„Trump, Orbán, Erdoğan – Der vermeintliche Wahnsinn hat Methode“ – Prof. Dr. Timm Beichelt im Deutschlandfunk Kultur

Frankfurt (Oder), 

Am 20. Januar 2025 tritt Donald Trump zum zweiten Mal das Amt als Präsident der USA an. Schon im Vorfeld sorgt er mit lautstarken Forderungen für Aufmerksamkeit. Darüber, was die teilweise irren Verlautbarungen über den autokratischen Führungsstil aussagen und wie die Geringschätzung demokratischer Prozesse Trump mit anderen, auch europäischen Staatschefs vereint, spricht Prof. Dr. Timm Beichelt am Tag der Amtseinführung bei Deutschlandfunk Kultur. Wir veröffentlichen hier das Manuskript des Beitrages.

Nun ist es soweit; Donald Trump ist zurück. Seit Wochen schon schallt ein Trommelfeuer von Ankündigungen über geplante Massenabschiebungen, die Einverleibung Grönlands und vieles mehr. Worum geht es dabei? Um Drohgebärden nach Mafia-Art? Um kalkulierte Übertreibungen, mit denen Gegner wie Verbündete unter Druck gesetzt werden sollen? Um unkalkulierbare Äußerungen eines Riesenbabys?

An alledem ist sicher etwas dran. Aber möglicherweise steckt dahinter auch ein System. So interpretiert die Autokratieforschung einen Herrschaftsstil à la Trump als Mittel, um über vermeintlich erratisches Verhalten Loyalität zu erzwingen. Zur Erklärung der Verhältnisse in den USA wurde der Ansatz bisher wenig beachtet, unter anderem, weil diese üblicherweise als Demokratie geführt werden. Auch in anderen Demokratien und Halbdemokratien ist aber in den letzten Jahren ein Politikstil im Kommen, der auf Provokation und Disruption setzt. Javier Milei in Argentinien, Viktor Orbán in Ungarn, Tayyip Erdoğan in der Türkei und übrigens auch der französische Präsident Emmanuel Macron treffen gern einsame Entscheidungen, bei denen man sich die Augen reibt: Das soll ernstgemeint sein?

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Erdoğan, Macron, Milei, Orbán, Trump: So unterschiedlich diese Politiker und ihre Länder gelagert sind, haben sie doch gemeinsam, dass sie Institutionen und Prozesse der repräsentativen Demokratie geringschätzen. Zur Durchsetzung politischer Ziele verlassen sie sich nicht, oder allenfalls im Zusammenhang mit Wahlen, auf Parteien. Parlamente sehen sie als Unterstützungs- und Mobilisierungsmaschinen, nicht als Ort legitimer widerstrebender Interessen. Kontrollinstanzen, z. B. die Gerichte oder die Medien, werden verächtlich gemacht.

Warum eigentlich? Zum einen scheint es beim Wahlvolk angesichts der großen Herausforderungen der Gegenwart eine Nachfrage nach einer Politik zu geben, die nicht mehr auf Kompromisse und Kompromissfindung setzt.

Zum anderen aber, und hier kommen wir zur Autokratieforschung, haben allmächtige Herrscher – oder solche, die sich dafür halten – ein Informationsproblem. Sicher, man kann Loyalisten in die Machtzentralen holen, zum Beispiel den TV-Moderator Pete Hegseth als US-Verteidigungsminister oder Robert F. Kennedy als Gesundheitsminister. Oder angeheiratete Verwandte und Jugendfreunde wie im Fall von Erdoğan oder Viktor Orbán. Nur: Gewissermaßen über Nacht zu Politikern geworden, haben solche Leute von der Sache wenig Ahnung. Und außerdem eignen sie sich nicht als Überbringer von schlechten Nachrichten, denn das könnte sie die Gunst des Regierungschefs kosten.

Deshalb braucht es aus der Sicht Trumps Forderungen, die Freund wie Feind überrumpeln. Wichtig ist weniger ihr konkreter Inhalt als die Reaktionen darauf. Das Fünfprozentziel für Verteidigungsausgaben? Quatsch, davon sind ja die USA selbst weit entfernt! Aber über die Reaktionen z. B. von Olaf Scholz, dem NATO-Generalssekretär oder etwa der dänischen Ministerpräsidentin sammelt Trump die Information, mit wem man künftig zusammenarbeiten kann – und vor allem, mit wem nicht. Dabei gilt das Prinzip: Je irrer die Forderung, desto besser kann man erkennen, wer sich im eigenen Lager befindet.

Mittelfristig handeln sich solche Loyalitätsregimes allerdings ein Problem ein. Putin kann Freunde wie Feinde im Gulag verschwinden lassen, und wenn ab und zu ein ehemaliger Freund dabei ist, umso besser. In zivileren Gesellschaften dagegen können sich die Loyalisten zurückziehen oder das Lager wechseln. Sie verlieren dann zwar die Gunst des Palastes, aber sie bleiben ungeschoren, solange sie sich nicht allzu sehr bereichert haben.

Frankreich unter Macron ist ein schönes Beispiel, wie schnell die Macht erodieren kann, wenn die traditionellen Institutionen der Demokratie vom Patron selbst beiseitegeschoben wurden. Gleiches gilt für die USA: Noch brüllt der Löwe, aber als gefestigt würde ich das System Trump noch lange nicht beschreiben.

Timm Beichelt

Zum Radio-Beitrag von Deutschlandfunk Kultur

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