Polnischer Botschafter ehrt Viadrina-Alumni für Forschungsarbeiten
Dr. Christoph Maisch und Cäcilia Wosnitzka wurden in diesem Jahr im Rahmen des Wissenschaftlichen Förderpreises des Botschafters der Republik Polen für ihre Arbeiten ausgezeichnet. Sie hatten an der Viadrina über kritische Theoretiker in Polen einerseits und homosexuellen Aktivismus im Ostblock andererseits geforscht. Die Preise verlieh der Botschafter im Juli 2024 im Grunewalder Sitz der polnischen Botschaft. Worüber sie genau forschen und wie ihr beruflicher Weg weiterging, erzählen die Preisträgerin und der Preisträger hier.
Mit Christoph Maisch und Cäcilia Wosnitzka wurden zwei Alumni geehrt, für die die enge Anbindung der Viadrina an polnische und osteuropäische Kontexte besonders wichtig ist und die ihre Abschlussarbeiten über Themen in diesem Kontext geschrieben haben. Christoph Maisch hat den Preis des polnischen Botschafters für seine Dissertation zum Thema „Polens kritische Theoretiker. Ludwik Fleck und der doppelte Positivismusstreit“ erhalten, die in diesem Jahr im Transcript-Verlag erschienen ist. Er stellt sich darin die Frage, ob es „Kritische Theoretiker“ im Sinne der Frankfurter Schule während der Zwischenkriegszeit auch in Polen gab. Dafür betrachtet er die erkenntnistheoretischen Konzepte des polnischen Wissenschaftstheoretikers Ludwik Fleck und die Ansätze des Instituts für Sozialforschung (IfS) in Frankfurt bis zum Ende der 1930er-Jahre philosophisch und geschichtlich. „Für mich war wichtig, dass ich die polnischen und die deutschen Auseinandersetzungen zwischen den Denkschulen transnational und interdisziplinär miteinander verflechte“, beschreibt er seinen Fokus.
Katarzyna Mazur
Die ausgezeichneten Viadrina-Alumni Dr. Christoph Maisch (ganz links) und Cäcilia Wosnitzka mit dem damaligen Botschafter der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland Dariusz Pawłoś (2.v.l.) und Prof. Dr. Igor Kąkolewski (Direktor des Zentrums für Historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften) bei der Preisverleihung im Sommer 2024.
Christoph Maisch hatte zwischen 2008 und 2012 Politikwissenschaften und European Studies an der Europa-Universität Viadrina, der University of California Berkeley und der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań studiert. Anschließend hatte er unter anderem an der Professur für Deutsch-Polnische Kultur- und Literaturbeziehungen und Gender Studies der Viadrina gearbeitet und war hier in das Forschungsprojekt „Grenzgänge(r) der Wissenschaft zwischen Deutschland und Polen“ eingebunden. Inzwischen hat er seinen akademischen Schwerpunt auf das Wissenschaftsmanagement verlegt und arbeitet im Bereich der Erwachsenenbildung.
Auf die Zeit an der Viadrina schaut er mit gemischten Gefühlen. Forschungsaufenthalte in den USA, Polen und der Ukraine seien tolle Möglichkeiten gewesen. Auch die große Nähe zu Polen und den Arbeitsort am Collegium Polonicum habe er als großes Privileg empfunden, genauso wie den Zusammenhalt im Team der Professur für Deutsch-Polnische Kultur- und Literaturbeziehungen und Gender Studies. „Mit einem weinenden Auge schaue ich allerdings auf die sinkenden Studierendenzahlen und auch auf die Schließung dieses Lehrstuhls“, sagt Christoph Maisch.
Cäcilia Wosnitzka, die vom polnischen Botschafter für ihre Masterarbeit ausgezeichnet wurde, arbeitet inzwischen als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Mit Blick auf ihr Studium an der Viadrina sagt sie: „Besonders prägend waren für mich die breitgefächerte Expertise und Vernetzung zu und mit dem östlichen Europa – sowohl akademisch, als auch zivilgesellschaftlich.“ Ganz besonders hebt sie die „großartige Lehre“ und wissenschaftliche Betreuung ihrer Masterarbeit durch Dr. Clara Frysztacka hervor. 2021 hatte Cäcilia Wosnitzka den polnisch-deutschen Doppelmaster in European Studies abgeschlossen.
In ihrer ausgezeichneten Masterarbeit mit dem Titel „Ein schwules Informationsbüro für den Ostblock: (An-)Ordnungen des Raumes in der Wissensproduktion des Eastern Europe Information Pools (1982–1990)“ wertete Cäcilia Wosnitzka Dokumente einer Aktivistengruppe aus, die ausgehend von Wien im Ostblock eine Schwulen- und Lesbenbewegung anstoßen wollten. Zehn Jahresberichte hat diese Gruppe über ihre Aktivitäten hinterlassen. „Sie eröffnen eine marginalisierte, aber transnationale Perspektive auf die späten Jahre des Kalten Krieges, geben Einblicke in queere Selbstorganisierung und widerständige Praktiken im Staatssozialismus und sind nicht zuletzt auch ein Zeugnis eines transnationalen Homosexuellenrechtsaktivismus' vor 1989“, umreißt die Forscherin die Besonderheit des von ihr ausgewerteten Materials. Ihr Fazit: „Die Quelle zeigt ganz deutlich, inwiefern Fragen der gesellschaftlichen und politischen Zugehörigkeit zu Europa durch die Kategorie der sexuellen Freiheit ausgedrückt wurden.“
Für ihr Promotionsvorhaben untersucht Cäcilia Wosnitzka aktuell Exilbiografien politischer Emigrantinnen aus der Volksrepublik Polen in der BRD mit Fragen der bundesrepublikanischen Asyl- und Demokratiegeschichte.
Frauke Adesiyan
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