicht schämt, über seine jüdischen Wurzeln zu sprechen“, so Kurski. „Polentum sei von Natur aus hybrid. Wir sind alle aus unterschiedlichem Holz geschnitzt: litauischem, belarussischem, ukrainischem, deutschem.“
Viadrina-Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Annette Werberger hatte in ihrer Einführung die literarische und symbolische Bedeutung des Buchtitels „Ahnen und Dibbukim“ erklärt: Der Titel verbindet zwei wichtige Klassiker der polnischen und jiddischen Literatur „Dziady” von Adam Mickiewicz und „Der Dibbuk“ von Salomon An-ski. „Dank ihr habe ich erfahren, was für einen schlauen Titel ich für mein Buch gewählt habe“, sagte der Autor lachend. Im Anschluss an das offene Gespräch nahm sich Kurski Zeit für Fragen aus dem Publikum und eine Signierstunde.
Das Gespräch fand in Zusammenarbeit mit dem DFG-Sonderforschungsbereich 1512 „Intervenierende Künste“ und dem BMBF-Projekt „European Times“ statt.
Text und Fotos: Agnieszka Lindner
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