Reale Daten, echte Probleme – Studierende wenden Data Science praktisch an

Frankfurt (Oder), 

Qualitätskontrolle im Stahlwerk, Stress im Studium und Diversität im Marketing – die Analyse von großen Datenmengen bringt in ganz unterschiedlichen Feldern einen Mehrwert. Davon konnten sich Studierende in dem Projektseminar „Data Science & Decision Support“ von Prof. Dr. Charlotte Köhler im Wintersemester 2024/25 überzeugen. Sie beschäftigten sich in drei Gruppen mit realen Daten und Problemstellungen und lernten nebenbei viel über Zeitmanagement und Gruppenarbeit.

„Die Arbeit mit echten Daten ist viel komplexer und nuancierter als die Arbeit mit simulierten Daten, die meist klarer und strukturierter sind“, fasst Marydaphine Ochoi eine ihrer wichtigsten Erfahrungen aus dem Seminar zusammen. Sie studiert im vierten Semester International Business Administration (IBA) und hat sie sich im Seminar von Charlotte Köhler mit realen Herausforderungen im Stahlwerk in Eisenhüttenstadt auseinandergesetzt. Ihre Gruppe, zu der auch Chefor Ndah Akofor, Felipe Oliveira und Gisela Winda Sutanto gehören, hat dafür Daten von Arcelor Mittal bekommen. Dort taucht immer wieder das Problem auf, dass eine maschinelle Überwachung von Schweißnähten zu anderen Ergebnissen kommt, als die Prüfung durch eine*n menschliche*n Angestellte*n. Doch wann treten diese Diskrepanzen auf? Was führt zu der unterschiedlichen Bewertung? Um der Antwort auf diese Frage näher zu kommen, haben die Studierenden die Daten ausgewertet und ein Muster gefunden, wie Marydaphine Ochoi erklärt: „Bei einer bestimmten Dicke der Stahlbänder fanden wir durchweg eine Diskrepanz, bei der die Maschine die Schweißnaht für gut befand, der Mensch jedoch nicht. Wir denken, dass dieses Muster besonders wertvoll ist und weiter untersucht werden kann, um diese Art von Diskrepanzen zu beseitigen.“

Viadrina-Studentin Marydaphine Ochoi

Seminarteilnehmerin Marydaphine Ochoi

Stress von Studierenden mit Sensoren gemessen

Ein besonders naheliegendes Problem nahm sich eine zweite Arbeitsgruppe in dem Seminar vor: Sie untersuchte den Stress von Viadrina-Studierenden. Neben vorliegenden Daten aus großangelegten Umfragen haben sie mithilfe von Fragebögen und Sensoren für die Herzfrequenz und den Schlafrhythmus auch das Stresslevel von Mitstudierenden ausgewertet. „Unsere passiven und aktiven Daten zeigen, dass prüfungsbedingter Stress signifikant ist“, ist eine der Schlussfolgerungen in der Abschlusspräsentation der Gruppe. Außerdem gebe es einen Zusammenhang zwischen Schlaf, Koffein, Bewegung und Stress, der aber noch weiter analysiert werden müsse. Zu der Gruppe gehören die IBA-Studierenden Edvin Davis Pozhaliparambil, Mahmoud Anas Khalgui, Simran Dewnani, Udval Oyunsaikhan, Anish Joseph und Ani Hovhannisyan. Sie sind sich im Nachgang des Seminars einig, dass sie neben praktischen „hard skills“ bei der Datenauswertung auch viel über effektive Teamarbeit gelernt haben.

Seminar setzt auf Flexibilität und individuelle Betreuung

Diese Beobachtung teilt Seminarleiterin Prof. Dr. Charlotte Köhler, Inhaberin der Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Business Analytics. „Gruppenarbeit ist nicht immer einfach, da sie viel Abstimmung erfordert – insbesondere, wenn die Teammitglieder sich erst im Seminar kennengelernt haben. Doch alle Gruppen haben es geschafft, ihre Stärken und Schwächen zu identifizieren und diese gezielt für den Projekterfolg zu nutzen“, so Charlotte Köhler. Bewusst setzt sie in ihrem Seminar auf große Flexibilität bei der Bearbeitung der Problemstellungen, gepaart mit festen Deadlines und individueller Betreuung. „Die Studierenden arbeiten eigenständig an ihren Projekten, reflektieren Herausforderungen und entwickeln Lösungen, die sowohl die Kooperationspartner als auch die bewertenden Lehrpersonen überzeugen“, umreißt sie ihr Konzept. Die Kreativität in den Ergebnissen der Gruppenprojekte und der Umgang mit Herausforderungen haben sie besonders beeindruckt.

 Prof. Dr. Charlotte Köhler

Seminarleiterin Prof. Dr. Charlotte Köhler

Das gilt auch für die Arbeit einer dritten Gruppe, die den Vergleich zwischen Künstlicher Intelligenz (KI) und menschlicher Expertise bei der Erkennung von Geschlecht und Ethnie auf Fotos aus Werbeanzeigen untersuchte. Ausgangspunkt war eine Fragestellung aus der Marketingforschung: die unzureichende Präsenz bestimmter Bevölkerungsgruppen in der Werbung sowie deren oftmals stereotype Darstellung. Die Analyse entsprechender Werbebilder erfolgt bislang meist manuell – ein aufwendiger und subjektiver Prozess.

Trainingsdaten von KI-Modellen kritisch hinterfragt

Die Studierenden Rose Dennis, Mukhammad Egamkulov, Litta Jose Thottam, Valeriia Knurova und Hong Minh Nguyen gingen der Frage nach, wie zuverlässig gängige KI-Modelle diese Aufgabe übernehmen können. Wenig überraschend: Besonders zuverlässig erkannte die Künstliche Intelligenz weiße, erwachsene Männer. Bei Personen mit anderen Merkmalen – etwa anderem Geschlecht, ethnischem Hintergrund oder Alter – sank die Erkennungsgenauigkeit deutlich. Ein möglicher Grund: unausgewogene Trainingsdaten, mit denen die Modelle trainiert wurden. So basiert ein untersuchtes Modell beispielsweise ausschließlich auf Fotos prominenter Persönlichkeiten – eine Gruppe, die die gesellschaftliche Vielfalt nur unzureichend abbildet.

Das Fazit der Gruppe: „Weder die KI noch die Menschen sind besser. Während die KI schnell große Datenmengen auswerten und strikte Regeln einhalten kann, hat sie Probleme mit subtilen Details und nicht eindeutigen Daten. Im Kontrast dazu können menschliche Expert*innen besser den Kontext und komplexe Sachverhalte mit einfließen lassen, dafür sind sie in ihren Entscheidungen inkonsistenter.“ Besonders lobenswert fand Charlotte Köhler, dass die Gruppe die Trainingsdaten der KI-Modelle kritisch hinterfragt hat und die Ergebnisse dadurch fundiert einordnen konnte.

Einig sind sich die Studierenden unabhängig vom Untersuchungsgegenstand, dass das Seminar besonders lehrreich für sie war. So sagt Marydaphine Ochoi: „Dieses Projektseminar hat mir noch einmal gezeigt, wie wichtig das an der Viadrina erworbene Wissen in der Praxis ist.“

Frauke Adesiyan

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