Der Mitdenker – Dr. Jürgen Grünberg geht nach 33 Jahren als Referent in den Ruhestand
Bei seiner Verabschiedung als Referent im Präsidialbüro am 5. März 2025 liegen 33 Jahre an der Viadrina hinter Dr. Jürgen Grünberg – und 35 Jahre für die Viadrina. Denn schon vor der Gründung der Europa-Universität hatte der promovierte Philosoph als Gründungsbeauftragter der Stadt die allerersten Ideen und Anstrengungen für die Neugründung koordiniert. Seitdem hat er für neun Rektoren und Präsident*innen gearbeitet, den Senat organisiert und den Förderkreis geleitet.
Ganz zu Beginn der neugegründeten Viadrina sei er von der ersten in die zweite Reihe gewechselt, das erzählt Jürgen Grünberg bei einem seiner zahlreichen Rückblick-Termine in diesen Wochen. Er erzählt es ohne Wehmut und meint damit den Schritt vom Gründungsbeauftragten der Stadt zum persönlichen Referenten von Viadrina-Gründungsrektor Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Knut Ipsen. Hatte Jürgen Grünberg seit den Wendemonaten in der Stadt maßgeblich die Pläne für eine Neugründung koordiniert und vorangetrieben, schlüpfte er Ende 1992 in die Rolle des Referenten an der Europa-Universität.
Die ersten aufregenden Viadrina-Monate hatte Grünberg schon hinter sich, ehe er an ihr arbeitete: von den enthusiastischen Ideen und Initiativen für eine neue Viadrina der Wendezeit über die feierliche Gründungsveranstaltung im September 1991 bis zu den aufreibenden Sitzungen des Gründungssenates, ganze Wochenenden lang im Angelenhof bei Briesen. Dass das etwas wird mit der Neugründung, daran hatte Grünberg keine Zweifel: „Im Kontrast zu der herrschenden unsicheren Stimmung damals in der Gesellschaft, war ich völlig überzeugt, dass das klappt. Ich hatte keinen Plan B, auch nicht für mich persönlich“, erinnert sich Grünberg. Die Bremsen schienen damals gelöst, die Euphorie steckte an und vom Land kam das Signal: Geld spielt keine Rolle.
Jürgen Grünberg an der Viadrina
Unaufgeregt und organisiert – der Mann hinter den Kameras
Wenn man Jürgen Grünberg auf Fotos sucht, die in den Gründungs- und Anfangsjahren der Viadrina entstanden, findet man ihn fast nie, auch wenn er immer dabei war. Seine Rolle war es zu organisieren, zu protokollieren, dafür zu sorgen, dass alles reibungslos klappt. Sein Platz war nicht vor den Kameras, die sich damals zu Hauf auf die neugegründete Universität und ihre prominenten Gäste richteten. Abseits der Aufmerksamkeit aber kam er diesen manchmal nah. Er erinnert sich mit seinem so typischen Schmunzeln an die vier Bodyguards, die neben der Limousine des polnischen Präsidenten Aleksander Kwaśniewski durch Frankfurt (Oder) joggten. Oder an das freundliche, auch private, Gespräch, das Grünberg mit dem früheren deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher nach dem offiziellen Besuchsprogramm bei einem Bier am Oderufer führte. Man kann sich gut vorstellen, dass die unaufgeregte Art und der feine Humor von Jürgen Grünberg auch für die Politiker*innen eine wohltuende Abwechslung vom Protokoll waren.
Neben der Vorbereitung von hohen Besuchen gehörte die Organisation des Senats zu Grünbergs Aufgaben – von der ersten bis zur letzten Sitzung. „Das war interessant, aber oft auch stressig. In den Zeiten vor Moodle musste dafür ein Packen Papier 50 Mal kopiert und per Brief verschickt werden“, erinnert er sich. Hinzu kamen der Förderkreis, dessen Geschäftsführer Jürgen Grünberg bis zu seinem Ausscheiden ist, und die Organisation von Spitzengesprächen mit der Stadt.
