Von Prompting bis Yoga – „Langer Tag des Schreibens“ unterstützt Studierende und Lehrende
„Let’s get started“ war das Motto vom „Langen Tag des Schreibens“, zu dem das Zentrum für Lehre und Lernen (ZLL) am 6. März 2025 eingeladen hat. Das Ziel: gemeinsam schreiben, über das Schreiben reflektieren und Techniken lernen, mit denen das wissenschaftliche Schreiben leichter gelingt. Neben Studierenden richtet sich das Angebot auch an Lehrende. Thematisch im Fokus stand der Umgang mit KI-Anwendungen im Schreibprozess.
Dass wissenschaftliches Schreiben weder im stillen Kämmerlein stattfinden muss, noch eine Aufgabe für Einzelkämpfer*innen ist, wird an diesem „Langen Tag des Schreibens“ deutlich, sobald man die Coworking-Räume im Gräfin-Dönhoff-Gebäude betritt. Zwischen Flipchart und Beamer dampfen hier Pierogi im Wärmebehälter. Bei Kaffee und Keksen tauschen sich Studierende und Berater*innen über die letzte Schreibaufgabe aus. Zwischen konzentrierten Schreibzeiten und Workshops über Lesetechniken und Stressmanagement werden Schultern und Nacken in einer Yoga-Session gelockert.
Langer Tag des Schreibens
Jede*r kann gutes Schreiben lernen
Zum 15. Mal hat das Zentrum für Lehre und Lernen zu einer solchen Veranstaltung eingeladen. Als das gemeinsame Schreiben zum ersten Mal überhaupt als „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ von Studierenden an der Viadrina organisiert wurde, war das Medienecho riesig; die Viadrina-Erfindung wurde weltweit an Universitäten aufgegriffen. Auch in diesem Jahr findet das gemeinsame Schreiben nicht nur an der Europa-Universität statt, virtuell sind die Schreibenden international vernetzt. „Schreiben ist eine Schlüsselkompetenz und wir brauchen sie ganz dringend im akademischen Kontext“, erläutert Anja Voigt-Färber die Grundüberzeugung, die hinter der Veranstaltung steckt. Von der Idee des schreibenden Genies hält sie wenig. Vielmehr vertreten sie und ihre Kolleg*innen vom ZLL die Überzeugung, dass jede*r das gute Schreiben lernen kann – vom Finden des roten Fadens über das Kennenlernen von verschiedenen Schreib- und Arbeitstypen bis zu Techniken, um sich selbst zu motivieren und zu strukturieren. „Unsere Hauptbotschaft mit diesem Tag ist: ,Du bist nicht allein, es gibt ganz viel Hilfe!‘“, so Anja Voigt-Färber.
Eine Studentin, für die diese Art von Unterstützung ganz neu ist, ist Maria Mammeri-Latzel. „Als ich in den 1980er-Jahren an der FU studiert habe, gab es so etwas nicht“, sagt die 65-Jährige, die aktuell an ihrer Abschlussarbeit für den Master Mediation und Konfliktmanagement schreibt. Sie ist zum Schreib-Tag gekommen, weil sie das wissenschaftliche Schreiben nach Jahrzehnten im Beruf als Amtsrichterin „ganz schön unter Druck“ setze. „Meine Urteile waren meist nicht wahnsinnig lang; jetzt hier im Studium sehne ich mich manchmal nach meinen Urteilen zurück, weil sie so schön überschaubar waren und ein ganz festes Muster hatten.“ Von der Literaturrecherche bis zum Verwenden von KI-Tools für das Schreiben habe sich viel geändert. Umso dankbarer ist Maria Mammeri-Latzel über die Angebote vom ZLL. Am Langen Tag des Schreibens hat sie unter anderem das Prompten, also die Formulierung von Fragen und Anweisungen für KI-Anwendungen wie ChatGPT, geübt.
KI erfordert mehr Reflexion und neue Entscheidungen beim Schreiben
Überhaupt ist das Thema Künstliche Intelligenz bestimmend an diesem Tag. Aus dem Alltag der meisten Studierenden und Lehrenden sind KI-Anwendungen nicht mehr wegzudenken. Am ZLL plädiert man dafür, sie bewusst und gezielt einzusetzen, statt sich von den neuen Möglichkeiten überwältigen zu lassen. Auch wenn es zunächst so scheinen mag, führe der Einsatz von KI nicht automatisch zur Arbeitserleichterung beim Schreiben, warnt Anja Voigt-Färber. „Eigentlich muss die Reflexion über das Schreiben eher verdoppelt werden“, betont sie. Wer für das wissenschaftliche Schreiben KI nutzt, sollte sich ihrer Ansicht nach fragen: „Wie bleibe ich kompetent im Schreiben? Und wie bleibe ich Herrscherin über meine Gedanken und meinen Text?“
Genau um diese Fragen geht es auch im Raum gegenüber bei Dr. Sigrun Meinig. Sie berät unter anderem Lehrende, wie sie KI-Tools in ihren Veranstaltungen einsetzen können und welche Vorgaben sie ihren Studierenden geben sollten. Im Sommersemester wird sie dafür eine Faculty Learning Community anbieten. Sigrun Meinig hat beobachtet: „KI macht das Schreiben auch schwieriger, man muss neue Entscheidungen treffen, das Prompting lernen, die sich verändernden Tools verfolgen und bei alldem seine Autorenstimme behalten.“
Es scheint neben der Generationsfrage auch eine Typ-Frage zu sein, mit welcher Selbstverständlichkeit Künstliche Intelligenz für das wissenschaftliche Schreiben eingesetzt wird. Bei Sigrun Meinig kommen auch Teilnehmende einer Research Writing Group zusammen, die sich Ende vergangenen Jahres gegründet hat. Doktorandinnen und Doktoranden kommen darin regelmäßig für Online-Treffen zusammen, bei denen sie gemeinsam schreiben. „Diese Gruppe unterstützt mich sehr in meinem Schreibprozess; wir haben alle die Kamera an und ich kann sehen, wie konzentriert sie alle arbeiten“, beschreibt Slavena Korsun die Treffen. Sie selbst sei in der Abschlussphase ihrer Doktorarbeit und habe bisher kaum KI eingesetzt, berichtet sie. Annemarie Kahl hingegen berichtet, dass sie KI als Kreativitätsinstrument nutze. Der klare Vorteil für sie: „Die KI ist ein Dialogpartner, der immer mit am Tisch sitzt.“
Frauke Adesiyan
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