30 x Viadrina & ich: „Das Besondere an der Viadrina ist der Gründergeist, den man hier verspürt!“
In der Reihe „30 x Viadrina & ich“ erzählt Boris Šešlija, der 2009 sein Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre (IBWL) abgeschlossen hat, über seine abenteuerliche Ankunft in Frankfurt (Oder) und seine Begeisterung für Internationales und das Gründen – beides wichtige Aspekte in seinem Leben. Anlässlich von 30 Jahren Europa-Universität berichten 30 Menschen – vom Erstsemester bis zur emeritierten Professorin – welche Rolle die Viadrina in ihrem Leben spielt.
Nach seinem Abitur in Essen mit den Leistungskursen Sozialwissenschaften und Mathematik wusste Boris Šešlija noch nicht, ob er etwas in Richtung Politik oder doch Wirtschaft studieren sollte. Um sich Bedenkzeit zu verschaffen, ging er nach New York City und arbeitete dort gut zwei Jahre mit obdachlosen Senioren und Holocaust-Überlebenden. In dieser Zeit hörte er zum ersten Mal von der Viadrina. Ein Bekannter, der an der Europa-Universität studierte, schwärmte mitten in der Weltmetropole von der kleinen, feinen Viadrina und bezeichnete sie als Top-Uni. Boris Šešlija interessierte sich für ein wirtschaftswissenschaftliches Studium – aber unbedingt mit einer internationalen Ausrichtung. Er rief also im Internationalen Büro der Viadrina an, um sich über das Studium zu informieren. Gewöhnt ans Großstadtleben, interessierte ihn die Entfernung nach Berlin. Letztlich war es aber die Kombination aus grenzübergreifender Uni, Nähe zur Großstadt und exzellenten Hochschulranking-Ergebnissen, die für die Viadrina sprach.
Boris Šešlija: Alumnus und Unternehmer, Foto: Boris Šešlija
An seine Ankunft in Frankfurt (Oder) erinnert sich Boris ganz genau. Gemeinsam mit seinem Vater kam er im Oktober 2004 per Auto in Frankfurt (Oder) an und hatte genau vor dem Wohnheim an der Logenstraße einen Platten. Auf die Frage nach einer Tankstelle meinten Passanten: Hier gibt es keine Tankstelle, ihr müsst rüber nach Polen. „Wir haben uns gewundert, haben das aber gemacht – damals gab es noch die Grenzkontrollen – und das war gleich zu Beginn ein großes Abenteuer“, erzählt er lachend.
Für Boris gab es damals zwei Arten von Menschen, die an der Viadrina studierten: Die einen, die richtig Lust darauf hatten (dazu gehörte er) und andere, die es nicht geschafft hatten, sich irgendwo einzuschreiben und in Frankfurt gestrandet waren. Was beide Gruppen einte: „Sie haben schnell erkannt, dass das Studentenleben hier top ist.“ In so einer kleinen Stadt lernen sich die Leute schnell kennen. „Mal hat man in Frankfurt gefeiert, mal auf der anderen Seite des Flusses in Słubice.“ Boris Šešlija war Mitgründer des verbuendungshaus fforst – eines internationalen, selbstverwalteten Wohnhauses für Studierende. Er war für das Eventmanagement zuständig und vertrat das fforst im Studierendenparlament (StuPa). „Das Wohnhaus gibt es heute immer noch, aber wir waren damals die Ersten und mussten uns rumschlagen mit der Renovierung oder damit, wie man mit den Nachbarn gut auskommt. Das war alles total spannend, weil alle, die Lust auf ‘Internationales‘ hatten, sich dort getroffen haben“, erinnert er sich.
Heute schaut Boris Šešlija auf seine gesamte Studienzeit als etwas Besonderes zurück. „Aber das sagen vermutlich alle, da die Studienzeit immer eine schöne Zeit ist“, fügt er schmunzelnd hinzu. Er ist allerdings überzeugt: „Das, was an der Viadrina damals und auch heute immer noch besonders ist, ist der Gründergeist, den man hier verspürt.“ An der Uni entstand zu seiner Zeit gerade der Lehrstuhl für Entrepreneurship, was ihn und seine Mitstudierenden sehr beeinflusst hat. Mit seiner Idee, noch während des Studiums 2008 das erste Backpacker Hostel in Bosnien und Herzegowina zu eröffnen, gewann Boris Šešlija den Businessplan-Wettbewerb an der Viadrina. Das Harambaša Hostel, benannt nach dem Sinnbild Robin Hoods vom Balkan, kann man zu ausgewählten Zeiten immer noch besuchen.
Auch nach der ersten Gründung blieb Boris umtriebig. Während des Studiums verbrachte er zunächst ein Auslandsemester im spanischen Almería und ging danach nach Costa Rica, wo er sich zum ersten Mal mit dem Thema Energie beschäftigte. Diesem Thema blieb er seitdem beruflich treu. Über Berlin, Poznań und Hamburg führte sein Weg nach Wien, wo er seit neun Jahren lebt und bei der Wien Energie als Führungskraft arbeitet. Neben seinem Bürojob gründete er weiter und betreibt seit 2022 die Kaffeerösterei „Dodola Coffee“. Dodola ist – der Legende nach – die slawische Fruchtbarkeitsgöttin, welcher man sich zuwendet, damit der lang ersehnte Regen fällt. „Wer den Kaffeeanbau kennt, weiß, dass es ohne viel und beständigen Regen keinen guten Kaffee gibt.“ Frischer, hochwertiger Kaffee war schon immer eine Passion von Boris. Seine Lieblingssorte bezog er lange aus einer kleinen sardinischen Rösterei. Als er die nicht mehr bekommen konnte, beschloss er, selbst Kaffee zu rösten.
Wenn er heute auf die Viadrina schaut, sieht er, was er vor knapp 20 Jahren auch gesehen hat: eine positive Universität. „Der Gründerzeitgeist ist immer noch da. Nach erst 30 Jahren Wiederbetrieb kann die Viadrina noch keine ganz etablierte Universität sein, wie beispielsweise Heidelberg. Sie ist eher flexibel und innovativ, hier werden immer wieder neue Sachen und Projekte schnell entwickelt, die woanders viel später kommen“, sagt er und nennt die European New School mit dem Thema Digitalisierung als ein Beispiel. Zu seiner Zeit habe es an der Viadrina sehr viele Studierende aus slawischsprachigen Ländern gegeben, etwa aus Bulgarien, der Ukraine, Russland, Belarus, Bosnien und Herzegowina, Serbien und aus Polen natürlich. Er könnte sich vorstellen, dass man das Studienangebot an der Viadrina um Slawistik ergänzen könnte. Letztendlich wünscht er seiner Alma Mater zum Geburtstag: „Bleib so, wie du bist.“ (AL)