Digitale Kartierung von palästinensischem Kulturerbe – Stipendiatin Raffaella De Marco forscht in Frankfurt (Oder), Jerusalem und Pavia

Dr. Raffaella De Marco forscht seit Oktober 2022 als Marie Skłodowska-Curie-Postdoc-Stipendiatin unter anderem an der Viadrina. Die hochdotierte Förderung durch die Europäische Kommission ermöglicht der 30-jährigen Architektin aus Italien Studien zur Kartierung und Erhaltung palästinensischen Kulturerbes. Wie sie Aspekte aus Architektur, Wirtschaft, Gesellschaft und digitale Werkzeuge zusammenbringen will, erläutert Dr. Raffaella De Marco im Interview.

Womit haben Sie sich in Ihrer bisherigen wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt?

Ich habe Bauingenieurwesen und Architektur an der Universität von Pavia in Norditalien studiert und hatte schon immer eine große Leidenschaft für Kunst, Zeichnen, Architektur, Reisen und die Entdeckung neuer kultureller Realitäten. Dank des digitalen Fortschritts entwickelt sich das Zeichnen immer mehr von einer ‚Wissenschaft der Darstellung‘ zu einer info-grafischen Methode für die Analyse von Wissen – nicht nur in der Architektur und im Ingenieurwesen, sondern auch in der sozialwissenschaftlichen Erforschung kulturellen Erbes. Im Rahmen meiner Promotion hatte ich die Gelegenheit zu untersuchen, wie 2D-Zeichnungen und 3D-„realitätsbasierte“ Modelle für die Darstellung von Kulturerbe nutzbar gemacht werden können. Mich interessiert, wie logische und technische Verbindungen zwischen visuellen Daten und Informationen hergestellt werden können; für die Praxis bedeutet dies zum Beispiel, mit kulturellem Erbe in Form digitaler Repliken arbeiten zu können.

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Stipendiatin Dr. Raffaella De Marco im Forschungsgebiet in Palästina


Womit beschäftigen Sie sich im Rahmen Ihres Marie Skłodowska-Curie-Projektes?

Im Rahmen des im Oktober 2022 begonnenen Marie Skłodowska-Curie-Postdoc-Projektes „MOEBHIOS“ (Multi-attribute values' OntologiEs to improve Built Heritage InformatiOn assessment in cluStered territories) untersuche ich das architektonische Kulturerbe von Palästina im Nahen Osten. Das Programm ist eine der höchstdotierten Fördermöglichkeiten für junge Postdoktoranden in Europa. Es ermöglicht mir Forschungsaufenthalte an der Al-Quds-University in Jerusalem sowie an der Europa-Universität Viadrina und an der Universität Pavia. Mein Ziel ist es, für das architektonische Erbe zwischen Bethlehem und Hebron ein digitales Kartierungsprotokoll zu erstellen, das architektonische, archäologische, soziale und wirtschaftliche Parameter palästinensischer Stätten umfasst. Mit einer Gesamtfördersumme von rund 277.500 Euro kann ich im Zeitraum von drei Jahren interdisziplinäre Ansätze für die Wertsicherung, Digitalisierung und Geokartierung des kulturellen Erbes erproben.

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Beim Auftakttreffen im Dezember 2022 in Jerusalem: Das Projektteam mit Prof. Yara Saifi (Al-Quds Universität), PD Dr. Izabella Parowicz (Viadrina), Prof. Sandro Parrinello, Dr. Raffaella De Marco, Prof. Francesca Picchio and Prof. Massimiliano Savorra (Universität Pavia) (v.l.n.r.)


Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihr Projekt teilweise an der Europa-Universität Viadrina durchzuführen?

Mein erster Kontakt mit der Europa-Universität Viadrina war im Jahr 2019: Damals erhielt ich ein Stipendium im „Viadrina International Program for Graduates (VIP)“. Dieses Stipendium des DAAD war eine einmalige Gelegenheit, Ansätze der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften mit meiner Architekturausbildung zu verbinden. Bereits seit 2015 hatte ich an Forschungsexkursionen zu architektonischen Stätten in Palästina teilgenommen, die mir zeigten, wie wichtig es für den Schutz und die Aufwertung des lokalen Kulturerbes ist, multidisziplinäre Dokumentationswerkzeuge zu entwickeln und dabei Architektur, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur für den Schutz und die Aufwertung des lokalen Kulturerbes zu verbinden. Die palästinensischen Gebiete sind ein Paradebeispiel für den Typus sogenannter „geclusterter Gebiete“, also von Kulturstätten, die von vielfältigen historischen und kulturellen Einflüssen, von multiplen lokalen Identitäten und Erinnerungen geprägt sind und daher eine unvorhersehbare Dynamik bei Fragen der Erhaltung des materiellen Kulturerbes aufweisen – eine Konstellation, die in ähnlicher Weise in zahlreichen Kontexten auch in Europa zu finden ist, z. B. in Zypern, Georgien und der Ukraine.

Sie arbeiten an der Viadrina vor allem mit PD Dr. Izabella Parowicz von der Professur für Denkmalkunde zusammen. Was erhoffen Sie sich von dieser Zusammenarbeit?

Ich freue mich sehr über die großartige Unterstützung und das Engagement von Izabella Parowicz bei dieser großen interdisziplinären Forschungsherausforderung. Izabella Parowicz'  frühere Erfahrung als zweifache Gewinnerin des Marie Skłodowska-Curie-Postdoktorandenprogrammes ist für mich ein Leitfaden für die Förderung und kreative Entwicklung der eigenen Forschung und ein sehr enger Bezugspunkt für die Ausgewogenheit der Geschlechter und die Führungsrolle von Frauen in der Kulturerbeforschung.

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