„Es ist ausreichend Kapital für den Klimaschutz vorhanden“ – Wie sich die Finanzwelt für eine gerechte Klima-Transformation ändern müsste

Im Rahmen einer aktuellen Studie untersucht Viadrina-Ökonom Prof. Dr. Reimund Schwarze in einem internationalen Forschungsteam die notwendigen Veränderungen in der Finanzwelt zur Förderung eines gerechten Übergangs zu Klimaneutralität und verbesserter Resilienz in Städten der Welt. Die Ergebnisse werden 2025 in einem Bericht des Netzwerkes der Columbia-University New York zur Stadtklimaforschung als Teilbericht veröffentlicht.

Herr Schwarze, was ist die zentrale These Ihrer mehrjährigen Studie?

Auf den Weltmärkten ist ausreichend Investitionskapital vorhanden, um die notwendigen Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen von Städten und Nationalstaaten zu finanzieren. Der größte Teil dieses Kapitals befindet sich jedoch in privaten Händen, ist in Unternehmensinvestitionen und Immobilien gebunden und steht nicht zur Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung.

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 Warum ist es so schwierig, an dieser Situation etwas zu ändern?

Der politische Wille, die für den Klimaschutz erforderlichen Mittel aufzubringen – notwendig wäre mindestens das Zehnfache der derzeit verfügbaren Mittel –, wird durch die bestehenden Berechnungsmodelle zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels untergraben. Diese Modelle unterschätzen die potenziellen Kosten, da sie die kumulativen Auswirkungen der direkten Verluste durch Hitze, Brände, Überschwemmungen und Stürme nicht berücksichtigen. Investoren, Regierungen und multinationale Finanzinstitutionen unterschätzen die öffentlichen und privaten Kosten, die durch die Reduzierung der Auswirkungen des Klimawandels vermieden werden könnten. Die Einbeziehung ökologischer und sozialer Auswirkungen – und nicht nur finanzieller Erträge – in Investitionsberechnungen könnte die Bereitschaft zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen erhöhen.

Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, damit ausreichend Privatkapital im Kampf der Städte gegen den Klimawandel investiert wird?

Hierfür sind gezielte Maßnahmen zur Risikominderung (man spricht von „De-Risking“) notwendig. Der öffentliche Sektor könnte durch die Bereitstellung von Garantien, durch die Versicherung potenzieller Verluste und die Beteiligung an öffentlich-privaten Partnerschaften die Verlustrisiken der privaten Investoren verringern.

In einem Webinar, das Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen Ende Mai angeboten haben, konzentrierten Sie sich auf eine bessere Zusammenarbeit mit der Versicherungsbranche, um klimarelevante Investitionen zu steigern. Warum?

Der Sektor umfasst alle Kapitalreserven, die von Sach-, Kfz- und Unternehmensversicherern verwaltet werden, die gegen aktuelle Risiken schützen. Insgesamt kontrolliert die Branche mehr frei verfügbares Kapital als jeder andere Sektor, einschließlich des öffentlichen Sektors. Versicherer und Verwalter von Renten- oder Pensionsfonds haben zudem eine weitaus längere Zeitperspektive als jeder Hersteller oder aktuelle Dienstleister; daher passt der Zeithorizont des Sektors wie kein anderer zu dem der Entscheidungsträger, die Klimareaktionen planen.

Was schlagen Sie konkret vor?

Allianzen von Versicherern mit Städten wären förderlich, um Daten bereitzustellen, Risikobewertungen zu unterstützen und lokale Anpassungen zu finanzieren. Das alles setzt voraus, dass die tatsächlichen Auswirkungen des Klimawandels wissenschaftlich ermittelt werden. Dies ist eine Aufgabe, die im Globalen Norden in einer Vorreiterrolle zwar übernommen werden kann, aber die Messgrößen für die lokalen Auswirkungen müssen wiederum in einer Form erarbeitet werden, die die Entscheidungsträger im Globalen Süden bei der Umsetzung von Maßnahmen nutzen können.

Foto: Heide Fest
Interview: Frauke Adesiyan

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