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Es ist ein düsteres Bild, das die Gäste auf dem Podium von den zurückliegenden, aktuellen und wohl auch künftigen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen zeichnen. Krzysztof Ruchniewicz, der soeben den Preis für seine Bemühungen um eben jene Beziehung erhalten hat, sagt auf die Frage nach den Herausforderungen unumwunden: Das wäre abendfüllend. „Die Bilanz ist: Es ist komplizierter geworden, man kann die Beziehung zwischen Polen und Deutschland nicht in ein paar Worten zusammenfassen“, erklärt er. Vor ein paar Jahren sei er noch optimistischer gewesen. Sicher, man hatte schon immer unterschiedliche Positionen, etwa zur Ausgestaltung der EU; am Ende aber, so hoffte er, würden sich die beiden Länder zusammenraufen. Das sehe er aktuell nicht mehr.
Auf dem Podium (v.l.): Prof. Dr. Timm Beichelt, Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak Quast, Prof. Dr. habil. Krzysztof Ruchniewicz, Irene Hahn-Fuhr und Dietmar Nietan. Foto: Heide Fest
Genauso interpretieren Irene Hahn-Fuhr und Dietmar Nietan die aktuelle Situation in der von Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak Quast, Direktorin des Zentrums für Interdisziplinären Polenstudien, und Prof. Dr. Timm Beichelt, Professor für Europa-Studien, moderierten Runde. „Es gibt in Polen demokratieverachtende Vorgänge im Parlament, die einer Inquisition ähnlich sind“, spitzt es Nietan zu. Und auf der anderen Seite, in Deutschland, habe man aus 25 Jahren Osteuropa-Politik „nichts gemacht“. Man habe den guten seismographischen Kompass Polens und anderer osteuropäischer Staaten hinsichtlich der autoritären, faschistischen Entwicklung in Russland ignoriert und sich mit den Nordstream-Pipelines abhängig gemacht von Putin. „Und dieser nutzt das nun als Waffe gegen uns, und gegen die direkten Nachbarn.“ Obwohl diese Fehleinschätzung des Westens nun mit dem flächendeckenden Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine offen zutage getreten sei, herrsche in den „Amtsstuben der EU“ weiterhin Ignoranz und eine herablassende Sicht auf Ost- und Mitteleuropa. Als Beispiel führen alle Podiumsgäste das von Deutschland geplante sogenannte Polendenkmal an. Es müsste nach Nietans Ansicht Top-Priorität haben, habe es aber nicht. Diese Ignoranz gegenüber der polnischen Wunden in der Geschichte werde von der aktuellen polnischen Regierung für eine antideutsche Politik genutzt und instrumentalisiert, um Demokratinnen und Demokraten im eigenen Land in Schach zu halten. Das wiederum sei laut Hahn-Fuhr ein Vorwand der deutschen Politik, nicht mit Polen zusammenarbeiten zu wollen.
Hahn-Fuhr unterstreicht die Diagnose des Podiums, es herrsche eine Ignoranz gegenüber den östlichen Nachbarn von Deutschland, indem sie sagt: „In Warschau können Sie fast täglich Diskussionsrunden zu deutsch-polnischen Beziehungen besuchen. In Berlin gibt es dazu fast nichts!“ Es fehle in Deutschland an öffentlichen Räumen für eine Debatte über die Beziehung zum Nachbarn.
Welche Perspektiven hat nun also die Beziehung zwischen Deutschland und Polen, insbesondere mit Blick auf die Wahl in Polen im Herbst 2023? Es müsse, so Nietan, nach dem Krieg gegen die Ukraine ein klares Signal an die Völker in Belarus, Armenien und anderswo geben: „Ihr gehört zur EU!“ Ein solches Signal könne nur ein Tandem aus Polen und Deutschland aussenden. Doch, so prognostiziert es Nietan, versagen aktuell beide Länder dabei, überhaupt ein Tandem zu bilden. „Und so wird es dann in den Geschichtsbüchern stehen.“
Trotz der trüben Bilanz der Podiumsgäste und des häufig heraufbeschworenen Bildes von dunklen Gewitterwolken über den Ländern sind sich Ruchniewicz, Hahn-Fuhr und Nietan einig: weitermachen, egal, wie die Wahl ausgeht. Nicht zuletzt gebe es die Zusammenarbeit zwischen der polnischen und deutschen Zivilgesellschaft, die für die meisten selbstverständlich sei. Nietan fordert von der deutschen Bundesregierung eine positive, selbstkritische Polen-Agenda, mit der man die nächste polnische Regierung und das polnische Volk wohlwollend überraschen könne.
Hahn-Fuhr bekräftigt: „Man kann nicht immer darauf warten, dass so gewählt wird, bis es einem passt und erst dann zusammenarbeiten – und in der Zwischenzeit geschieht nichts?!“. Ein Europa der Freunde, das sei vorbei, stellt sie fest. „Wir müssen neu denken, wie wir mit Andersdenkenden umgehen, ohne natürlich unsere eigenen Werte außer Acht zu lassen.“
Text: Heike Stralau
Zum Text über die Viadrina-Preisverleihung an Prof. Dr. habil. Krzysztof Ruchniewicz
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