„Es werden fast nur kleine Fische erwischt“ – Prof. Dr. Kilian Wegner über Geldwäsche und den Versuch der Bekämpfung auf europäischer Ebene

Ohne Geldwäsche ließe sich aus Straftaten nur schwer Profit ziehen. Steuerhinterziehung, Betrug, Menschenhandel oder Drogengeschäfte sind vor allem dann lukrativ, wenn schmutziges Geld unbehelligt „gewaschen“ werden kann. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Union einen Reformprozess zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung eingeleitet. Was dies für Deutschland bedeutet, und weshalb es sich lohnt, den Weg zu neuen EU-Gesetzen wissenschaftlich zu begleiten, erklärt Viadrina-Strafrechtler Prof. Dr. Kilian Wegner.

Herr Wegner, weshalb befassen Sie sich mit dem Thema Geldwäsche? Ist das in Deutschland tatsächlich ein so großes Problem?
Ja, das würde ich sagen. Früher wurde Deutschland oft sogar als „Geldwäscheparadies“ bezeichnet. Und obwohl in den letzten Jahren kleinere Fortschritte bei der Bekämpfung von Geldwäsche erzielt wurden, gibt es nach wie vor erhebliche Schwachstellen. Die Financial Action Task Force (FATF) hat dies in ihrem kürzlich erschienenen Deutschland-Bericht noch einmal minutiös aufgeführt und für viele Bereiche Reformen angemahnt. Aber auch bei der Forschung hapert es: Wir wissen tatsächlich nicht viel über das Ausmaß von Geldwäsche, obwohl es ein zentrales Kriminalitätsthema ist. Alle profitorientierten Straftaten von Steuerhinterziehung und Betrug über Menschenhandel oder Drogengeschäfte bis hin zu Rohstoffgewinnung durch Sklaverei und Schmuggeln bedrohter Tierarten wären ohne Geldwäsche weniger lukrativ.

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Wo liegen die Schwachstellen in unserem System?
Das ist eine lange Liste. Ein großes Problem ist die fehlende Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Geldwäsche durch die stark zersplitterten Behörden, die noch dazu personell unterbesetzt sind. Die Statistiken zeigen, dass bundesweit fast nur „kleinere Fische“ erwischt werden, etwa wenn Geldbeträge von 10.000 Euro über private Konten sogenannter „Finanzagenturen“ laufen. Komplexe kriminelle Strukturen werden meist nicht vom Staat, sondern – wenn überhaupt – über sogenannte Whistleblower, investigative Journalisten oder Nicht-Regierungs-Organisationen aufgedeckt. Dazu kommt, dass unsere Ermittlungsbehörden und die über 300 Aufsichtsbehörden bundesweit kaum digitalisiert und vernetzt sind, so dass notwendige Daten zur Geldwäschebekämpfung nur schlecht miteinander abgeglichen werden können.

Sie sagen, dass die Bekämpfung der Geldwäsche in Deutschland lange nur unzureichend verfolgt wurde. Was ändert sich jetzt?
Geldwäsche wird in Deutschland zwar schon seit den 1990er-Jahren bekämpft, allerdings nicht nachdrücklich genug. Spätestens seit dem russischen Krieg in der Ukraine hat das Thema jedoch eine erhebliche Aufwertung erfahren, weil Geldwäsche jetzt auch als Risiko für die innere und äußere Sicherheit wahrgenommen wird. Fälle von Sanktionsumgehungen durch Angehörige der Russischen Föderation haben deutlich gemacht, wie wehrlos Deutschland eigentlich ist.

Wie sieht es mit Geldwäsche und Terrorfinanzierung in anderen europäischen Staaten aus?
Grundsätzlich haben alle europäischen Staaten ein ernsthaftes Problem mit Geldwäsche. Manche sind bei der Aufstellung ihrer Behördenlandschaft weiter als Deutschland; hier kann man zum Beispiel Italien mit seiner „Guardia di Finanza“ nennen. Bei manchen Staaten muss man leider auch feststellen, dass sie so stark von Kriminellen als Finanzstandort genutzt werden, dass hinter der Toleranz der zuständigen Behörden eine bewusste volkswirtschaftliche Strategie zu vermuten ist. Das betrifft insbesondere Zypern und Malta. Aber auch das Vereinigte Königreich, Luxemburg, Liechtenstein und die Schweiz sind Staaten, die – aller gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz – auch heute noch in fast jedem aufgedeckten Fall komplexer Geldwäsche eine zentrale Rolle spielen.

Vor zwei Jahren hat die EU-Kommission ein umfangreiches Regulierungsvorhaben zur Geldwäschebekämpfung vorgestellt. Was bedeutet das und wann soll das konkret umgesetzt werden?
Herzstück des neuen europäischen Geldwäscherechts soll ein einheitliches und unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten geltendes Gesetz sein, das die nationalen Vorschriften zur Geldwäscheprävention weitgehend ersetzt. Darin werden vor allem die Präventionspflichten für Unternehmen geregelt, die bisher das deutsche Geldwäschegesetz bestimmt. Zu dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Reformpaket gehören außerdem eine Richtlinie, die den Mitgliedsstaaten Vorgaben für Mindeststandards für ihre behördliche Geldwäscheabwehrstruktur macht, und eine Verordnung, die die Geldwäscheprävention beim Transfer von Kryptowerten, zum Beispiel Bitcoin, regelt. Außerdem soll eine neue EU-Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung ins Leben gerufen werden.

Ihr Ziel ist es, dieses europäische Gesetzgebungsvorhaben wissenschaftlich zu begleiten. Wie kann man sich das vorstellen?
Unser Anliegen ist es, eine informierte Debatte zu ermöglichen. Alle beteiligten Akteure in Deutschland sollen verstehen, was genau in Planung ist. Deswegen führen wir Fachgespräche, halten Vorträge und erstellen Informationsmaterial zum laufenden EU-Gesetzgebungsverfahren. Betroffene Unternehmen müssen rechtzeitig wissen, was an neuen Regelungen auf sie zukommt.

Sie arbeiten auch mit deutschen Behörden zusammen. Wie gehen Sie hier vor?
Einmal im Jahr veranstalten wir einen Gesprächskreis „Geldwäschebekämpfung“. Es handelt sich um praktische Workshops mit Vertretern maßgeblicher Behörden: Landeskriminalämter, Staatsanwaltschaften, Aufsichtsbehörden, Zoll, Financial Intelligence Unit, Finanz- und Justizministerium. Sie sind schließlich diejenigen, die sich in ihrem Berufsalltag mit konkreten Geldwäschesachverhalten befassen. Es gibt auf allen Ebenen einen großen Willen zur Veränderung.

Was wünschen Sie sich mit Blick auf die Wirkung Ihrer Forschung für die Zukunft?
Ich hoffe, dass wir in Deutschland anlässlich des europäischen Reformprozesses bei der Bekämpfung der Geldwäsche deutlich vorankommen. Für unsere Sicherheit, unseren Rechtsstaat und letztlich für unsere Demokratie ist das enorm wichtig.

Das Stipendienprogramm für Postdoktoranden und Juniorprofessoren der Daimler und Benz Stiftung unterstützt die Forschung von Prof. Dr. Kilian Wegner über zwei Jahre mit einer Summe von 40.000 Euro. Dieser Text ist die gekürzte Fassung eines Interviews, dass die Stiftung mit Kilian Wegner geführt hat. Zum kompletten Text

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