Symposion zum Wirken von Leopold Ranke (1795–1886) in Frankfurt (Oder)

Frankfurt (Oder), 

Am 13. Dezember 2024 fand an der Viadrina ein ganztägiges Symposion in Erinnerung an den Historiker Leopold Ranke (1795–1886) statt, der von 1818 bis 1825 als Oberlehrer in Frankfurt (Oder) wirkte. Konkreter Anlass war der 200. Jahrestag seines Erstlingswerkes „Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1535“ (1824). In Vorträgen und Gesprächen erörterten Experten aus der Region und darüber hinaus Aspekte einer Sozial- und Wirtschaftsgeschichte von Frankfurt, der Einbindung von Ranke in die Stadtgesellschaft, seine Tätigkeit als Lehrer am Friedrichs-Gymnasium sowie sein in Frankfurt entstandenes Erstlingswerk.

Wie Organisator Prof. Dr. Reinhard Blänkner einführend erläuterte, ist der für sein historiographisches Werk international berühmte Ranke im kulturellen Gedächtnis der Stadt Frankfurt kaum verankert. Zudem stehe der junge Ranke zumeist am Rande der Forschung; sein Erstlingswerk werde mit Ausnahme des berühmten Zitats aus der Vorrede („er will bloß zeigen, wie es eigentlich gewesen“) kaum betrachtet. Schließlich scheine auch die Stadtgeschichte von Frankfurt für den zu betrachtenden Zeitraum äußerst lückenhaft aufgearbeitet zu sein. All dies mache eine Beschäftigung mit den Frankfurter Jahren Rankes notwendig.

Das Symposion beabsichtigte daher, das Erstlingswerk Rankes kritisch zu würdigen, die Beziehungen zwischen Ranke und der Stadt zu erkunden sowie Aspekte einer Kulturgeschichte Frankfurts in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts herauszuarbeiten. In Bezug auf das Erstlingswerk stellte man sich drei Leitfragen: Welcher inhaltliche Stoff wird behandelt? Welche epistemologischen Grundannahmen lassen sich feststellen? Welche Modi des historischen Erzählens sind erkennbar? Zur Beantwortung dieser Fragen dienten die Diskussionen und Vorträge von Dr. Denny Becker (Leiter Stadtarchiv Frankfurt (Oder)), Prof. Dr. Reinhard Blänkner, Dipl.-Bibl. Hans-Jürgen Rehfeld (Bibliothekar und Stadthistoriker), Prof. Dr. Matthias Asche (Universität Potsdam), Prof. Dr. Johannes Süßmann (Universität Paderborn) und Prof. Dr. Santi di Bella (Universität Palermo). Außerdem kam es im Rahmen des Projektes „Frankfurter Köpfe“ der Netzwerkstatt Frankfurt (Oder) zur Enthüllung einer von Prof. Dr. Gangolf Hübinger und Prof. Dr. Rita Aldenhoff-Hübinger initiierten und finanzierten Gedenktafel für Leopold Ranke am früheren Standort des Friedrichs-Gymnasiums.

Zu Ehren von Leopold Ranke: Symposion und Gedenktafel

Im Laufe des Symposions konnte erarbeitet werden, dass Frankfurt zu Beginn des 19. Jahrhunderts einer rasanten Transformation ausgesetzt gewesen war. Nach der Niederlage des alten Preußens gegen Frankreich kam es in den 1800er-Jahren zu Diskussionen um eine Neuordnung der universitären Landschaft Preußens, die 1811 in der Schließung der – nach Friedrich Schleiermacher (1768–1834) an einem „übel gelegenen Ort“ befindlichen – Viadrina mündete. Die Stadt befand sich damit aber keineswegs in einem Niedergang: Vielmehr wurde sie durch die 1815 erfolgte Ansiedlung der königlich-neumärkischen Regierung des neuen Regierungsbezirks Frankfurt in eine Verwaltungsstadt transformiert. Die Verwaltungsbeamten und ihre Familien traten an die Stelle der Gelehrten und ihrer Familien. Diese Umschichtung innerhalb der gebildeten Stände ging einher mit neuen Formen sozialer Geselligkeit und grundlegenden Veränderungen im Stadtbild. Sie stellen den Kontext für die Frankfurter Zeit Rankes dar, in der er sich vom Altphilologen „ganz zum Historiker“ wandelte und sein Erstlingswerk „Geschichten der romanischen und germanischen Völker 1494 bis 1535“ erarbeitete, welches ihm den Ruf auf eine außerordentliche Professur in Berlin einbrachte.

Das eintägige Symposion konnte als erste umfassende Veranstaltung zu Rankes Wirken in Frankfurt mithilfe vielfältiger Beiträge und Diskussionen neue Erkenntnisse hinsichtlich der unterbelichteten Frankfurter Jahre Rankes zutage fördern. Gleichwohl wurden offene Fragen herausgearbeitet, die es in Zukunft zu erforschen gilt. Eine unumgängliche Grundlage für solche Forschungen wird der geplante Sammelband mit den verschriftlichten Beiträgen des Symposions darstellen.

Jakob Schneider, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

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