„Deutschland und Polen seit 1945: Der lange Weg der Annäherung“ – Lehrfilm mit Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak-Quast und Mateusz Weis-Banaszczyk
In einem neuen Lehrfilm vom Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) erkunden Viadrina-Absolvent Mateusz Weis-Banaszczyk und Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak-Quast geschichtsträchtige Orte in Frankfurt (Oder) und Słubice und erklären, wodurch das Verhältnis der beiden Länder seit 1945 geprägt wurde. Der Film zeichnet die politische Geschichte beider Länder nach, um Schüler*innen ein Verständnis der deutsch-polnischen Beziehungen zu vermitteln. Im Interview spricht Dagmara Jajeśniak-Quast über Asymmetrien in den deutsch-polnischen Beziehungen, darüber, was ihr besonders wichtig war zu vermitteln und über die Hoffnung auf Versöhnung.
Der Lehrfilm deckt die Zeit von 1945 bis in die Gegenwart ab. Sie sprechen unter anderem über den Görlitzer Vertrag, die unterschiedliche Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen in der DDR, der BRD und Polen und darüber, wie sich die Beziehungen zwischen den Ländern mit Ende des Kalten Krieges änderten, aber auch über Polens Beitritt zur EU und zum Schengenraum. Was war Ihnen hinsichtlich der Vermittlung der deutsch-polnischen Beziehungen besonders wichtig?
Besonders wichtig war für mich, die Hoffnung auf Versöhnung zu vermitteln. Meine Doktormutter, wissenschaftliche Mentorin und ehemalige Professorin der Viadrina, Helga Schultz, pflegte zu sagen „Wunder an der Oder“, wenn man auf die jüngste Geschichte von geteilten Städten wie Frankfurt (Oder) oder Guben schaut. In der Tat, wenn wir uns vor Augen führen, wie schnell es nach den Gräueltaten der Nationalsozialisten in Polen während der Besatzung im Zweiten Weltkrieg zu einer Kooperation zwischen Frankfurt (Oder) und Słubice gekommen ist, dann können wir auf eine Versöhnung der Kriegsparteien auch nach den heutigen Kriegen in der Ukraine oder in Gaza hoffen – obwohl wir uns das gegenwärtig kaum vorstellen können.
Bildergalerie Lehrfilm
Zu Beginn des Films treffen Sie sich mit Mateusz Weis-Banaszczyk an der Friedensglocke an der Oder, kurz vor der Stadtbrücke. Warum war es Ihnen wichtig, dort zu starten?
Die Friedensglocke direkt an der Oder auf der deutschen Seite der deutsch-polnischen Grenze hat einen sehr starken Symbolcharakter. Sie trägt die Inschrift „Friede und Freundschaft mit allen Völkern“. Traditionell wird die Glocke am 1. September zum Weltfriedenstag geläutet, und seit der Vollinvasion Russlands in die Ukraine vor drei Jahren finden freitags an der Glocke Friedensgebete statt. Der Film trägt den Titel „Der lange Weg der Annäherung“ – die Glocke ist gewissermaßen der Anfang dieser Annäherung zwischen Deutschland und Polen nach dem Zweiten Weltkrieg. Als die Glocke 1952 aufgestellt wurde, waren zwei Jahre seit der Unterzeichnung des Görlitzer Vertrages über die Oder-Neiße-Grenze durch die DDR und Polen vergangen. Lange vor dem Grenzvertrag von 1991 zwischen dem wiedervereinigten Deutschland und Polen wurde also seitens der DDR die Oder-Neiße-Linie als Grenze anerkannt. Die Anerkennung der Grenze war für den langen Weg der Annäherung fundamental.
Der Lehrfilm ist für Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klasse gedacht. Wenn Sie das mit der Vermittlung an ein studentisches Publikum vergleichen – wo sehen Sie hier Unterschiede?
Das ist schon ein großer Unterschied, denn im Gegensatz zu den Vorkenntnissen meiner Studierenden sind mir die Vorkenntnisse von Schülerinnen und Schülern nicht so vertraut. Trotzdem ist es für mich – unabhängig von der Zielgruppe – stets wichtig, dass das von mir Gesagte verständlich ist und dass meine Thesen ankommen. Wichtiger als die Zielgruppe ist für mich jedoch in diesem Fall das Medium Film. Vor der Kamera ist es die größte Herausforderung, komplexe Sachverhalte kurz und bündig darzustellen. Ich hoffe, dass uns das gelungen ist und dass sich vielleicht nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch einige meiner Studierenden das Material mit Interesse anschauen werden.
