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Zum Einstieg umriss Felix Ackermann seine Thesen aus dem Artikel: Asymmetrien prägen jede Beziehung und jedes Gespräch zwischen Polen und Deutschland – nicht nur historisch, sondern auch gegenwärtig, etwa in der deutschen Annahme, man vertrete die zukunftsträchtige, progressive Seite gesellschaftlicher Entwicklungen. „Es gibt den weitverbreiteten Glauben, dass wir das Deutschsein überwunden haben und als Europäer agieren. Dabei blenden wir aus, dass wir in Polen stets als Deutsche wahrgenommen werden“, sagte Ackermann. Ein Ergebnis davon seien „deutsch-polnische Echokammern“, in denen man sich nur noch mit Gleichgesinnten austausche. „Wir führen zunehmend Gespräche – so wie heute – mit Menschen, zwischen denen weitgehender Konsens herrscht“, so seine Diagnose. Gesellschaftliche Spaltung – etwas, das von Deutschland aus gern Polen zugeschrieben wird, sei ebenso in Deutschland wahrzunehmen. >>>weiterlesen
Mit dem Begriff der Versöhnung befasste sich Dr. Lidia Zessin-Jurek von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften (Prag) in ihrem Kommentar zu Ackermanns Text. Die am Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien assoziierte Forscherin sieht einen Grund für die andauernden Asymmetrien zwischen Deutschland und Polen in dem nicht eingelösten Versprechen der Versöhnung. Sie fand dafür das Bild: „Die Wunden sind verheilt, aber die Knochen sind schief zusammengewachsen.“ Deutschland habe zwar lange eine Vorreiterrolle in Sachen Versöhnung gespielt – über die nachbarschaftliche Annäherung mit Frankreich, die Täter-Opfer-Versöhnung bis zum Ausgleich zwischen Ost und West. Dabei sei der „Versöhnungschampion“ allerdings zu oft in Symbolik stecken geblieben – und selbst die sei oft zu wenig eindeutig ausgefallen.
Dr. Karolina Wigura, Redakteurin der Zeitschrift Kultura Liberalna und Senior Fellow am Zentrum Liberale Moderne in Berlin, rückte Ackermanns Thesen in den multilateralen Kontext des aktuellen Krieges Russlands gegen die Ukraine. Die Historikerin und Soziologin zeigte sich überzeugt: „Der Krieg wurde zum Katalysator und förderte vorher kaum gekannte Frustrationen zutage.“ Die Ausweitung des russischen Angriffes habe mittel- und osteuropäische Staaten in ihren Befürchtungen bestätigt, während er den Westen überraschte. „Der Westen hat sich geirrt und wir haben es die ganze Zeit gewusst“, fasste Wigura diese Empfindung zusammen. Polen sei nun kein Juniorpartner mehr. Vielmehr könne der Westen von den Erfahrungen lernen, die man in Osteuropa mit dem russischen Imperialismus gemacht habe und die keine „diffuse Russophobie“ sei, sondern eine tiefsitzende Erkenntnis.
Viadrina-Historiker Dr. Markus Nesselrodt brachte den Generationswechsel und eine damit verbundene jüngere Perspektive auf die deutsch-polnischen Beziehungen in die Diskussion ein. Der Schatten des Zweiten Weltkrieges werde kleiner, viele Forschende seien mehr vom langen Weg nach Europa und der zunehmend vielfältigen Gesellschaft geprägt als von der Kriegserfahrung. Auf die von Ackermann aufgeworfene Frage, was nach der Versöhnung komme, schlug Nesselrodt vor: „das Wissen um die Vielfalt, Empathie für die Leiden der Vergangenheit und Anerkennung für die Leistungen der Brückenbauer“.
Botschafter Thomas Bagger schlug in seinem Redebeitrag den Bogen von den wissenschaftlichen Einschätzungen zu seinen Erfahrungen als Diplomat. Ja, die Asymmetrie sei ihm in dem vergangenen Jahr begegnet; er sprach von einer Asymmetrie der Neugier, die er bei jedem beruflichen und privaten Besuch in Warschau wahrgenommen habe. „Wir machen uns oft kein realistisches Bild von der polnischen Transformation“, so sein Urteil. Der Fakt, dass man in Polen unter dieser Asymmetrie leide und sie nicht bereitwillig hinnehme, sorge für „Komplexität im deutsch-polnischen Verhältnis“. Den Auftrag, den er zu seiner neuen Stelle im politischen Berlin mitnehme, sei die nötige Einsicht, „dass um Polen kein Weg herumführt. Wir müssen Polen anders einbeziehen in die Gestaltung Europas.“
Als einziger verließ der Botschafter aufgrund seiner geplanten Weiterreise pünktlich den Saal. Der Besuch am Collegium Polonicum sei, so betonte er, der passende Übergang zwischen der Botschaft in Warschau und dem Außenministerium in Berlin gewesen. Die restlichen Podiumsgäste und das Publikum diskutierten anschließend noch weit über die angesetzte Zeit der Veranstaltung hinaus.
Fest: Frauke Adesiyan
Fotos: Heide Fest
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