Wenn Fremde zu Freunden werden – Viadrina-Studierende berichten von ihrer Sommerschul-Erfahrung in Japan

Hiroshima, 

Vom 1. bis 10. August haben zwei Viadrina-Studierende das Seminar „World Peace and Political Justice“ in Hiroshima, Japan, besucht. Die Sommerschule wird jährlich vom International Network of Universities (INU) organisiert. Nadiia Birchak und Antoan Blangev blicken begeistert auf ihren Austausch zurück und berichten von ihren Erlebnissen.

„Mein Name ist Nadiia Birchak. Ich komme aus der Ukraine und studiere Kulturwissenschaften an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Ich habe am diesjährigen „International Student Seminar for Global Citizenship and Peace“ mit dem Titel „World Peace and Political Justice“ in Japan teilgenommen. Diese Erfahrung ist einer meiner Höhepunkte in meinem bisherigen Studium.

Das Seminar dauerte neun Tage und jeder Tag war gefüllt mit Vorträgen und Workshops zu Themen rund um Frieden und globale Gerechtigkeit. Um effektiv arbeiten zu können, haben wir in Gruppen gearbeitet.

Eine unserer Aktivitäten bestand darin, eine Konferenz der Vereinten Nationen zu simulieren, bei der ich Indonesien vertreten durfte. Mein Team bestand aus acht Personen, von denen die Hälfte Studierende der Universität Hiroshima waren. Unsere Gruppenarbeit verlief gut, obwohl ich so etwas noch nie zuvor gemacht hatte. Wir mussten Strategien entwickeln, diskutieren und Kompromisse zwischen verschiedenen Ländern finden. Indem wir verhandelten und in unseren Diskussionen Gemeinsamkeiten fanden, erlebten wir die Herausforderungen und Erfolge dieser realistischen Übung aus erster Hand. Die Debatten waren intensiv, aber am Ende bewiesen wir, dass wir trotz unserer Unterschiede zusammenarbeiten können, um eine gerechtere und friedlichere Welt aufzubauen. Wir erstellten zudem ein Friedenslogo, welches von einem Vortrag über die Bedeutung und über den Prozess der Erstellung solcher Symbole begleitet wurde. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sommerschule sind unterschiedlich alt, studieren an verschiedenen Fakultäten und haben unterschiedliche Bildungsniveaus. Was wir teilten, ist unser Respekt für einander sowie die Idee von Frieden und Gerechtigkeit. Die Vielfalt der Studierenden, die nicht nur ihre Länder repräsentierten, sondern auch multinationale Hintergründe hatten, hat mich positiv überrascht. Das Gespräch mit Menschen, die mehr als drei Sprachen sprechen, hat unsere Diskussionen bereichert und neue Perspektiven eröffnet.

Eine Lerneinheit über die japanische Kultur hat mich sehr beeindruckt; Studierende aus Hiroshima leiteten uns dabei an. Wir versuchten Hieroglyphen zu schreiben, bastelten Origami-Friedenssymbole und spielten nationale Spiele. Ziel war es, zu lernen, zu diskutieren und Wissen zu teilen. Die Zusammenarbeit mit japanischen Studierenden hat die Erfahrung für mich unvergesslich gemacht; ihre Kultur, die so anders ist als meine. Sie haben eine andere Herangehensweise an das Lernen – sie respektieren Stille und Teamarbeit. Dank ihnen verstehe ich nun den Wert des Zuhörens besser.

Neben unseren akademischen Aktivitäten haben wir Japan erkundet, unter anderem mit Ausflügen nach Hiroshima, in Museen, auf japanische Inseln, abendliche Fahrradtouren; wir kauften in typischen Supermärkten ein und machten Spaziergänge. Hiroshima ist beeindruckend mit seiner Geschichte und dem Geist seiner Menschen. Wir hatten die Gelegenheit, am 6. August am Friedensgedenktag teilzunehmen, das Museum zu besuchen und einer Zeitzeugin zuzuhören. Viele der Menschen ehren diejenigen, die während der Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs gestorben sind.

