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Frau Steinkamp, Sie haben mit 24 Unternehmerinnen und Unternehmern in Polen und Ostdeutschland qualitative Interviews durchgeführt. Wofür interessieren Sie sich?
Mich interessieren Erfolgsgeschichten. Ich befrage Unternehmerinnen und Unternehmer, die bis zum 18. Lebensjahr im Sozialismus aufgewachsen sind, nach 1990 ein innovatives Unternehmen aufgebaut haben und bis jetzt unternehmerisch aktiv sind. Das Ziel der Forschung ist es, zu schauen, inwieweit das Erbe des Sozialismus in der unternehmerischen Tätigkeit bis jetzt verankert ist – in positiver und negativer Sicht. Im Sozialismus war es nicht üblich, unternehmerisch tätig zu sein. Das Unternehmertum wurde größtenteils unterdrückt, man konnte sich kaum unternehmerisch entfalten. Interessant ist es zu prüfen, warum gerade polnische Unternehmerinnen und Unternehmer in den 1990er-Jahren große Firmen mit über 1.000 Mitarbeitenden aufgebaut haben, während wir in Ostdeutschland nur sehr wenige solch großer Unternehmen haben.
Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich aus dem Vergleich von Ostdeutschland und Polen?
Es gibt eine große Diskrepanz in der unternehmerischen Tätigkeit zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland. Um festzustellen, woher diese Diskrepanz kommt, lohnt ein Vergleich mit anderen Ländern. Polen und Ostdeutschland unterscheiden sich trotz der geteilten sozialistischen Vergangenheit geschichtlich sehr stark. In Polen hatte man viele Freiheiten, konnte z. B. ins Ausland fahren. Das war in Ostdeutschland nicht ohne weiteres möglich, dafür gab es hier aber Westdeutschland als Nachbarn. Wir schauen in unserer Forschung auch länderübergreifend nach den unternehmerischen Dispositionen in der Familie, also ob die Eltern, Großeltern und Urgroßeltern unternehmerisch tätig waren und welche Berufe sie ausgeübt haben.
Wie wichtig ist die Prägung durch die Eltern oder Großeltern?
Viele unternehmerische Handlungsorientierungen sind über Generationen weitergegeben worden. Auch wenn die Eltern keine Unternehmer waren – das war sowohl in der DDR als auch in Polen zumeist der Fall – kommt diese Tätigkeit in der Großeltern-Generation häufig vor. Bei der Mehrheit der Befragten ist eine unternehmerische Vorgeschichte vorhanden, auch wenn sie unternehmerisches Handeln nur selten selbst miterlebt haben.
Welche Aspekte sind neben dieser Prägung in ihren Interviews auffällig?
Das waren unter anderem die Berichte darüber, wie sich die unternehmerische Tätigkeit entfaltet. Ein polnischer Unternehmer beispielsweise, der bis heute mehrere Kliniken aufgebaut hat, war schon in den 1980er-Jahren oft im Ausland, um Geschäfte zu tätigen. Er hat Teppiche verkauft, Stoffe gekauft, mit dem gewonnenen Geld Gold in Russland gekauft und so schließlich das Kapital für die Firmengründung in den 1990er-Jahren verdient. Ein anderer, der heutzutage über 7.000 Beschäftigte hat und gar keine unternehmerischen Vorfahren hatte, hat schon als Gymnasiast im Ausland gehandelt und beispielsweise Waren, die er in der Türkei gekauft hat, an seine Lehrerinnen und Lehrer verkauft. Interessant ist hier für mich, wie die Unternehmer zu Wissen, zu Kontakten und zu Kapital gekommen sind, um hierbei zu ergründen, welche Rolle Auslandskontakte für den späteren Erfolg spielten.
Ist das der entscheidende Unterschied zwischen Polen und Ostdeutschland: die Möglichkeit für Westkontakte schon zu sozialistischen Zeiten?
Durch die Öffnung der Grenze hatte Polen einen riesigen Vorsprung. Die Unternehmerinnen und Unternehmer in Ostdeutschland suchten nach 1990 genau die Kontakte, die die polnischen Firmen schon hatten. Für die DDR-Bürgerinnen und -Bürger mit unternehmerischen Ambitionen war dieser Bereich ein oftmals verlorenes Terrain.
Wie erinnern sich Ihre Gesprächspartnerinnen und -partner an die Transformation, war sie prägend für die Erfolgsgeschichten?
Die Unternehmerinnen und Unternehmer sind Zeitzeugen der Transformation. Mir geht es nicht darum, die Biografie einzelner Menschen nachzuerzählen, sondern um die Frage, welche Wirkung der Systemwechsel auf das Unternehmertum hatte. Alle befragten polnischen Unternehmer sehen die Transformation als wichtigen und positiven Baustein. Sie waren im richtigen Alter, die meisten hatten Hochschulabschlüsse und entsprechende Kontakte. Für sie war die Wende der richtige Zeitpunkt, um etwas aufzubauen. Bei den Ostdeutschen ist das differenzierter, oft war die Selbstständigkeit aus der Not heraus geboren und hing mit einem Jobverlust zusammen. Je größer die Unternehmen, desto positiver schauen die Befragten auf die Transformation zurück. Die, die aus der Not heraus gegründet haben, sind oft Kleinunternehmer geblieben.
Ihre Fragestellungen wirken teils regelrecht psychologisch.
Ja, es ist eine wirklich interdisziplinäre Arbeit. Man kann die Unternehmerinnen und Unternehmer nicht nur aus Zahlen heraus betrachten. Ich muss unterschiedliche Aspekte berücksichtigen, nicht nur psychologische; es ist auch eine Frage der Geschichte. Der Sozialismus hat das Unternehmertum zunächst zerstört, später aber auch wieder geweckt. Erst durch die vorherige Zerstörung war es Unternehmerinnen und Unternehmern, die Wissen und etwas Kapital hatten, möglich ein Unternehmen aufzubauen.
(FA)
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