Interview zur Verabschiedung: Studentin Charlotte Grünberg und ihr Vater Jürgen Grünberg im Gespräch
Die Viadrina war sein größtes Projekt
„Ich habe mitgedacht, organisiert, vorbereitet, aber eben nicht entschieden“, so umschreibt er im Rückblick seine Aufgaben. Er habe sich dabei auf alle Präsident*innen eingestellt, „ohne dass es unterwürfig wurde“, habe sich eingefunden, ohne sich zu verbiegen. „Ich habe alle neun Rektoren sowie Präsidentinnen und Präsidenten geschätzt. Sie waren und sind alle sehr unterschiedlich, aber ich habe gesehen, was sie leisten und habe großen Respekt davor“, schaut Grünberg zurück. Am allermeisten habe ihn Prof. Dr. Hans N. Weiler geprägt, mit dem er bis heute im regelmäßigen Austausch ist.
„Die Viadrina war mein größtes Projekt“, sagt Jürgen Grünberg kurz vor seinem letzten Arbeitstag – ein Projekt, das sein gesamtes Arbeitsleben bestimmt hat. Stolz schaut er darauf zurück, wie diese Universität gewachsen ist und sich entwickelt hat. „Es gab immer Probleme; sie wurden alle gelöst“, sagt er und ist voller Zuversicht, dass das auch bei den aktuellen Herausforderungen der Fall sein wird. Dennoch sagt er: „Der Zeitpunkt für den Abschied am Anfang der Reformphase ist gut für mich.“ Zumal er einige Projekte bereitliegen hat, denen er sich im Ruhestand widmen möchte. Ganze Bücherstapel warten darauf, gelesen zu werden. Und da sind die eigenen Buchprojekte. Einen Science-Fiction-Roman, der zwischen den USA und Frankfurt (Oder) spielt und eine Zeitreise in das Umbruchsjahr 1989 beinhaltet, hat er bereits begonnen. Und auch seine Viadrina-Erinnerungen möchte Jürgen Grünberg aufschreiben.
Nicht zuletzt freut sich Jürgen Grünberg darauf, die Viadrina als Gast zu besuchen: „Ich werde abends zu Veranstaltungen kommen, mich hinten reinsetzen und zuhören – einfach mal genießen und nicht organisieren.“
Das sagen Weggefährtinnen und Weggefährten über Dr. Jürgen Grünberg
Ich schätze sein stets korrektes Auftreten und seinen sehr feinen Humor. Wenn ich ihn mir im Ruhestand vorstellen soll, dann legt er sicher nur die Fliege ab. Die Hosenträger, Kaffeetasse und ab und zu eine schöne Zigarre, Bücher mit „schwarzen Löchern“ und unbekannten Galaxien werden ihn wohl weiter begleiten.
Ricarda Begau, langjährige Sekretärin im Präsidialbüro
Von Anfang an war mir in der anregenden, aber auch hektischen und schwierigen Gründungszeit klar, dass wir es in Jürgen Grünberg mit einem bescheidenen, aber wirksamen Könner zu tun hatten, bei dem die Gründung, der Aufbau und die Strukturen der Viadrina in den besten Händen waren – und der bis heute für diese Universität ein ruhender Pol war, der – oft genug im Stillen – den passenden Weg der Dinge in der Großen Scharrnstraße zu finden und zu unterstützen wusste.
Prof. Dr. Hans N. Weiler, erster gewählter Rektor der Viadrina
Besonders dankbar bin ich Jürgen Grünberg dafür, dass er seinen einzigartigen Wissensschatz aus über drei Jahrzehnten Viadrina ganz selbstverständlich geteilt hat – besonders natürlich für die Anekdoten. Das waren unschätzbare Einblicke, die mir geholfen haben, die Bedeutung und den einzigartigen Geist der Viadrina gerade in ihrer Gründungsphase besser zu verstehen. (…) Obwohl er diese Universität kennt wie kein anderer und mehr als 30 Jahre eng mit ihren wichtigsten Entscheidungsträger*innen zusammengearbeitet hat, ist er mir und allen anderen immer unprätentiös auf Augenhöhe und mit großer Herzlichkeit begegnet.
