„Deutschland und Polen bis 1945: Ringen um den Nationalstaat“ – Lehrfilm mit Prof. Dr. Werner Benecke und Mateusz Weis-Banaszczyk

Frankfurt (Oder), 

In einem neuen Lehrfilm vom Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) erkunden Viadrina-Absolvent Mateusz Weis-Banaszczyk und Prof. Dr. Werner Benecke geschichtsträchtige Orte in Frankfurt (Oder) und Słubice und erklären, wodurch das Verhältnis der beiden Länder geprägt wurde. Der Film „Deutschland und Polen bis 1945: Ringen um den Nationalstaat“ zeichnet die politische Geschichte beider Länder nach, um so Schülerinnen und Schülern ein Verständnis der deutsch-polnischen Beziehungen zu vermitteln.

In der Karl-Sobkowski-Straße in Frankfurt (Oder) findet man das Wappenhaus, das 1922–23 erbaut wurde – auf der Fassade befinden sich historische Wappen verschiedener deutscher und polnischer Städte. An einem wolkenverhangenen Tag trifft sich der deutsch-polnische Kulturwissenschaftler und Viadrina-Absolvent Mateusz Weis-Banaszczyk dort mit Prof. Dr. Werner Benecke, der die Professur für Kultur und Geschichte Mittel- und Osteuropas an der Viadrina innehat. „Das Besondere an diesem Ort, das ist der Wappenerker, der in Frankfurt (Oder) ein ganz bekanntes Denkmal ist“, erklärt Werner Benecke. „Insgesamt sind es 14 Wappen, und was die polnischen Städte betrifft, die Sie hier sehen, sind das alles Wappen von Städten, die bis zu den Teilungen Polens zur polnisch-litauischen Union gehört haben.“

Foto Mike Cowburn und Buchcover

Das Wappenhaus ist die erste von vielen Stationen, die Benecke und Weis-Banaszczyk in und um Frankfurt (Oder) und Słubice besuchen und anhand derer sie die politische Geschichte Polens und Deutschlands nachzeichnen. Sie schauen sich unter anderem den Bismarckturm im Frankfurter Ortsteil Booßen und die Siedlung deutscher Aussiedler nach dem Ersten Weltkrieg an, die Kirche der Heiligen Jungfrau Maria in Słubice und die Gedenkstätte des Zwangsarbeitslagers in Świecko. Für den neuen Lehrfilm „Deutschland und Polen bis 1945: Ringen um den Nationalstaat“, der vom Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) produziert wurde, ergründen Benecke und Weis-Banaszczyk darin chronologisch die sich gegenseitig beeinflussende Geschichte der beiden Länder bis ins Jahr 1945 und greifen dabei wesentliche Etappen heraus; von der polnisch-litauischen Union und den Auswirkungen des Wiener Kongresses, über die Bedeutung des Hambacher Festes, der Germanisierungspolitik Bismarcks zu den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges, dem Beginn des Zweiten Weltkrieges und der deutschen Besatzung in Polen.

Beginnend im Mittelalter über die Neuzeit, werden bis ins Jahr 1945 neben den politischen und historischen Entwicklungen auch übergeordnete Aspekte vertieft. Dadurch wird nicht nur deutlich, wie turbulent die Geschichte der beiden einzelnen Länder ist, sondern auch ihr Verhältnis zueinander. Dabei spielen auch die Fragen eine Rolle, wie sich beide Staaten und Nationen so unterschiedlich entwickeln konnten, warum sie sich immer wieder feindlich gegenüberstanden, worin eigentlich der Unterschied zwischen Staat und Nation liegt und wie sich das Verständnis beider in Deutschland und Polen unterschiedlich ausformte. Es geht in dem Film aber nicht nur um gesellschaftliche und politische Umbrüche. Mateusz Weis-Banaszczyk, der deutsch-polnische Wurzeln hat, schaut sich dabei auch an, wie sich seine eigene Familiengeschichte in die historischen Entwicklungen einfügt und bespricht dies immer wieder auch mit Benecke.

In der Gedenkstätte des Zwangsarbeitslagers in Świecko, ein sogenanntes Arbeitserziehungslager im Nationalsozialismus, sprechen die Protagonisten des Films beispielsweise auch über den Teil von Mateusz Weis-Banaszczyks Familie, der 1939 von den Deutschen aus Gdynia vertrieben wurde. Auf seine Frage, warum man das getan habe, erklärt Benecke, was die Nationalsozialisten konkret mit der Okkupation Polens und der Vertreibung verschiedener Bevölkerungsgruppen bezweckten, an deren Ende das Ziel stand, die polnische Nation langfristig zu zerschlagen. Damit wird neben einem historischen Überblick auch vermittelt, welche Auswirkungen bestimmte Ereignisse ganz konkret auf Individuen und deren Schicksale hatten und noch immer haben. Die Protagonisten kommen in der Gedenkstätte außerdem auf das Warschauer Ghetto zu sprechen. Weis-Banaszczyk berichtet, dass allein in Frankfurt (Oder) und Słubice bisher 182 Stolpersteine verlegt wurden. Auf einigen ist zu lesen, dass die Menschen ins Warschauer Ghetto deportiert wurden. „Das Warschauer Ghetto war einer der schrecklichsten Tatorte der NS-Besatzungspolitik. Dort wurden 400.000 Menschen zusammengepfercht und mussten unter den allerunwürdigsten Bedingungen leben, vegetieren“, erklärt Benecke. Auf dem Weg zur Kirche der Heiligen Jungfrau Maria in Słubice sprechen Weis-Banaszczyk und Benecke über die Bedeutung, die der Aufstand im jüdischen Ghetto Warschaus 1943 und der Warschauer Aufstand im Sommer 1944 noch heute haben. Benecke erklärt, dass diese die beiden großen Symbole für den jüdischen und den polnischen Widerstand sind. „In beiden Ländern wird dieser Ereignisse gedacht“, fügt Weis-Banaszczyk hinzu. „Man müsste sagen, dass die Erinnerungsarbeit in Polen um Längen intensiver ist, als die bei uns. Nichtsdestotrotz ist die gemeinsame Erinnerung an dieses besonders schreckliche Kapitel der deutsch-polnischen Geschichte ein nach wie vor höchstwichtiger Gegenstand, an dem beide Nationen arbeiten müssen und das auch tun“, so Werner Benecke.

Das Format fand Werner Benecke von Anfang an hochspannend. Dabei war es auch eine Herausforderung, die Inhalte für Schülerinnen und Schüler aufzubereiten. „In der Vermittlung polnischer Geschichte kann man in Deutschland in der Regel auf wenig Vorwissen zurückgreifen. Deswegen mussten wir manche Dinge vereinfachen, um sie anschaulicher zu machen.“ Dabei war es dem Historiker besonders wichtig zu zeigen, dass sich Geschichte immer auch an konkreten Orten verankern lässt: „Man kann an vielen Orten noch sehr viel Geschichte sehen, man muss nur auch hinschauen“, betont der Historiker. Frankfurt (Oder) und Słubice seien dafür sehr bereichernde Orte, die viele greifbare historische Denkmale bereithalten. Beide Protagonisten hoffen, mit dem Film bei den Schülerinnen und Schülern eine Art produktiver Neugierde, sowohl für die deutsch-polnische Geschichte, als auch für die konkreten Orte Frankfurt (Oder) und Słubice, zu wecken.

Lea Schüler


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