Plädoyer für konstruktive Narrative – Internationales Netzwerk „Tensions of Europe“ tagte an der Viadrina
Der Zusammenhang von Technologie-Entwicklungen und gesellschaftlichen Transformationsprozessen stand im Zentrum der Konferenz des internationalen Netzwerkes „Tensions of Europe“ vom 19. bis 21. September 2024 an der Viadrina. Rund 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Europa und darüber hinaus kamen für den fachlichen Austausch an die Oder. Einen Höhepunkt der von der European New School of Digital Studies (ENS) und dem Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies (VCPU) veranstalteten Konferenz bildete der Abschlussvortrag des Technikhistorikers Prof. Dr. Helmuth Trischler.
Ins Zentrum seiner Keynote (zur Aufzeichnung) am letzten Konferenztag stellte Helmuth Trischler „Provokationen und Möglichkeiten“ der Technik-Geschichtsschreibung im Anthropozän, dem vom Menschen geprägten Zeitalter. Historiker mit einem Fokus auf Umwelttechnologie wie er seien aus guten Gründen sehr produktiv darin, Geschichten von Zerstörung, Verschmutzung und Schäden zu erzählen, die Menschen der Natur zufügen. „Darin sind wir gut, aber können wir auch konstruktiv sein? Lassen Sie uns mehr positive Narrative bedienen, die Orientierung bereithalten angesichts all der komplexen Probleme, mit denen wir es zu tun haben“, plädierte er im Logensaal der Viadrina. Um zu mobilisieren statt zu verzweifeln, gelte es, die Büchse der Pandora zu einer Büchse der Hoffnung zu machen und positive Kräfte zu aktivieren.
Fotos vom Get-together der Einführungswoche 2024 Viadrina
Mit diesem Vorschlag knüpfte Trischler auch an eine Gesprächsrunde im Collegium Polonicum an, mit der die Konferenz eröffnet worden war. Über Transformationen in Zentral- und Osteuropa sprachen am Auftaktabend Prof. Dr. Miglė Bareikytė, Professorin für Digitale Studien an der ENS, Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak-Quast, Co-Direktorin des VCPU und Professorin für Interdisziplinäre Polenstudien, Dr. Valeria Korablyova, Soziologin an der Karls-Universität Prag, und Dr. Susann Worschech, Koordinatorin des Kompetenzverbundes Interdisziplinäre Ukrainestudien (KIU) an der Viadrina. In dem von ENS-Leiter Prof. Dr. Jan-Hendrik Passoth moderierten Gespräch umrissen sie ihre unterschiedlichen Perspektiven auf aktuelle und historische Transformationen. Dagmara Jajeśniak-Quast betonte dabei, dass erfolgreiche Transformationen an eine klare Zielstellung geknüpft seien, die gerade in der Gegenwart häufig fehle.
Neben diesen öffentlichen Veranstaltungen nutzten die Teilnehmenden Exkursionen, unter anderem durch Frankfurt (Oder) und nach Eisenhüttenstadt, sowie gemeinsame Essen und Feiern, um sich auszutauschen. Die Themen der rund 40 kleineren Sessions kreisten um technologische aber auch politische, soziale und ökologische Aspekte des umfassenden Wandels in Europa und anderen Regionen. Digitalisierung und die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz spielten dabei genauso eine Rolle wie Fragen der Nachhaltigkeit und des Konsums sowie der Energiewende. Anhand historischer und aktueller Entwicklungen wurde diskutiert, inwieweit technologische Umwälzungen den sozialen und ökologischen Wandel vorantreiben oder hemmen.
Schon im Vorfeld hatten sich 15 Nachwuchs-Forschende zur Sommerschule getroffen. „Die gesamte Sommerschule war von der traditionell positiven Atmosphäre des Netzwerkes geprägt. Die Workshops und die informellen Gespräche mit erfahrenen Forschenden waren sehr nützlich. Wir haben wichtiges Feedback auf unsere Projekte bekommen und neue Kontakte geknüpft“, sagte der Historiker Michal Ďurčo von der Slowakischen Akademie der Wissenschaften über das Programm.
Auch das Viadrina-Team, das die Konferenz unter den verschärften Bedingungen eines Oder-Hochwassers veranstaltet hatte, zeigte sich glücklich darüber, dass das Netzwerk zum ersten Mal in Frankfurt (Oder) und Słubice getagt hat. „Ich freue mich, diese 130 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Europa, den USA, Kanada und anderen Ländern an der Viadrina zu haben, um multiple Transformationen zu erforschen. Das ist auch ein thematischer Schwerpunkt unserer Universität, deswegen ist das toll“, sagte Dagmara Jajeśniak-Quast.
Frauke Adesiyan
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