„Wenn es die European New School nicht schon gäbe, müsste man sie gründen“ – Staatssekretär Dünow informierte sich über KI-Forschung an der Viadrina

Am 20. Januar 2023 drehte sich im Coworking Space der European New School of Digital Studies alles um Forschung und Lehre zu Künstlicher Intelligenz (KI) an der Viadrina: Forschende und Studierende sprachen mit Tobias Dünow, Staatssekretär für Wissenschaft, Forschung und Kultur, über aktuelle Projekte. Dabei ging es auch um ChatGPT und Fragen rund um komplexe Wechselwirkungen zwischen Mensch und Maschine.

Prof. Dr. Jan-Hendrik Passoth stellte zunächst einzelne Aktivitäten der European New School of Digital Studies (ENS) vor, ein Ort, aber nicht der einzige Ort von Lehre und Forschung zu Künstlicher Intelligenz an der Viadrina: „Als sozialwissenschaftliche Institution behandeln wir an der ENS Forschungsfragen aus dem Bereich ,Verantwortungsvolle KI‘, also Fragen, die Risiken von KI oder rechtliche und ethische Standards betreffen. Aber auch im Bereich ,Anwendungsbezogene KI‘, also bei der Entwicklung von KI-Systemen, sind wir beteiligt.“

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So untersuche etwa das Projekt „ASSISTANT – leArning and robuSt deciSIon SupporT systems for agile mANufacTuring environments” die Architektur komplexer KI-Systeme in der Industrie. „Hier geht es um Fragen, wie etwa Turbinenanlagen oder Shopfloor-Systeme für Beschäftigte unter arbeitsrechtlichen oder Arbeitsschutz-Gesichtspunkten optimal gestaltet werden könnten. An der ENS gewonnene Erkenntnisse fließen in die Programmierung von KI für Industrieanlagen ein“, erläuterte Passoth. Auch das Projekt „Dataskop“ ziele auf ethisch-moralische Fragen von KI. „Wie können KI-Logiken von Online-Plattformen erforscht werden, zu deren Daten wir keinen Zugang haben“, nannte Passoth eine der Forschungsfragen. In der ersten Etappe des Projektes wurde den Algorithmen von YouTube mit Hilfe von Daten auf den Grund gegangen, die Nutzerinnen und Nutzer für die Forschung gespendet hatten.

Tobias Dünow kommentierte, dass diese beiden Projekte mitten in die aktuelle Debatte rund um die Absicherung von ethisch-moralischen und rechtlichen Standards und die Transparenz von Daten in KI-Systemen träfen. „Mir scheint, KI ist heute so komplex, dass Transparenz immer schwerer herzustellen ist“, so der Staatssekretär. Genau das sei der Grund, warum man den Entstehungsprozess von komplexen KI-Systemen in den Blick nehmen müsse, so Dr. Sassan Gholiagha, der das Projekt SKILL vorstellte: „Ziel unseres sozialwissenschaftlichen KI-Labs für forschendes Lernen ist es, Strukturen von Argumenten in wissenschaftlichen Texten und politischen Reden zu erkennen, zu analysieren und zu visualisieren, um auf Grundlage dieses Wissens KI zu programmieren.“ Dünow warf daraufhin ein: „Mit anderen Worten, Sie entwickeln einen Goldstandard für KI-Entwicklung und Maschinentraining.“

Dass dieses Mensch-Maschine-Verhältnis kein eindimensionales ist, wurde bei der Skizzierung des Forschungsbereiches von Viadrina-Linguistin Prof. Dr. Britta Schneider deutlich: „Uns interessiert, wie KI und digitale Kommunikation Sprachkulturen verändern, wie sie die Vorstellung davon, was Sprache ist, und wie sie zu sein hat, prägen, und auch, welche Sprachvorstellungen die Entwickler von KI-Systemen haben und wie dies wiederum die Systeme selbst prägt.“

Franziska Liebetanz vom Zentrum für Lehre und Lernen (ZLL) an der Viadrina ging schließlich auf den Umgang mit dem derzeit heiß diskutierten Chatbot ChatGPT in der Lehre an der Viadrina ein. Dünow hatte zunächst eingeworfen, auf KI-Basis generierte Texte seien häufig sehr gut strukturiert und klar argumentiert. Liebetanz wandte ein, man könne und dürfe sich hier nicht verschließen, müsse und wolle diese Software einbinden. „Für mich als Schreibdidaktikerin ist aber der Weg zum Text entscheidend; dazu gehören das Recherchieren, Abwägen, Argumentieren und die damit verbundene Kompetenzentwicklung. Das Produkt am Ende ist doch eigentlich egal.“ Viadrina-Präsidentin Prof. Dr. Eva Kocher stellte fest: „Wir an der Uni nehmen den Text – das Produkt –, um Kompetenzen abzuprüfen. Wenn Texte jetzt KI-gestützt anders entstehen können, geht das nicht mehr.“ Und Studentin Charlotte Mende wandte ein:, KI könne zwar „ein Argument machen, nicht aber mein Argument machen“.

Müsse KI vor diesem Hintergrund eher kritisch beurteilt werden?, fragte Dünow in den Raum. Ihn störten in der öffentlichen Debatte zuweilen kulturpessimistische Untertöne. „Kulturpessimisten sind hier nicht am Tisch, eher Forschende und Studierende, die sehen, in was für einer spannenden Experimentalsituation wir uns befinden“, so Passoth.

„Die Debatten, die Sie führen, haben einen enormen Resonanzboden, auch in der breiteren Öffentlichkeit“, so Dünow. Er habe durch seinen Besuch viel besser verstanden, was an der ENS geforscht wird. Und kommentierte seinen Besuch auf Twitter mit den Worten: „Wenn es die European New School nicht schon längst gäbe, müsste man sie schleunigst gründen.“  

(MG)

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