Mariia Sokolova absolviert als Erste einen deutsch-polnischen Doppelabschluss in Polish Studies

Frankfurt (Oder), 

Zwei Fremdsprachen auf Hochschul-Niveau gelernt, zwei Bachelor-Abschlüsse erlangt, in zwei Ländern fern der Heimat gewohnt, gelernt und gearbeitet – all das hat Mariia Sokolova in den vergangenen vier Jahren erreicht. Die 22-Jährige ist die erste Studentin überhaupt, die den Studiengang Polenstudien am Collegium Polonicum sowohl an der Adam-Mickiewicz-Universität als auch an der Viadrina abgeschlossen hat. Am 17. Juni 2024 hat sie ihre Abschlussarbeit erfolgreich verteidigt.

Eigentlich war alles ganz anders geplant, als Mariia Sokolova im Sommer 2020 mit 18 Jahren ihren Schulabschluss in Kaliningrad machte. Sie wollte in Danzig auf Englisch studieren, doch die Sanktionen gegenüber Russland durchkreuzten dieses Vorhaben. „Mir war klar, ich will in Europa studieren und ich hatte nur noch zwei Wochen Zeit, mich zu bewerben“, erinnert sie sich. Der Studiengang Studia o Polsce (Polish Studies) am Collegium Polonicum bot ihr da eine gute Gelegenheit. Dass sie hier nicht nur auf Polnisch die polnische Geschichte und Kultur studieren, sondern zugleich einen deutschen Abschluss erzielen kann, wurde ihr erst im Laufe der ersten Semester klar.

Also lernte sie parallel zu Polnisch im Vorbereitungskurs „Viadrina Intensive Track“ auch noch eine zweite neue Fremdsprache. In beinahe akzentfreiem Deutsch erzählt sie kurz nach ihrem Studienabschluss, wie sie jede freie Minute nach den Seminaren und Sprachkursen mit deutschen TV-Dokumentationen verbracht hat, um das geforderte Sprachniveau zu erreichen. „Das war schon richtig anstrengend, aber es hat auch viel Spaß gemacht“, schaut sie zurück. Polnisch sei inzwischen zu ihrer zweiten Muttersprache geworden; das Deutsche bringe sie aber immer noch aus der Komfortzone heraus. Während sie am Collegium Polonicum mit Studierenden aus der Ukraine, Belarus, Russland und Polen lernte, besuchte sie an der Viadrina verschiedene Veranstaltungen des Studienganges Kulturwissenschaften. „Am besten in Erinnerung sind mir die Veranstaltungen zur zeitgenössischen Kunst von Prof. Dr. André Rottmann“, sagt Mariia Sokolova. Auch ein Kurs von Prof. Dr. Werner Benecke hat sie besonders beeindruckt: „Während dieses Seminars erfuhren wir viel über ,versteckte‘ historische Orte sowohl in Frankfurt als auch in Słubice. Eine Besonderheit war, dass wir uns immer an verschiedenen Orten in der Stadt trafen, nicht an der Uni. So habe ich die Doppelstadt aus einer völlig neuen Perspektive entdeckt.“

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Die hohen Ansprüche des Doppelabschlusses – vor allem, um das nötige sprachliche Niveau zu erreichen –, würden nur wenige Studierende erfüllen, berichtet Prof. Dr. Werner Benecke, der den Studiengang auf Seiten der Viadrina leitet. Im laufenden akademischen Jahr studieren 54 Personen Polish Studies; die meisten kommen aus dem russischsprachigen Raum. Nur eine weitere Studentin strebt den deutschen Abschluss an. Die Verteidigung der Abschlussarbeit von Mariia Sokolova über das Stereotyp der „polnischen Wirtschaft“ war am CP auch deshalb ein großer Grund zur Freude. Als Pionierin hat sie gezeigt, dass der Doppelabschluss gelingen kann, auch wenn es großen Einsatz verlangt.

Dass neben den sprachlichen Hürden auch die organisatorische Abstimmung zwischen den zwei Universitäten in zwei Ländern und auf zwei Sprachen nicht einfach ist, lassen Mariia Sokolovas Erzählungen erahnen. Als erste Studentin in diesem Programm überhaupt brauchte sie viel Geduld und Offenheit für Improvisation. „Dieser Studiengang ist ein gutes Beispiel dafür, wie wenig die deutsch-polnische Kooperation auf Studiengangsebene von selbst läuft“, sagt auch Werner Benecke. Die Vorteile des Studienganges vor allem mit der Option auf den Doppel-Abschluss überwiegen für ihn dennoch klar. „Das Besondere an diesem Doppelstudiengang ist das Heimisch-Werden in zwei akademischen Kulturen, zwei Sprachen, zwei Ländern, die für die allermeisten Studierenden der Polish Studies ,Ausland‘ im doppelten Sinne sind“, sagt Werner Benecke. Die anspruchsvolle Variante mit dem Viadrina-Anteil öffne die Perspektive auf ein Master-Studium im gesamten deutschsprachigen Raum und – wenn man an der Viadrina bleibt – auf das ganze globale Netzwerk der Europa-Universität.

Mariia Sokolova hat sich gerade für ein Masterstudium an der Viadrina entschieden; sie wird ab Oktober „Sprache – Medien – Gesellschaft“ studieren. Auf diese Weise kann sie auch ihre Arbeit als Lehrerin an einer polnischen Schule behalten. Auch für die fernere Zukunft steht für sie fest: Sie möchte in Deutschland oder Polen leben und arbeiten. Einen Grundstein dafür hat sie mit ihrem Doppelabschluss gelegt.

Frauke Adesiyan


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