Ich bin der Viadrina und dem International Network of Universities (INU) sehr dankbar, dass ich an dieser Sommerschule teilnehmen konnte. Beim Abschied lag ein bittersüßes Gefühl in der Luft. Vor allem aber war da Dankbarkeit – Dankbarkeit für die Freundschaften, die wir geschlossen haben, das Wissen, das wir gewonnen haben, und die Erinnerungen, die wir geschaffen haben. Meine Motivation ist es jetzt, nach Japan zurückzukehren und mehr über die Kultur und die Menschen zu erfahren. Dieses Seminar hat mir geholfen, zu wachsen, mehr zu verstehen und Freunde zu finden. Für mich sind die Fremden zur Familie geworden. Eine sehr wichtige Erkenntnis, die ich aus dem Aufenthalt gewonnen habe, ist: Ich gehöre zu der jungen Generation, die Veränderungen bewirken kann. Wir gehören zu einer Generation, die Frieden erreichen muss.“

Text / Fotos: Nadiia Birchak, Viadrina-Studentin Kulturwissenschaften

Viadrina-Studierende zeigen ihre Erlebnisse der INU-Sommerschule in Hiroshima, Japan

„Mein Name ist Antoan Blangev, ich studiere „European Studies“ an der Viadrina und habe am diesjährigen Seminar „World Peace and Political Justice“ teilgenommen. Das Seminar hat für mich eine tiefe philosophische Bedeutung, da ich eine deutsche Universität in Japan vertreten habe. Einst war die Achse Tokio-Berlin eine, die geprägt war von Aggression. Jetzt ist sie ein Synonym für entwickelte liberale Demokratien, die offen sind und im Dialog stehen. Beide Länder dienen als Vorbild für andere.

Die Annehmlichkeiten und die Infrastruktur in Japan, die Offenheit und Gastfreundschaft und nicht zuletzt die Disziplin sind Indikatoren für das moderne Japan, welches mich inspiriert und die Grundlagen für eine wohlhabendere Welt schafft. In diesem Sinne haben wir während des Seminars bewiesen, dass Frieden ein kontextuelles Synonym für Dialog ist. Darüber hinaus war die Vertretung der Viadrina im Planspiel der Vereinten Nationen, eine Erfahrung, die mich stolz macht. Es war ein unvergessliches Abenteuer.

Hiroshima ist ein Ort voller Symbolik, der unsere Lehre und unsere Bemühungen noch realer gemacht hat. Der Ort hat uns geholfen, die Mission des Seminars besser verstehen zu können. Das Gespräch mit der letzten Überlebenden des Bombenangriffs und die Arbeit an einer nachhaltigeren Zukunft haben jeden von uns auf persönlicher Ebene berührt. Die Stadt ist einer der wenigen Orte, an denen ich keine internen Spannungen oder Konflikte gespürt habe. Wir konnten alle auf menschlicher Ebene eine Bindung aufbauen. So gelang es uns am Ende, ein einzigartiges Miteinander zu zeigen und Diplomatie aufzubauen. Es war ein großer Erfolg für alle.

Wenn ich das denkwürdigste Erlebnis der Sommerschule nennen müsste, ist es schwierig, eine Wahl zu treffen. Ich würde mich aber wahrscheinlich für das Gespräch mit der Zeitzeugin, Frau Ogura, am 5. August entscheiden. Für mich strahlte sie die Gegenwart Gottes aus, indem sie trotz ihrer tragischen Erfahrungen während des Krieges und des Atombombenangriffs weder Hass noch Rachegefühle zeigte. Sie sah die Zerbrechlichkeit des Seins und die negative Seite des Menschen, wurde jedoch nicht verbittert und hasserfüllt, sondern entwickelte das Gegenteil. Ihre Augen, ihre Geschichte und ihre Erfahrung bilden für mich den wahren Sinn des Lebens – ein Vorbild für alle Teilnehmenden.“

Antoan Blangev, Viadrina-Student „European Studies“

„Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand das Gedenken an die Opfer des Atombombenabwurfs durch die US-amerikanischen Streitkräfte am 6. August 1945 und die Mahnung, dass sich so etwas niemals wiederholen darf. Die Teilnehmenden setzen so auch ein Zeichen für Abrüstung und gegen nukleare Waffen“, beschreibt Prof. Dr. Carmen Thiele den Schwerpunkt der Veranstaltung aus ihrer Sicht. Als besonderen Höhepunkt nennt die Viadrina-Professorin, die in diesem Jahr die akademische Leitung der Sommerschule übernommen hat, das Online-Gespräch mit Dr. Mykola Kapitonenko, Associate Professor am Institute of International Relations der Taras Shevchenko National University in Kyjiw, über Ursachen des Krieges Russlands in der Ukraine und mögliche Aussichten für eine Beendigung. Zu dem Thema passte auch das Planspiel, bei dem die Studierenden eine Verhandlung in der UN-Generalversammlung zum Thema „Financing for Peacebuilding“ simulierten.

Das Fazit von Carmen Thiele: „Inhaltlich ist das aktuelle Thema bewaffnete Konflikte interdisziplinär diskutiert worden. Nicht weniger wichtig war die Begegnung zwischen den Studierenden und Dozierenden der teilnehmenden Partner-Universitäten."


Zurück zum Newsportal

Abteilung für Hochschul­kommunikation