„Das steht einem Rechtsstaat nicht gut zu Gesicht“ – Anwältin Dr. Kati Lang spricht über Rassismus im Migrationsrecht

Die Ringvorlesung „Rechtsextremismus und Justiz“ im Wintersemester 2022/23 ist am 31. Januar 2023 mit dem Vortrag „Rassismus im Migrationsrecht“ von Rechtsanwältin Dr. Kati Lang zu Ende gegangen. So endet die Reihe mit einem Rechtsgebiet, das „von Natur aus“ schon eine Ungleichbehandlung von Menschen vorsieht. Welche Auswüchse das hat, konnte Kati Lang an Beispielen aus ihrer Arbeit verdeutlichen.

 „Ich bin streng parteiisch an der Seite meiner Mandantinnen und Mandanten“, betont Dr. Kati Lang zu Beginn ihrer Gastvorlesung im Logensaal. Was sie damit meint: Der Doktortitel in ihrem Namen sei manchmal etwas irreführend, sie sei wenig wissenschaftlich unterwegs – auch wenn sie natürlich hin und wieder „etwas“ lese. „Ich bin Praktikerin“, sagt die Rechtsanwältin, die beispielsweise Tatopfer des rechtsextremistischen Anschlags auf eine Synagoge in Halle an der Saale vertreten hat.

20230131_181150

Dr. Kati Lang am Rednerpult im Logensaal. Foto: Heike Stralau


Im Raum folgen ihr – das hat eine kurze Abstimmung per Handzeichen ergeben – vorrangig Studierende der Rechtswissenschaften, weshalb wohl auch die Vorlesung von Kati Lang immer wieder Appelle an die nachfolgende Juristinnen- und Juristen-Generation enthält. „Machen Sie sich klar, welche Aufgabe Juristinnen und Juristen haben: Sie sollten sich daran orientieren, was das Recht, was der Gesetzgeber wollte.“ Das sei doch eigentlich, Menschen unabhängig von ihrer Herkunft gleich zu behandeln. Dem widerspreche beispielsweise von Grunde auf das Migrationsrecht. „Dabei gibt es die Perspektive WIR und die ANDEREN“, so Kati Lang. Das „Wir“ werde im Migrationsrecht immer mehr als das europäische Wir verstanden, was sich auch an den Fluchtauswirkungen nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gezeigt habe. „Menschen, die die ukrainische Staatsbürgerschaft besitzen, wurde ein relativ unbürokratischer Zugang zum Aufenthalt in Deutschland ermöglicht; Menschen aus Drittstaaten nicht.“ Bei gleichem Fluchtgrund (Krieg) erfolgt also in Deutschland und der Europäischen Union eine andere Behandlung der Geflüchteten, was zumeist afrikanische Studierende betraf und betrifft. Diese Differenzierung zeige, dass es auch anders gehe: sei es bei der Unterbringung oder bei der behördlichen Behandlung allgemein.

Kati Lang treibt besonders die Situation in Massenunterkünften wie Asylbewerberheimen um. „Es soll nicht schön sein“, vermutet sie. Der Rassismus zeige sich in besonders restriktiven Hausordnungen, die auch Besuchsverbote oder Zimmerkontrollen beinhalteten. „Dabei haben wir doch gelernt, dass das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung ein Grundrecht ist“, führt sie aus. Ähnlich verhalte es sich mit der Abschiebehaft. „Das ist Freiheitsentzug ohne Straftat oder dass eine Gefahr vom Abschiebehäftling ausgeht“, erklärt die Rechtsanwältin. Der Haftgrund basiere allein darauf, eine Abschiebung zuverlässig durchführen zu können. Dem Häftling stehe im Gegensatz zum Strafrecht nicht einmal ein Pflichtverteidiger oder eine Pflichtverteidigerin zu – „das steht doch einem Rechtsstaat nicht gut zu Gesicht“, resümiert sie. In der Anwendung der Abschiebehaft gibt es eklatante Unterschiede zwischen den Bundesländern. Im Jahr 2019 wurden in Berlin von 995 abzuschiebenden Personen 18 (1,8 Prozent) vor der Abschiebung inhaftiert. In Bayern waren es von 3545 Personen 42,1 Prozent. „Die Notwendigkeit von Abschiebehaft ist höchst umstritten.“

Kati Lang zeigt in ihrer Vorlesung weiteren strukturellen Rassismus in der Gesetzgebung und Rechtsprechung, bei behördlichen Entscheidungen und in der politischen Realität. Immerhin, so bemerkt sie schließlich, sei mit der neuen Bundesregierung eine leichte Entspannung im Umgang mit Ausländerinnen und Ausländern zu spüren.

Der Vortrag war der vorerst letzte der Ringvorlesung „Rechtsextremismus und Justiz“ an der Viadrina, die nicht nur in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit hohe Aufmerksamkeit genossen hat. Nahezu jede Vorlesung wurde für den Deutschlandfunk aufgezeichnet und wird in den nächsten Wochen ausgestrahlt. Der Veranstaltungspartner, die Organisation „Gesicht zeigen“, wird zudem ein Themenheft dazu veröffentlichen. Johanna Mayrhofer von den Kritischen Jurist*innen an der Viadrina zieht ihr Fazit für die Reihe: „Die juristische Dogmatik ist nicht so objektiv und neutral, wie wir denken, sondern von Rassismus und Vorurteilen gefärbt – was man reflektieren und hinterfragen muss, so wie es Dr. Doris Liebscher in ihrem Vortrag beschrieb.“ Weiterhin hoffe sie auch in Vertretung der Kritischen Jurist*innen, dass die Problematik stärker Eingang in die Lehre an der Viadrina nimmt – auch ohne Ringvorlesung.

 

(HST)

Kontakt

Abteilung für
Hochschulkommunikation
Tel +49 335 5534 4515
presse@europa-uni.de

Sitz:
Hauptgebäude
Räume 114-117, 102

Postanschrift:
Große Scharrnstraße 59
15230 Frankfurt (Oder)