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Eine „Herzensidee“ sei Europa als Friedensprojekt für sie, stellte Gallner gleich zu Beginn klar. Und das insbesondere in Zeiten multipler Krisen, wie großer Flüchtlingsbewegungen, der ausklingenden Pandemie, zunehmender Inflation und steigender Armut, angesichts derer „der Ruf nach dem starken Mann“ wieder lauter werde. „Auch im Friedensprojekt Europäische Union sind wir nicht vor autoritären Einflüssen gefeit, die wir insgesamt in der Weltgemeinschaft feststellen müssen.“
Das, was aktuell weltweit passiere, übersteige ihre Vorstellungskraft: „Ich konnte mir den Brexit nicht vorstellen, Trump nicht vorstellen, einen Krieg in der Ukraine nicht vorstellen, und auch nicht den terroristischen Angriff der Hamas auf Israel.“ Angesichts dieser Entwicklungen sei klar: „Wir befinden uns in einem Systemkampf zwischen liberalen Demokratien und Rechtsstaaten einerseits gegen autoritäre Regime andererseits.“
Umso wichtiger sei es, dass „so viele Menschen gemeinsam für demokratische Werte auf die Straße gehen, wie wir es grade erleben“, sagte sie mit Blick auf die Demonstrationen im ganzen Land gegen Rechtsextremismus. Ebenso wichtig sei aber auch die Besinnung auf die Kernidee, die DNA der Europäischen Union: den Frieden. Denn der Frieden sei, so argumentierte die Juristin, seit den Anfängen der europäischen Einigung grundlegend und zentral für alle Einigungsbemühungen und ziehe sich wie ein roter Faden durch alle rechtlichen Akte.
Stellvertretend für die „vielen Menschen, die sich nach dem Krieg für die Aussöhnung in Europa engagiert haben“, erinnerte sie an den 1886 im unterprivilegierten Clausen (heute Stadtteil von Luxemburg) geborenen Robert Schuman und den 1888 im bürgerlich-unternehmerischen Umfeld im französischen Cognac geborenen Jean Monnet. Was beide einte: Die Idee einer europäischen Einigung als Friedens- und Werteunion, für die sie eintraten, auch wenn die Zeit dafür noch nicht reif war: „Zu Beginn war Wirtschaft der kleinste gemeinsame Nenner. Mehr war politisch nicht drin; Schuman und Monnet verloren aber das Ziel des Friedens in Europa und einer vertieften Integration nie aus den Augen.“ Schuman wurde 1958 erster Präsident des neu geschaffenen Europäischen Parlaments; Jean Monnet war von 1952 bis 1955 erster Präsident der „Hohen Behörde“ der Montanunion und damit erster Präsident der Vorgängerin der Europäischen Kommission.
Bis heute ziehe sich das Ziel des Friedens durch alle Verträge der Europäischen Union: Angefangen vom Montanvertrag über die Römischen Verträge, Maastricht und Nizza bis zum Vertrag von Lissabon – alle eine ein in den Präambeln festgeschriebener Wille zu einem immer engeren Zusammenschluss und das klare Bekenntnis zu Frieden.
In diesem Sinne dürfe Europa heute nicht zur „Trutzburg“ werden, mahnte Gallner: „Menschenrechte enden nicht an den Grenzen der Europäischen Union. Abschottung hilft nicht.“ Gleichzeitig führe der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine vor Augen, „dass Frieden und Europa nicht selbstverständlich sind, sondern verteidigt werden müssen – auch unter Einsatz von Waffen“. Es sei gut und notwendig, dass die „freie Welt sich wehrt und sich jetzt des Wertes des Friedensprojektes Europa erinnert“, so Gallner.
Angesichts der geopolitischen Lage seien die europäischen Gesellschaften auf vertiefte europäische Integration und internationale Zusammenarbeit angewiesen. „Multilateraler Zusammenhalt tut Not, Europa tut Not!“, so der abschließende leidenschaftliche Appell von Inken Gallner.
Text: Michaela Grün
Foto: Heide Fest
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