Hochgradig verlockendes Europarecht – Zur Pensionierung von Prof. Dr. Matthias Pechstein
Nach 30 Jahren verabschiedet sich der Europarechtler Prof. Dr. Matthias Pechstein, Ende März 2025 in den Ruhestand. 1995 war er an die ganz junge Viadrina gekommen und hat seitdem Generationen von Studierenden geprägt, deren Lebenswege er voller Genugtuung verfolgt. Am 28. Januar 2025 hielt Prof. Dr. Matthias Pechstein eine gemeinsame Abschiedsvorlesung mit Prof. Dr. Wolff Heintschel von Heinegg.
Prof. Dr. Matthias Pechstein verabschiedet sich von der Viadrina so, wie er auf viele Kolleginnen und Kollegen sowie Studierende während seiner 30-jährigen Amtszeit gewirkt hat: entschieden, konsequent und mit großer Klarheit. „Es ist ein Einschnitt, ohne Frage“, sagt er in seinem Büro vor der beeindruckenden Bücherwand. Am 31. März 2025, 24.00 Uhr, endet seine Zeit an der Viadrina, teilt er sehr präzise mit. Danach plane er nicht, die Europa-Universität noch einmal zu betreten, die er seit dem Sommer 1995 als Professor für Europarecht, als langjähriger Dekan und als Mitglied des Senats mitgeprägt hat. Seine Buchprojekte – das führende Lehrbuch im Europarecht mit 13 Auflagen und ein Nachschlagewerk zu Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes mit zwölf Auflagen – gibt er ab. Von seinen Studierenden verabschiedet er sich genauso wie von seinen Kolleginnen und Kollegen.
Abschiedsvorlesung von Prof. Dr. Matthias Pechstein und Prof. Dr. Wolff Heintschel von Heinegg
Dass er so lange an der Viadrina bleiben würde, sei ihm schon 1995 klar gewesen, schaut Pechstein zurück. „Mich auf diesem Lehrstuhl 30 Jahre lang vollkommen um das Europarecht kümmern zu können, das war für mich hochgradig verlockend“, sagt er. Bereits im eigenen Jurastudium – genauer während eines Auslandsjahres in Nizza – hatte ihn die Faszination für das Europarecht, das damals in lediglich zehn Ländern gegolten hatte, gepackt. Neben der fachlichen Ausrichtung war es der „Charme des vollkommen Unvollständigen“, der ihn Mitte der 1990er-Jahre an die erst vier Jahre alte Europa-Universität zog. Zudem habe er eine große Neugier auf Frankfurt (Oder) verspürt – die Stadt, in der sein Großvater einst lebte. „Für mich, der in Mainz groß geworden ist, war es als Jugendlicher – lange vor der Wiedervereinigung – schwer vorstellbar, dass es da ein zweites Frankfurt gibt“, sagt er. Den Ruf an die Viadrina habe er als Lebenschance begriffen: „Es hat mich nie weggezogen.“ Ein Grund für diesen Umstand war auch, dass er die Universität und vor allem seine Fakultät mitprägen konnte. Besonders in seinen Jahren als Dekan hat er „mit Verve“ das Europarecht gestärkt, sich für eine europarechtliche Ausprägung mehrerer Lehrstühle und die Etablierung des Studienganges Europäisches Wirtschaftsrecht eingesetzt. Mit Sorge beobachte er heute die Diskussionen über die Stellung des Europarechts unter seinen Kolleginnen und Kollegen. „Wenn das Europarecht nicht überlebt, hat die Fakultät ein Problem“, ist er überzeugt.
Worüber Pechstein besonders gern und positiv spricht, sind seine Studierenden, vor allem die polnischen. „Das sind so kluge, interessierte Studierende. Ich persönlich habe es als großen Verlust empfunden, dass sie uns abhandengekommen sind“, sagt er zum Anteil von Studierenden aus Polen an der Viadrina, der durch politische Veränderungen wesentlich kleiner geworden ist. Auch unabhängig von deren Herkunft habe er die Zusammenarbeit mit dem juristischen Nachwuchs besonders geschätzt. „Ich hatte immer so tolle junge Leute als wissenschaftliche Mitarbeitende, mit denen ich auf hohem fachlichen Niveau diskutieren konnte“, sagt er. Die Lebenswege seiner Studierenden und Hilfskräfte verfolgt er über Jahrzehnte hinweg und freut sich mit ihnen über Karriereschritte etwa in der EU-Kommission oder im Bundestag. „Das Gefühl, dass meine Lehre diesen Menschen etwas genutzt hat, ist die größte Genugtuung“, sagt der Professor kurz vor seiner Pensionierung.
Dass diese Wertschätzung eine gegenseitige ist, zeigte auch der bis auf den letzten Stuhl gefüllte Saal bei der Abschiedslesung, die Matthias Pechstein am 28. Januar 2025 gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr. Wolff Heintschel von Heinegg gehalten hat. In den Reihen viele aktuelle und ehemalige Studierende, die ihm mit großer Achtung bei seiner letzten Vorlesung zuhören und voll zustimmender Sympathie darüber lachen, als Prof. Dr. Benjamin Lahusen, Dekan der Juristischen Fakultät, die Eigenart des scheidenden Professors beschreibt: „Jeder wusste, dass es bei Ihnen intellektuellen Wohlstand zu erwerben gibt, aber nicht ohne Mühe. Sie haben ihren Studierenden ein Leben im Futur Zwei abverlangt: Man mochte gern bei ihnen gewesen sein.“
Am Ende der als Zwiegespräch abgehaltenen Vorlesung zum Thema „Europäische Souveränität?“ gibt es minutenlangen Applaus, dutzende Handys werden in die Höhe gehalten, um Pechstein und Heintschel von Heinegg gemeinsam zu fotografieren in diesem Moment, der die beiden für ihre Nüchternheit und Klarheit geschätzten Juristen durchaus zu rühren scheint.
Prof. Dr. Wolff Heintschel von Heinegg wurde offiziell bereits 2023 pensioniert, unterrichtete und forschte bis jetzt aber noch an der Viadrina. Zum Text über seine Pensionierung
Frauke Adesiyan
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