Gegen Ende des Films spricht Dr. Agnieszka Łada-Konefał, stellvertretende Direktorin des Deutschen Polen-Instituts, davon, dass es noch immer ein leichtes Missverhältnis zwischen Deutschland und Polen gibt. Das äußere sich auch darin, dass das Wissen in Polen über Deutschland viel größer sei als umgekehrt. Kann so ein Lehrfilm dazu beitragen, diese Lücke zu schließen und was würden Sie sich wünschen, um die Diskrepanz zu verkleinern?
Das stimmt, es gibt immer noch eine Asymmetrie in den deutsch-polnischen Beziehungen. Vor fast einem Jahr haben wir (damals noch am Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien) im Rahmen eines Kolloquiums zum Thema „Die Wunden sind verheilt, aber die Knochen schief zusammengewachsen“ zusammen mit Prof. Dr. Felix Ackermann – einem Alumnus der Viadrina – intensiv über seinen Osteuropa-Artikel „Nach der Versöhnung“ diskutiert. Ich bin zwar nicht derselben Meinung wie Felix, dass Asymmetrien jede Beziehung und jedes Gespräch zwischen Polen und Deutschland prägen, aber es ist schon was dran. Felix und auch Agnieszka zufolge ist die Asymmetrie nicht nur historisch, sondern auch gegenwärtig zu beobachten, so etwa in der deutschen Annahme, man vertrete die zukunftsträchtige, progressive Seite gesellschaftlicher Entwicklungen. Als Ökonomin und Wirtschaftshistorikerin bemerke ich aber gegenwärtig vor allem in der wirtschaftlichen Entwicklung, dass es hier dank des enormen polnischen Wachstums langsam zu einem Rollentausch zwischen beiden Seiten kommt. Für viele Polen ist Deutschland kein Vorbild mehr, wenn es um Innovation und wirtschaftliche Entwicklung geht. Zu beobachten ist das vor allem in der Digitalisierung, im Bankwesen oder auch im Schulwesen. Aber zurück zu Ihrer Frage – was ich mir vielleicht wünschen würde, um die angesprochene Lücke zu verkleinern: Ich wünschte mir noch mehr Begegnung zwischen Polen und Deutschen. Ich kenne kaum deutsche Schülerinnen und Schüler, Studierende oder auch Bekannte, die nach einem Besuch von Warschau, Krakau, Danzig oder Posen nicht von Polen begeistert wären.
Wie war die Erfahrung der Dreharbeiten für Sie?
Die Erfahrung möchte ich nicht missen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich für einen Lehrfilm vor der Kamera stand, aber Dreharbeiten sind immer anders. Hier war es besonders inspirierend, diese Erfahrung zusammen mit Mateusz Weis-Banaszczyk zu teilen. Mateusz ist ein ehemaliger Student von mir – ein Bilderbuchabsolvent unserer Universität. Er spricht mehrere Sprachen und verfügt über ein sehr hohes Maß an interkulturellen Kompetenzen. Das tat nicht nur den Dreharbeiten gut, sondern ist vor allem in Zeiten des erstarkenden Populismus sehr wichtig.
Was hat Sie an der Arbeit an diesem Film am meisten überrascht?
Ich könnte sagen, dass man für einen nicht einmal 30-minütigen Film einen ganzen Tag braucht. Aber das wusste ich schon. Gleichwohl war ich überrascht, wie schnell dieser Tag verging. Das ist ein Beweis dafür, dass das Projekt uns allen – vor und hinter der Kamera – sehr großen Spaß gemacht hat.
Was erhoffen Sie sich von dem Lehrfilm?
Selbstverständlich erhoffen wir uns zunächst, dass sich möglichst viele Schülerinnen und Schüler den Film anschauen und dadurch eingeladen werden, sich mit der spannenden deutsch-polnischen Geschichte und Gegenwart auseinanderzusetzen. Womöglich entscheiden sich viele, nach Polen zu reisen, die Sprache zu lernen oder sogar in Polen zu studieren. Wenn ich jemanden durch den Film zum Studium an der Viadrina motiviert habe, wäre das natürlich auch ein sehr schönes Nebenprodukt unserer Arbeit.
Lea Schüler
Zurück zum Newsportal
Beitrag teilen: