„Immer noch eine terra incognita“ – Zum Interesse am Ukrainisch lernen in Kriegszeiten
Dr. Olesia Lazarenko leitet das Lektorat für Ukrainisch an der Viadrina. Im Interview spricht sie darüber, welche Auswirkungen der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine darauf hat, wer bei ihr aus welchen Gründen Ukrainisch lernt. 2016 war das Lektorat in enger Anbindung an die Professur „Entangled History of Ukraine“ entstanden und wurde 2022 verstetigt; beide Einrichtungen sind seitdem wichtige Orte der Ukraine-Studien an der Viadrina.
Frau Lazarenko, was änderte sich für das Ukrainisch-Lektorat und Ihre Arbeit als Lektorin durch die umfassende Invasion Russlands in die Ukraine am 24.2.2022?
Die offensichtlichste Auswirkung des Krieges in der Ukraine besteht in dem Angebot von Intensivkursen für Jedermann, vor allem für die Einwohnerinnen und Einwohner von Frankfurt (Oder). Damals gab es eine sehr aktive Freiwilligenbewegung; es gab einen Bedarf, mit den vielen geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern zu kommunizieren, zumindest auf der grundlegenden Ebene der Begrüßung und der Bitte um Hilfe und Unterstützung. Ein solcher Kurs findet nun zweimal jährlich in den Semesterferien statt.*
Wie hat sich das Interesse am Ukrainisch lernen entwickelt?
Es ist schwer zu sagen, ob die Zahl der Studierenden, die Ukrainisch lernen wollen, seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine zugenommen hat. Die Größe einer Gruppe, unabhängig von ihrem Sprachniveau, hängt von vielen Faktoren ab: Einige kamen im Rahmen eines Erasmus-Programms, andere entschieden sich, eine Bachelor- oder Masterarbeit über die deutsch-ukrainischen Beziehungen zu schreiben, einige begannen in ukrainischen Projekten oder Initiativen zu arbeiten, wieder andere entschieden sich, für eine Freiwilligenorganisation zu arbeiten.
Ein wichtiges Prinzip des Ukrainisch-Lektorates an der Viadrina ist, dass jedes Semester ein A1-Kurs für Anfängerinnen und Anfänger angeboten wird. Das ist vor allem auf das Interesse der Studierenden der Viadrina zurückzuführen, insbesondere derer, die die Geschichte Ost- und Mitteleuropas studieren. Für sie ist es eine gute Gelegenheit, durch das Erlernen der Sprache ein Land zu entdecken, das in Deutschland bis vor Kurzem kulturell und geopolitisch noch wenig bekannt war. Übrigens war die Viadrina wohl die erste Universität im Raum Berlin und Brandenburg, die sich dieser Tatsache bewusst wurde und aktiv Ukrainisch-Kurse am Sprachenzentrum der Viadrina anbot.
Haben sich die Gründe, warum ihre Studierenden die Sprache lernen wollen, geändert?
Traditionell wurde Ukrainisch vor allem von Studierenden gelernt, die im Rahmen des Erasmus-Programms an den Partneruniversitäten in Lwiw, Kyjiw und Charkiw in der Ukraine studieren wollten. Dazu mussten sie die ukrainische Sprache auf dem Niveau B2 beherrschen. Aufgrund des Krieges ist eine solche Reise derzeit nicht möglich, aber das Interesse am Studium ist ungebrochen und wurde in einigen Semestern sogar noch intensiver.
In erster Linie kommen sie mit fachlichen Interessen. Wenn Studierende beispielsweise die Geschichte der Ukraine studieren, müssen sie die Sprache beherrschen, um an die Primärquellen heranzukommen und diese lesen zu können.
Ein weiterer Grund ist das Interesse an der ukrainischen Kultur, dem Kino, der Kunst und der Architektur des Landes. In dieser Hinsicht ist die Ukraine sehr vielfältig und reich, aber leider immer noch eine terra incognita in Deutschland. Um den Bedürfnissen der Studierenden in dieser Hinsicht gerecht zu werden, organisiert das Ukrainisch-Lektorat eine Reihe von kulturellen Veranstaltungen wie Filmvorführungen, Museumsbesuche, Exkursionen zu ukrainischen Orten in Berlin, ukrainische Lyrikabende, Treffen mit ukrainischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern und natürlich Kurse zur ukrainischen Landeskunde.
Schließlich interessieren sich die Studierenden auch aus privaten Gründen für die ukrainische Sprache, weil sie Freunde in oder aus der Ukraine, ukrainische Nachbarn, manchmal auch eine ukrainische Herkunft oder Verwandte in der Ukraine haben.
Interview: Frauke Adesiyan
Foto: Heide Fest
Aktuelle Termine für Ukrainisch-Kurse:
Schnupperkurs Ukrainisch, Dienstag, 12. März, 10 Uhr bis 14 Uhr
Dieser Kurs richtet sich an alle, die einen Einblick in die ukrainische Sprache und Kultur suchen. Das Ziel des Kurses ist es, Grundkenntnisse des Ukrainischen in Aussprache, Wort und Schrift zu vermitteln. In diesem Kurs lernen die Teilnehmenden die Begrüßungs- und Abschiedsformeln, Kennenlernen, Vorstellung, die Zahlen, die Wochentage und Monate, Länder- und Sprachnamen auf Ukrainisch. Es werden folgende grammatikalische Schwerpunkte besprochen: die Personalpronomen, die Geschlechter der Substantive, Adjektive, Präsens und Präteritum des Verbs „sein“ sowie die wichtigen Vokal- und Konsonantenwechsel. In sprachpraktischen Übungen entdecken die Teilnehmenden gleichzeitig viele wichtige Informationen über Land und Kultur.
Anmeldung bis 10. März per E-Mail an: lazarenko@europa-uni.de
„Reise durch die Ukraine: Sprache und Kultur“ – Intensivkurs Ukrainisch, 19. März (Di), 21. März (Do), 26. März (Di) und 28. März (Do), jeweils 10 Uhr bis 14 Uhr
Der Kurs richtet sich an Teilnehmende mit Vorkenntnissen A2/B1. Ziel des Kurses ist es, die Sprachkenntnisse derjenigen zu verbessern, die Ukrainisch als Fremdsprache lernen oder bereits gelernt haben, und Informationen über die Geschichte einiger ukrainischer Städte und die berühmtesten Kulturstätten der Ukraine zu vermitteln, die in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurden.
Anmeldung bis 17. März per E-Mail an: lazarenko@europa-uni.de