„Taylor Swift und die alten weißen Männer“ – Gastvortrag von Prof. Dr. Jörn Glasenapp

Frankfurt (Oder), 

Taylor Swift ist eine der größten Pop-Ikonen unserer Zeit. Sie wurde mit 14 Grammys ausgezeichnet, spielt gerade die bisher erfolgreichste Musik-Tournee aller Zeiten und hat eine der wohl loyalsten Fangemeinden der Popmusik. Doch immer wieder wird sie auch zur Zielscheibe von Hass, Diffamierungen und misogynen Anfeindungen. Auf Einladung von Prof. Dr. Daniel Illger und Prof. Dr. Cornelia Müller kam Prof. Dr. Jörn Glasenapp am 3.Juli 2024 an die Viadrina, um in seinem Vortrag „Taylor Swift und die alten weißen Männer“ genau darüber zu sprechen. Der Kulturwissenschaftler hat an der Universität Bamberg den Lehrstuhl für Literatur und Medien inne.

„Ich bekenne mich, ich bin Swiftie.“ Das stellt Prof. Dr. Jörn Glasenapp bei seinem Gastvortrag über „Taylor Swift und die alten weißen Männer“ gleich zu Beginn klar und schiebt hinterher, dass er bereits drei Shows der aktuellen Eras Tour gesehen hat und sich noch drei weitere anschauen wird. Damit ist der Ton für den Abend gesetzt. Knapp zwei Stunden verteidigt Glasenapp die Sängerin leidenschaftlich. Ein gewisses „Swiftie-Wissen“ setzt er voraus. Wer Jack Antonoff ist beispielsweise (guter Freund und Produzent der Sängerin) und was Kanye West mit Taylor Swift zu tun hat (er hatte Taylor Swift 2009 bei den MTV Video Music Awards bei ihrer Dankesrede auf der Bühne unterbrochen, um zu erklären, dass der Preis seiner Meinung nach Beyoncé gebührte – die Fehde sollte jahrelang anhalten). Bei Wissenslücken erklärt er aber geduldig. Das Hauptthema seines Vortrages ist an diesem Abend, wie über Taylor Swift gesprochen wird. Insbesondere, wie dies „alte weiße Männer" tun. Jeder Platz im Seminarraum ist an diesem Abend besetzt, manche Zuhörerinnen stehen. Die Stimmung ist ausgelassen und vorfreudig.

Es geht Jörn Glasenapp nicht darum, dass „alte weiße Männer" per se Taylor Swift hassen würden. Er selbst sei ja auch einer, wie er selbst sagt und ist der beste Gegenbeweis. Vielmehr sei das für ihn eine Art bestimmter Haltung. Der „alte, weiße Mann", das schlägt er als Arbeitsdefinition vor, „will nicht wahrhaben, dass er Frauen gegenüber Privilegien genießt, glaubt seine Position ausschließlich aus eigener Kraft erreicht zu haben und er belächelt den gesellschaftlichen Wandel". Ganz konkret bezieht er das auf die Rock- und Popmusik und fügt hinzu, dass dieser Typus dort „insgeheim weiß, dass seine beste Zeit vorbei ist und das unter anderem mit Misogynie kompensiert". Das ist die These, die bewusst zugespitzt und ein wenig polemisch ist, wie Glasenapp einräumt, aber der Vortrag solle zumindest nicht streng wissenschaftlich verstanden werden.

Jörn Glasenapp steht an Pult

 Er bespricht verschiedene konkrete Beispiele für diese Haltung. Jochen Distelmayer, der Sänger von Blumfeld beispielsweise, den er auch den „ardonistischen Checker“ nennt. Ardonistisch unter anderem deswegen, weil Distelmayer und Adorno der verächtliche Blick auf Musikliebhaber populärer Musik gemein sei. In einer Rezension im „Rolling Stone“ hatte Distelmayer das neue Country-Album von Beyoncé besprochen und nutzte die Gelegenheit,  um gegen Taylors Swift zu schießen, sie unter anderem der „talentlose[n] Unverfrorenheit“ zu bezichtigen und ihr „unschöne[n] Ehrgeiz“ zu diagnostizieren. „Als Frau ehrgeizig zu sein, ist eben unschön“, parodiert ihn Glasenapp. Gemeinsam mit dem Publikum analysiert er die problematischen Narrative in dem Text weiter und stellt letztlich fest, wie misogyn und queerfeindlich der Text sei.

Ein anderes Beispiel für die misogyn geprägten Strukturen in der Musikindustrie sieht er in der Rezensions-Praxis des Musikmagazins „Pitchfork“, das sich aber mittlerweile etwas geöffnet habe und durchaus „poptimistischer“ geworden sei. Bis 2015 wurde Taylor Swift dort nicht besprochen. Nicht mal ihr damals jüngstes Album „1989“, das laut Glasenapp „die sixtinische Kapelle des Pop“ sei. Das gleichnamige Swift-Coveralbum von Ryan Adams, das Glasenapp lediglich für „konfektionierte Indie-Musik“ hält, hingegen schon. Zum Beweis, wie banal die Cover-Songs sind, nimmt Glasenapp sein Handy (mit Taylor-Swift-Hülle) zur Hand und spielt über die Boxen zwei Songs im Vergleich. Dafür, wie Ryan Adams insbesondere die Bridge von dem Song „Out Of The Woods“ covert, fehlt ihm jegliches Verständnis und scherzt: „Es ist regelrecht respektlos dem Original gegenüber.“

Für Glasenapp sind das zwei Beispiele, die den Diskurs um Taylor Swift maßgeblich mitbestimmen. Sie als Künstlerin nicht ernst zu nehmen, ihr Songwriting runterzuspielen und auf ihre Fans herabzublicken ­­­­– das sind dabei immer wieder beliebte Taktiken, um Taylor Swift zu diskreditieren. Und meist tun dies Männer, wenn auch nicht ausschließlich. Trotz des teilweise ernsten Sujets bleibt Glasenapp stets unterhaltsam. Er interagiert enthusiastisch mit dem Publikum, erzählt beiläufig, wie sehr er welche Alben liebt („Red“ ist beispielsweise sein zweitliebstes Taylor-Album) und lacht an der ein oder anderen Stelle über seine eigenen, nicht immer ganz ernst gemeinten Bemerkungen. Am Ende fragt Daniel Illger, ob irgendjemand noch öfter auf Taylor-Swift-Konzerten war als Jörn Glasenapp. Das Fazit: an diesem Abend war wohl niemand größerer Swiftie als Jörn Glasenapp selbst.

Lea Schüler


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