Dr. Oliver Kossack, ehemaliger Referent im Präsidialbüro
Bereits während meiner Studienzeit an der Viadrina lernte ich Jürgen Grünberg im Kontext unserer damaligen Antragsstellung an den Förderkreis der Universität kennen und war von seiner bemerkenswerten Offenheit und seinem Interesse für studentische Initiativen beeindruckt. Umso mehr freute mich seine Unterstützung in den ersten Wochen und Monaten im Präsidialbüro. Seine strukturierte Arbeitsweise und sein wunderbares Gedächtnis für die Ereignisse seit der Gründung der Universität schätze ich sehr. Besonders gern erinnere ich mich an die gemeinsamen Mittagspausen. Dabei konnte ich von ihm immer eine interessante Buchempfehlung bekommen und mich mit ihm, oft in einem philosophischen Kontext, über das aktuelle Weltgeschehen austauschen.
Adrianna Rosa-Zarzycka, Viadrina-Absolventin und Referentin der Hochschulleitung
Jürgen Grünberg war eine wichtige und loyale Stütze der Viadrina und ihrer Präsidentinnen und Präsidenten. Buchstäblich vom ersten Tag an hat er diese besondere Universität begleitet. Er hat in seiner bescheidenen Art nie ein besonderes Aufheben darum gemacht, wie wichtig er für die Viadrina war und ist. Wenn ich an unsere gemeinsamen vier Jahre denke, denke ich besonders an unseren Polnischunterricht. Daran, wie wir versucht haben, uns der schwierigen Nachbarsprache anzunähern, getragen von dem Wunsch, die deutsch-polnische Freundschaft in der Doppelstadt noch aktiver leben zu können.
Prof. Dr. Julia von Blumenthal, frühere Präsidentin der Viadrina
Das Schönste an unseren Begegnungen waren für mich immer die Gespräche mit Jürgen Grünberg. Jürgen ist bescheiden, zurückhaltend im Umgang mit anderen, und vielleicht wissen deshalb nur wenige, dass er einen scharfsinnigen, analytischen Geist eines Sozialwissenschaftlers besitzt, mit dem er gesellschaftliche Prozesse kreativ betrachtet und interessante Schlüsse zieht. Ohne Jürgen hätte sich mein Leben in den letzten 35 Jahren ganz anders entwickelt. Dank ihm, dank seiner Unvoreingenommenheit, Weitsicht und Fairness, durfte ich das größte berufliche Abenteuer meines Lebens erleben.
Dr. Krzysztof Wojciechowski, früherer Direktor vom Collegium Polonicum
Als ich 2012 als Verwaltungsbeamtin und Einzelkämpfer die Geschäftsführung für den Stiftungsrat übernahm, habe ich mich frühzeitig an Herrn Grünberg gewandt, um von seinen Erfahrungen bei der Gremienarbeit zu lernen. Zu diesem Zeitpunkt und auch später konnte ich mit seiner Hilfsbereitschaft, seiner Loyalität und seinem technischen Know-how rechnen.
Ilona Genschmar, langjährige Geschäftsführerin des Stiftungsrates
Ich erinnere mich sehr gern an unsere gemeinsamen Sitzungen im Präsidialamt. Es war meistens ziemlich heiter und Sie waren immer darauf bedacht, dass alles richtig klappt und wir nichts vergessen. Dafür möchte ich Ihnen ganz ausdrücklich danken.
Prof. Dr. Gesine Schwan, frühere Präsidentin der Viadrina
Die Routine von Jürgen Grünberg hat wohl allen Senatsvorsitzenden über die Jahre sehr geholfen, sich in diese Aufgabe hineinzufinden. Er war der Mann im Hintergrund, ohne den eine reibungslose Senatsarbeit im Grunde aber gar nicht vorstellbar war. Jürgen Grünberg blieb immer verlässlich, verständnisvoll und von einer bemerkenswerten Geduld.
Prof. Dr. Kerstin Schoor, Vorsitzende des Senates
Frauke Adesiyan
Zurück zum Newsportal
Beitrag teilen: